Zeal & Ardor – Wake of a Nation
Von den Sklavenunterkünften neben Baumwollplantagen zu gegenwärtigen Diskussion über grassierende Polizeigewalt und Rassismus in den USA ist es für Zeal & Ardor nicht weit – Manuel Gagneux hat deswegen mit Wake of a Nation sein (leider gar nicht unbedingt nur) zeitaktuellstes politische Statement aufgenommen.
Während der Tod von George Floyd und BLM das überspannende Thema der versammelten 17 Minuten sind, dreht sich etwa Tuskegee explizit um die bis in die 70er laufende Tuskegee-Syphilis-Studie des US Gesundheitsministeriums. Gagneux brüllt und keift da, die Drums rackern, erinnert abseits der simpel gestrickten Gitarrenlinie breitbeinig an Deafheaven und lüftet sich kurz für eine beseelte Klarheit, die so auch aus einer Queens-Bridge stammen könnte. Allerdings fällt auch spätestens hier, wenn der Song letztendlich zu entwicklungsresistent an der Leine gehalten wird, sich nirgendwohin entwickelt und schaumgebremst wirkt, auf, dass Gagneux nicht nur den Moment verpasst hat, wo er den Black Metal als Gimmick gerne hinter sich lassen hätte können, sondern auch, dass die angestammten Probleme im Songwriting von Zeal & Ardor dieselben geblieben sind.
Immer noch schreibt der Schweiz-Amerikaner eher zusammengeschraubte Einzelpassagen als ganzheitliche Kompositionen, was At the Seams beispielsweise zu einem strukturell einfach zu vorhersehbaren Standard macht: Das beginnt bluesig verdaulich und poppig, die an sich nicht notwendigen Metal Segmente sind stimmig eingeführt, aber Selbstzweck, bevor der Klimax es sich als konzentrierte Verdichtung zu einfach macht. Auch Trust No One, als Wechselwirkung aus spirituellen Call and Response-Handclaps und doomdeath-affinen Metal, kennt man so bereits aus dem formelhaften Baukasten von Devil is Fine und Stranger Fruit.
Das ist auch deswegen frustrierend, weil Gagneux sich am anderen Ende des Spektrums selbstverständlich wie nie bewegt. Vigil nimmt mit modernen R&B und Soul-Elementen entlang eindringlicher Zeilen gefangen, sitzt am Klavier mit aufgeräumten Beat, aufbrandendem Chor und Tremolo-Gitarrenwand, melancholisch und anklagend im bestürzenden Klargesang, was den Opener der EP zwischen Hozier und Sleep Token mit finsterer Postrock-Textur positioniert. Die härtere Gangart nur noch als schattierendes, unheilschwangeres Backdrop zu inszenieren, ohne es in den Vordergrund brechen zu lassen, ist ein starker Schachzug – selbst wenn die aufbrandende, aber nicht brechende Intensivierung die Vermutung nährt, dass ein kreativer Gegenpol Gagneux in zielführender Hinsicht durchaus die nötigen Impulse für den nächsten Level als Songwriter geben könnte.
Nachzuhören auch bei den restlichen Stücken – dem (wie alles hier atsmosphärisch einnehmenden) Interlude I Can’t Breathe sowie dem rhythmisch interessanten Titelsong-Chant , der das Potential seiner dystopischen Industrial-Färbung nicht auf den Boden bringt und mehrsprachig ein bisschen cheesy und hölzern („Gib uns die Gaben/ Gib uns deine Lorbeeren/ Gib uns die Gaben/ Sofort!“) ausklingt – wenn sich Zeal & Ardor weiter von den determinierenden Wurzeln der eigenen Vergangenheit löst.
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