Die Alben des Jahres: 50 bis 41
Nicht verpassen! | 50 – 41 | 40 – 31 | 30 – 21 | 20 – 11 | 10 bis 01 |
50. Astpai – Burden Calls
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Man muss sich im Grunde längst nicht mehr damit aufhalten anzumerken, dass Astpai eine Ausnahmeerscheinung der heimischen Musikszene sind und in dem was sie tun schlichtweg die besten hierzulande sind – weil der Vierer aus Niederösterreich den übernationalen Vergleich noch nie gescheut hat. Dass ‚Burden Calls‚ ihr bisher dynamischstes Gesamtwerk darstellt, sich Turtles– und Down by Law-Samples einverleibend, immer wieder gefinkelt um die Ecke gedacht wird ohne dabei seine Schlagkraft zu verlieren und im Endeffekt natürlich vollgestopft mit zahlreichen Hits ist, die den Astpai-Punkrock zu gleichen Teilen Richtung Hardcore und Pop schielen lassen, das darf man am Ende des Jahres allerdings durchaus noch einmal unterstreichen. Erreicht das diesmal doch Dimensionen, die etwa jedwede Wartezeit zwischen zwei Samiam-Platten vergessen macht.
49. Boris – Noise
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Vor der Veröffentlichung von ‚Noise‚, dem vielleicht 19. Studioalbum der Japaner, wurde mit dem Satz „If we had to suggest just one album for those unfamiliar with Boris‘ music, we will pick this for sure“ Wind um das erste größere Wiederauftauchen der Band seit dem unausgegorenen Doppelschlag von ‚Heavy Rocks‚ und ‚Attention Please‚ gemacht – das großartige aber wenig bemerkte ‚Präparat‚ außen vor. Natürlich gelingt es Boris nicht, mit ‚Noise‚ einen Querschnitt durch ihr Schaffen zu ziehen, und als eine Art Einstiegshilfe auf dem Silbertablett zu präsentieren (und Herrgott, sie haben es bis hinunter auf das Artwork für den Westen wirklich versucht), vielleicht ist dieser Glaube daran, ein Album für jedermann aufnehmen zu müssen gerade die große (einzige?) Schwäche der Platte: es bräuchte nichts von dem Speckrock à la Foo Fighters von ‚Vanillia‚, und keine Sekunde der Elektropoppigen Fürchterlichkeit ‚Taiyo No Baka‚, außer man möchte Gateways zu den zwei verzichtbareren Dritteln der erwähnten Alben öffnen. Man hätte auch ausschließlich den famosen eröffnenden Epos ‚Melody‚ sprechen lassen können, das psychedelisch shoegazende ‚Ghost of Romance‚, das zwischen bezaubernd und bedrohlich mäandernde ‚Heavy Rain‚ – ein Highlight der jüngeren Boris-Discographie – oder die irre Abfahrt ‚Quicksilver‚, das aus dem ganz und gar nicht Einsteigerfreundlich ausgedehnten ‚Angel‚ hervorgeht, und in einer Drone-Eskapade wie aus der guten, alten Zeit endet. So oder so: ‚Noise‚ ist ein Boris-Album das glücklich macht, hat man den Glauben an die japanische Instanz bereits verloren, oder entdeckt ihn gerade.
48. Panopticon – Roads to the North
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‚Roads to North‚ ist keine derart politisch motivierte Platte geworden wie seine Vorgängeralben, sondern richtet den Fokus stattdessen auf das Innenleben von Austin L. Lunn alias A. Lundr, verarbeitet dessen Aufenthalt in Norwegen oder den Umzug von Kentucky nach Minnesota, natürlich auch die Erfahrungen als frisch gebackener Vater und Neo-Bierbrauer. Dahinter verschilzt die Vision von Panopticon – eine musikalische Einheit aus Black Metal, Bluegrass und Folk zu erschaffen – noch homogener und nahtloser als bisher: der winterliche Streifzug führt hier ohne mit der Wimper zu zucken sogar durch Post Metal-Gefilde und vorbei an Metallica-Headbangern zu Bill Callahan-Lagerfeuermomenten. Panopticon bleibt ein Vordenker des Genres.
