Zeal & Ardor – Devil Is Fine
Zeal & Ardor alias Manuel Gagneux findet seinen Zugang zum Black Metal über eine durchaus interessante Prämisse: Was, wenn die schwarzen Sklaven in den USA nicht im Christentum, sondern im Satanismus Hoffnung gesucht hätten? Devil Is Fine liefert darauf eine durchaus spannende, aber noch unter zahlreichen Kinderkrankheiten leidende Antwort.
Für sein eigentlich bereits Mitte 2016 erschienenes, nach dem steten Internet-Hype nun aber auch regulär flächendeckend veröffentlichten Nicht-Wirklich-Debüt („Das ist ja schon die zweite Platte. Die erste ist allerdings nicht gut.„) drängen sich Referenzpunkte auf, die mutmaßlich einen durchaus anstrengend und forciert erscheinenden Brückenschlag nahelegen. Der inzwischen aus New York wieder in die Schweiz übersiedelte Gagneux schwärmt auf der einen Seite von den Dogmen-brechenden Ansätzen wenig puristischer Black Metal-Vertreter wie Liturgy oder Deafheaven, will diese Faszination auf der anderen Seite jedoch nahtlos in den schwarzen Delta-Blues eines Robert Johnson übersetzen. Neben William Elliott Whitmore wird da insofern auch Moby und letztendlich sogar Tom Waits ins Spiel gebracht.
Was sich zwischen typischen Tremologitarren und stürmischen Blastbeats, elektronischem Bindemitteln sowie leidenschaftlichem Soul- und Gospel-Elementen als hippes Brechstangenamalgam ankündigt, funktioniert dann auf Devil Is Fine letztendlich jedoch erstaunlicherweise doch schlüssiger, als es die stilistisch so weit auseinander liegenden Eckpfeiler des Sounds in Aussicht stellen: Die Rezeptur geht auf – doch die Zutaten müssen noch ausgewogener vermengt werden.
Zumindest vorerst bleibt Zeal & Ardor nämlich bloß ein relativer Erfolg. Devil Is Fine ächzt bis zu einem gewissen Grad doch unter seiner gestelzt konzeptionellen Last, wirkt sowohl im Gesamten wie im Detailblick hinter seiner trendorientierten Ausrichtung stellenweise zu unausgegoren – eher wie ein Ausblick auf Dinge, die für dieses ambitionierte Projekt möglich sein könnten, sobald der Fokus geschärft wurde.
Wenn die mitunter zu trivialen Black Metal-Versatzstücke erst einmal weniger generisch konstruiert daherkommen und mehr als nur artifizielle Ausschmückungen darstellen, sich homogener mit dem authentisch-gefühlvollen, aber songwritertechnisch nicht zu Ende gedachten Blues-Anteilen verbinden. Am deutlichsten wird dies gerade im klar positionierten Children’s Summon, das hinter maschinellen Drumhetzereien mit teuflisch-sakralem Überbau wie eine stylishe Fashionshow klingt, nicht wie eine beklemmende schwarze Messe. Gerade auch das (immer wieder) eingestreute klischeehaft-uninspirierte Genre-Schabolonen-Gekeife („Yeeeeeeeaaaaaaaaahhhhh„) hinterlässt einen fahlen Beigeschmack.
Generell schwimmt Devil Is Fine also noch zu ziellos hinter den Möglichkeiten, lässt seine unabsprechlichen Stärken ansonsten aber immer wieder aufblitzen: Der grandios eröffnende Titelsong baut etwa auf ergreifend in den R&B zersplitternde Sklaven-Chaingang-Gesänge, doch obgleich sich warme Pianotöne und hummelartige Reverbgitarren in das Geschehen schwindeln, findet die beschwörende Melodie-Idee genau genommen nirgendwo hin. Selbiges gilt für das inbrünstige Blood In The River. Dennoch: Dieser Ansatz greift, da keimt großes!
In Ashes erzeugt wiederum eine fiebrige Call and Response-Finsternis, die elektronische Rhythmik und Black Metal-Schlagseite wirken jedoch etwas zu angestrengt. Come on Down dümpelt dagegen so vielversprechend als Melange aus poppigem Baumwollpflücker-Traditional und gimmickhaft dünnem Lofi-Math – da fehlt die Durchschlagskraft.
Insofern ist es schon bezeichnend für Devil is Fine, dass ausgerechnet der sonor gen Hodja grummelnde Blues-Minimalismus What is a Killer like you gonna do here? am deutlichsten nachwirkt, indem Kontrabass, die allgemein tolle, beseelte Stimme von Gagneux, Handclaps und eine kaputte Stimmung einen geheimnisvoll-fesselnden Groove erzeugen. Das wirkt dreckig und vor allem ehrlich – hinterlässt den rundesten Eindruck – obgleich Zeal & Ardor es abermals nicht restlos schafft, den Song über eine skizzenhaft angerissene Größe hinauswachsen zu lassen.
Rund um drei die knappe Spielzeit bedingt notwendig, aber durchaus atmosphärisch auffüllende Ketzer-Interludes (Sacrilegium I verpfanzt einen Muezzin in ein IDM-Mashup samt wummernder Trap-Subbässe; Sacrilegium II versteckt in seiner beruhigenden Spieluhrmelodie den Teufelston; Sacrilegium III brodelt ambient über Aphex Twin’schen Synthies) ist Devil is Fine eine Platte geworden, die in ihren besten Momenten einen absolut originären, herausfordernden Sog entwickelt, ob ihres Chuzpes beinahe ständig fasziniert staunen lässt, aber eben noch zu selten auch auf emotionaler Ebene zündet.
Obgleich Gagneux laut Eigenaussage nach dem selbstbetitelten Werk von 2014 bereits Zeit hatte, am Sound dieses absoluten Wagnisses zu arbeiten – es ist noch einiges an Feinjustierung und Balance notwendig, um die faszinierende Idee hinter Zeal & Ardor in letzter Konsequenz aufgehen zu lassen. Daher eine derartige stilistische Spannweite aber von Haus aus eine immense Fallhöhe birgt (und Devil is Fine in seiner Ausgangslage nur zu schnell zu prätentiösem Dilettantismus verkommen hätte können, Gagneux diesen allgegenwärtigen Stolperstein jedoch über weite Strecken meistert), liefert diese 25 minütige Talentprobe (die ja im Grunde ohnedies bereits die imposant-obskure Erschaffung einer ganz eigenen Nische im Subgenre des Avantgarde-Black Metal beschwört), genau die richtige Dosis, um neugierig auf weitere Taten anzufixen.
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