Zeal & Ardor – Stranger Fruit
Stranger Fruit ist zwar das bisher kompletteste Album der mittlerweile zur vollwertigen Band herangewachsenen Zeal & Ardor. Dennoch will der bipolare Stilspagat des Manuel Gagneux wie schon auf dem faszinierend eigenwilligen, aber vor allem unausgegorenen Rohdiamanten Devil is Fine weiterhin nicht restlos überzeugend funktionieren.
An der Ausrichtung des ehemaligen Laptop-Projektes, das Gagneux nach dem Appetithappen von 2017 im Falle des gefühlten Debütalbums Stranger Fruit in nun der Studioform weiterhin weitestgehend alleine eingespielt hat, hat sich dabei nichts geändert: Immer noch spürt der Schweizer der Idee nach, wie sich Blues- und Soul-getränkter Sklaven-Gesängen an der Schnittstelle zum teuflischen Black Metal anhören könnte.
Leider hat das an sich einnehmend charismatische Amalgam dabei weiterhin mit ähnlichen Problemen zu kämpfen, wie bisher. So wirkt vor allem das Songwriting immer noch eher wie eine Aneinanderreihung von einzelnen Passagen. Zu vorhersehbar – weil prinzipiell immer nach dem selben Muster gestrickt – wechselt das Material nicht nur im mal Handclap-shakenden, dann wieder die Metalkant auspackenden Kontrastprogramm Row Row zwischen stimmungsvollen (mal zurückgenommen mit Piano und Orgel über Field Recordings klimpernd, mal fülliger mit Chören und fetter Percussion wuchtend) die Spannungen mit pochenden Rhythmen aufbauenden Chain Gang-Chants und eben kraftvoll entladenden Blastbeat-Infernos samt glimmernden Blackgaze-Tremolos, harten Riffs, giftigen Geschrei und okkult-majestätischen Arrangements in den Refrains.
Wo Gagneux gerade in ersteren Fragmenten mit absolut intensiver, leidenschaftlich-flehender und inbrünstig ausspeiender gesanglicher Performance überzeugt und hier noch sicherer und bestimmter agiert als bereits auf Devil is Fine, bleiben gerade die rasenderen Momente phasenweise zu sehr an überdurchschnittlichen Genre-Standard orientierte Pflichtübungen mit latentem Gimmick-Beigeschmack und lassen das Potential von Zeal & Ardor selbst in Trademark-Nummern wie Gravedigger’s Chant oder dem zu ziellos zwischen Schönheit und Hysterie umherbolzenden Waste frustrierend in der Luft hängen – spätestens im letzten Drittel um We Can’t Be Found hat man sich deswegen auch ein wenig an Stranger Fruit satt gehört, weil der einzigartige Sound eben durch ein zu simplizistisch gestrickten Inhalt gehalten wird.
Paradoxerweise erfüllen auch die drei eingestreuten elektronischen Instrumentals The Hermit, The Fool und Serve weniger ihre angedachten Rollen als fokusschärfendes Atemholen im Albumfluss, als dass sie viel eher wie deplatzierte Fremdkörper wirken, die (als sphärisch den melancholischen Wohlklang findender Ambient) atmosphärisch zwar durchaus zu überzeugen wissen, im Kontext aber die Dynamik zu unschlüssig ausbremsen. Gerade wenn Gagneux über 48 Minuten ohnedies einige kompositorisch leere Meter abspult, fällt dieser Druckverlust enervierend ins Gewicht.
Zündet die stompende Gleichung, auf der Zeal & Ardor erbaut ist, allerdings, tut sie dies auf Stranger Fruit im besten Fall jedoch auch stärker, konsequenter und packender als zuvor. Die zwar nach Schema F gebastelte, aber immer dringlicher werdenden Okkult-Messe Ship On Fire baut sich zu schweißtreibender Größe auf und die absolut energetische Powerhouse-Riffattacke des herrlich giftigen Fire of Motion gehört zum nahtlos mitreißendsten, was Manuel Gagneux bisher unter seinem ambivalenten Banner veröffentlicht hat, während das mit aggressiven Gitarren zerschnittene You Ain’t Coming Back in anderer Form ein Hit hätte werden können, für dessen Grundsubstanz und Melodieverständnis sich Formatradio-Schmachter von Rag ’n‚ Bone Man bis hin zu reisbrettartig-konstruieren Trittbrettfahrern ala Cesár Sampson einige die Finger geleckt hätten – Gagneux hingegen stellt sein permanent aufblitzenden Händchen für Pop allerdings nur hier sowie im sehnsüchtigen Glanzstück Built on Ashes etwas ungenierter in die Auslage. Schade: Diese milderen Perspektiven dürften gerne konsequenter verfolgt werden, scheinen sie Gagneux‘ Wesen doch grundlegend deutlich natürlicher und unforcierter zu liegen.
Derartige Verschiebungen in den Facetten von Stranger Fruit sind es auch, die zeigen, was abseits der Formel eigentlich möglich wäre und zudem den Eindruck festigen, dass Gagneux für Zeal & Ardor zwar längst eine ureigene Nische gefunden hat – vorerst jedoch weiterhin nach einer adäquat ausgewogenen Balance in dieser Ecke sucht.
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