47. Cymbals Eat Guitars – Lose
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Den Schritt, den Cymbals Eat Guitars zwischen dem grandiosen Debüt ‚And the Hazy Sea‚ und dem kaum weniger grandiosen, aber etwas unübersichtlich geratenen Zweitwerk ‚Lenses Alien‚ gefühltermaßen ausgelassen haben – ‚Lose‚ holt ihn mutmaßlich ein klein wenig nach. Und wächst dann doch wieder in ganz eigene Sphären, mutiert sogar zum vielleicht besten Album einer der wohl wunderbarsten Indiebands der 00er-Jahre, die ihre Hausaufgaben bei Modest Mouse, Built to Spill, Pavement und all den anderen Szenekönigen schlichtweg besser gelernt hat als die Konkurrenz. Oder anders: alleine in welch ausladende Melodieseligkeit sich das eröffnende ‚Jackson‚ über 6 hymnisch Minuten und triumphale Trompetenschwälle hineinsteigert; wie ‚Warning‚ den Druck nach Vorne verlagert und ‚XR‚ sogar den Rumpelpunkrock sucht und trotzdem noch eine Dylan-Mundharmonika durch die Mangel nimmt; das kindliche Lächeln, dass die zauberhafte Wilco-Verneigung ‚Child Bride‚ verbreitet – ‚Lose‚ strotzt vor bisweilen magischen Momenten unperferkter Perfektion.
46. …And You Will Know Us By The Trail Of Dead – IX
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Mit Autry Fulbright II und Jamie Miller scheinen die beiden Trail of Dead-Köpfe Conrad Keely und Jason Reece endlich (wieder) ein Line Up gefunden zu haben, in dem ihre Band Funken sprühen kann: der Einbruch, den die Texaner rund um ‚The Century of Self‚ nach einem kontinuierlichen Höhenflug hatten scheint jedenfalls nicht nur beendet, als drittes konstant tolles Album in Serie rattert der Express wieder wie geölt auf der Schiene und kann es sich dabei auch gut und gerne leisten, die Dinge auch einmal ruhiger anzugehen und sich zurückzulehnen und verkraftet sogar eine suboptimal orchestrierten Trackliste und den Schatten der wahren Heydays, weil Songs wie ‚The Dragonfly Queen‚ eben alle Stärken der Kombo ausspielen. Dass mit ‚How to Avoid Huge Ships‚ und ‚Like Summer Tempests Came His Tears‚ zwei der stärksten Songs reine Instrumentals sind (was ‚IX‚ der eigentlichen Intention nach ohnedies zum überwiegenden Teil hätte sein sollen), lässt die Zukunft des Quartetts zudem spannend wie immer erscheinen.
45. Ben Frost – AURORA
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Greg Fox (Ex-Liturgy, Guardian Alien) und Thor Harris (Swans) prägen die markantesten Momente von ‚AURORA‚ – wenn sich die isländisch verankerte Eiseskälte der Ambient-Elektronik des Australiers Frost in eine unnachgiebig pulsierende Rhythmik verwandelt, der Schalter von beunruhigend brutzelndem Schaltkreis-Minimalismus zu einem distortiongeschwängerten Rave-Szenario umkippt und der Körper sich zwangsläufig bewegen muss, während die Konturen vor den Augen verschwimmen – nachzuhören vor allem in den beiden Zwillingen ‚Nolan‚ und ‚Secant‚, hypnotischen Soundschleifen für die Tanzflächen am Weltenende von Blade Runner. Daneben hebt und senkt sich ‚AURORA‚ als monolither Wellengang zwischen ausgehängter Magengrube und kaum zu vernehmendem Leisetreten. The Haxan Cloak und Tim Hecker applaudieren.
44. Oozing Wound – Earth Suck
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Neben einigen anderen kontroversen Ansichten, bestanden Oozing Wound eigentlich schon immer darauf, keine Thrash Metal Band zu sein. Was angesichts des wirklich tollen Thrash Metal Albums ‚Retrash‚ aus dem Jahr 2013 eine schwer für voll zu nehmende Aussage darstellt. Viel von dem damals bereits präsenten beißenden Humor und der locker aus der Hüfte gespielten Angepisstheit geht dabei nicht verloren, allerdings gehen Oozing Wound mehr oder weniger sicher, nicht mehr mit Voivod oder D.R.I. verwechselt zu werden, und präsentieren sich als durch den Thrash-Fleischwolf gedrehte Sludgecombo: Bass und Schlagzeug bis an den Anschlag gedreht sägen die Riffs weniger offensichtlich als zuvor, aber wesentlich zerstörerischer in Unterleib und Genick. Motörhead-Ideen werden nicht mehr im Stakkato abgebrannt, sondern so lange gedehnt bis der gesunde Zahn gezogen ist und der faulige es sich neben Eyehategod bequem gemacht hat. Zack Weils Stimmbänder klingen angeätzter denn je, der Schritt von der satirischen zur ernst gemeinten Hasstirade scheint vollbracht. Die dramatischen Breakdowns die ‚Retrash‚ noch gewissermaßen ausgezeichnet haben wurden ersetzt durch aufgekratzte Riffeskapaden, die Bongripper 2014 zwar langsamer, aber nicht bedrohlicher hinbekommen haben. Wenn Oozing Wound nicht aufpassen, werden sie mit dem nächsten Album gar als humorlos dargestellt werden.
