Zulu – A New Tomorrow
Mit den beiden EPs Our Day Will Come und My People… Hold On haben Zulu ihren herrliche Collage aus Samples im Bindemittel aus Metalcore und Powerviolence kultiviert, nun dehnen sie das Konzept auf A New Tomorrow in Albumlänge aus.
Seit Anaiah Lei Zulu 2018 als Soloprojekt gründete, dem später nicht nur Gitarrist Braxton Marcellous, sondern auch Dez Yusuf, Bassist Satchel Brown und Schlagzeugerin Christine Cadette beitraten, ist die Formel der nunmehrigen Band eine ebenso simple wie offenbar polarisierende – und bleibt es auf A New Tomorrow auch: Einer (oftmals nur kurze, Spannungen aufbauende) Schikane um den Pit eskalieren zu lassen, wird ein stilistisch weit entferntes, aus dem Soul, Funk, Jazz oder R&B entlehntes Sample oder eine entsprechende Interpolarisation im abrupten Sturz angehängt (For Sista Humphrey knüppelt etwa bis zu einem verschwommen tänzelnden Vintage Pop-Finale; Our Day Is Now poltert aggressive Blastbeats als Downbeat-Walze zum Raggae; Music to Driveby konterkariert die Deathcore Abrissbirne mit smoothem R&B; Lyfe Az a Shorty Shun B So Ruff lässt den Slam Dance so radikal auf die Bremsen steigt um zum beschwingt aus dem Äther kommenden Singalong zu wechseln), wobei der Hardcore-Aspekt und dessen Songwriting genau genommen weder besonders einfallsreich oder originär, noch kompositorisch zu Ende gedacht ist (oder es aufgrund der Ziele sein muß), weil meistens einfach der Tritt auf das Bremspedal der Heaviness für die nötige Dynamik sorgen soll.
Was natürlich an sich wie ein Clusterfuck wirken kann, der anstelle den Weg der ausformulierten Komplettheit lieber den billigen Weg des Mindfucks geht. Tatsächlich aber wiegen sich etwaige substanzielle Schwächen durch den MO und dessen Meta-Stärke auf. Indem Zulu von einer Mischung aus Turnstile, Bad Brains oder Soul Glo auf Code Orange-Steroiden u.a. Curtis Mayfield, The Impressions, Martin Luther King Jr, Main Source oder Bob Marley (direkt oder indirekt) in ihre Songs einbauen, provozieren sie gewissermaßen eine Reibung der sozialpolitischen Inhalte mit einem historischer Traditionsbewusstsein und laden den kulturellen Hintergrund auf, erkämpfen zwischen Vergangenheit und Gegenwart die Synergie aus eigener Perspektive und Gemeinschaft-Gefühl, lassen das Kaleidoskops in einem zwar plötzlich sprunghaften, aber doch erstaunlich homogenen Fluss verschwimmen.
Nach dem kammermusikalisch verträumt erwachenden, um Streicher klimpernden Opener Africa zeigen Attacken wie Where I’m From (als Call and Response-Gästeliste mit Pierce Jordan & Obioma Ugonna, die sich die Bälle aus keifend-brüllendem, schabendem Beton unter enormer Muskelanspannung zuwirft), Fakin‘ tha Funk (You Get Did) oder die Riff-Brutalität 52 Fatal Strikes (mit Paris Roberts) eine durchaus geschlossene Führung. Divine Intervention läuft als kontemplativere Tirade aus und From tha Gods to Earth webt sich versöhnliche Töne ein, die direkt in den Klavier-Monolog Créme De Cassis by Aleisia Miller & Precious Tucker übergehen und weiter zum leicht funky entspannten, am Rap dösenden We’re More Than This. Shine Eternally beginnt wie eine smoothe Yacht-Lounge-Entspannung im Sommer und das Interlude Must I Only Share My Pain repetiert halluzinogen seinen Titel.
Und Who Jah Bless No One Curse löst seine Post Hardcore-Tendenzen sogar mit melodischen Geplänkel samt versöhnlichen Tribal-Tabla-Chant auf, wie um zu unterstreichen, dass hier alles Hand und Fuß hat, auch wenn an den Stellschrauben im Detail noch gedreht werden darf, weil A New Tomorrow ohne die Summe seiner Teile eben keine neue Zeitrechnung startet.
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