43. Garish – Trumpf
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Den Schwierigkeiten nach langer Pause und einigen Soloprojekten zum Trotz haben Garish wieder zusammen gefunden und das vielleicht rockigste Album ihrer Karriere aufgenommen. Auf ‚Trumpf‚ durften alle Mitglieder mal ans Mikrofon um sich im Chor den Frust rund um die Unsicherheit der Bandzukunft von der Seele zu singen. Mit Songs wie ‚Auf den Dächern‚ oder ‚Ganz Paris‚ haben die sympathischen Burgenländern ihren Fans dabei nicht nur zeitlose Hits geschenkt, sondern schlicht großartiges Material, das sich vor allem Live so richtig entfaltet. Die vierjährige Pause hat Garish so zumindest musikalisch gut getan – und selbst nach dem sechsten Studioalbum ist noch immer kein schlechtes dabei. Ganz im Gegenteil, konnte sich die Band doch zum wiederholten Male weiterentwickeln und ihre herrlich lyrischen Texte abermals mit starken Melodien verknüpfen. Das neue Selbstverständnis als eine Band, die aus mehr besteht als nur ihrem Frontmann, dürfen sie deswegen gerne behalten – live in ganz Österreich „auftrumpfen“ sowieso.
42. Plebeian Grandstand – Lowgazers
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Wo gräbt Throatruiner nur immer diese Bands aus und was ist sowieso nur im Land der Liebe los? Die Vertonung von purer Misanthropie und triefendem Weltenhass mit französischem Präge- und Gütesiegel floriert momentan jedenfalls akut, und klingt dabei so einzigartig wie erschreckend. Nach dem letztjährigen Celeste-Triumphwerk ‚Animale(s)‚ unterstreichen dies 2014 die aus Toulouse stammenden Plebeian Grandstand auf ihrem heiß herbeigesehnten zweiten Studioalbum. Darauf beschwören sie die selbe vollkommene, von innen zerfressende Finsternis wie es Celeste tun, artikulieren diese aber mit anderen Mitteln, auch als auf dem Vorgänger ‚How Hate is Hard to Find‚: anstelle von chaotischem Hardcore bildet nun disharmonischer Black Metal das Grundgerüst von ‚Lowgazers‚, der seine Vertracktheit von Meshuggah borgt und sich dabei wild rasend, psychotisch und massiv mit verstöhrend-bohrendem, strategischen Wahnsinn ins verängstigte Unterbewusstsein frisst, bollert und kloppt was das Zeug hält, bis der Schaum vorm Mund steht. Auch wenn die Songtitel sich normalisiert haben (obwohl das „u“ dem trendigen „v“ weichen muss): Ein apokalyptisches, auslaugendes Fest ohne Notfallbremse, das man alleine der wie irre austickenden Drumarbeit wegen keinesfalls verpassen darf.
41. Marissa Nadler – July
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Es ist kein Wunder, dass ‚July‚ jetzt wieder rausgekramt wird – bereits in dem Winter als Marissa Nadlers siebtes Album erschienen ist, markierte es den weitest möglich entfernten Punkt zu seinem Titel. Die Lichtempfindlichkeit der Platte kommt nicht nur wenig überraschend wenn man Nadlers Œuvre – inklusive Ausflügen zu Xasthur zum Beispiel – betrachtet, sondern auch beim Blick auf den von Tausendsassa Randall Dunn besetzten Produzentenstuhl. Und Ehre wem Ehre gebührt: natürlich zeichnet sich ‚July‚ durch eine Kette von großartigen, wenn auch in mancherlei Hinsicht oberflächlich bleibenden, Songs aus, die man nur schwer durchbrechen könnte, doch dem an Sunn O))) oder Wolves in the Throne Room geschulten Ohr Dunns ist hier vielleicht mehr als nur die halbe Miete anzurechnen. ‚July‚ ist nicht schwarz, es ist auch nicht kalt, es ist dunkel und kühl. Jeder Strich auf der Violine, jeder sanfte Klang der Synths ist mit fachmännischer Genauigkeit platziert, um Nadlers ätherischen Folksongs den Raum zu verschaffen den sie benötigen. Eine notorische Scheue, verwurzelt im hier und jetzt, durchzieht diese Songs; wo Nadler einstmals Gesänge kurz vor dem Schließen des Sargdeckels anstimmte, dreht sich nun alles um „cell phones„, „christmas trees“ oder „…every song you ever heard„. Mit einem Schritt hinter das Gesamtwerk ist Nadler eigentlich bereits bestmöglich in ihrer neuen Heimat Sacred Bones angekommen.
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