Zach Bryan – American Heartbreak
Singer-Songwriter, Alt-Country, Americana und Heartland Rock im Überfluss: Der 26 jährige Zach Bryan geht auf dem Schwingen einer devoten Fanbase und dem erschlagenden Gewicht von American Heartbreak derzeit durch die Decke, wie kaum jemand sonst.
Würde am Ende von über zwei Stunden Spielzeit nicht die Gleichung aus Quantität und Qualität mit einer absolut befriedigenden Konstanz aufgehen, könnte man dem dritten Lang(!)spieler des in Japan geborgenen US-Veteranen aus Oklahoma durchaus vorwerfen, als logische Fortsetzung und auch Steigerung des zwei Jahre alten Vorgängeralbums Elisabeth für den Marktsektor des (im weitesten Sinne) Country vielleicht den selben Paradigmenwechsel herbeiführen zu wollen, den Platten von Drake und Co. in anderen Genre-Gefilden seit Jahren vormachen: Mit 34 Songs überflutet Bryan schließlich gewissermaßen die Streaminganbieter mit Präsenz, generiert alleine mit der Masse an Material chartrelevante Präsenz und Dominanz.
Doch Bryans Popularität ist nicht (alleine) in hohen Zugriffszahlen begründet – sondern im Gegenteil (oder zumindest vice versa). Denn wer beobachtet hat, welche Begeisterung Bryan von Seiten seiner loyalen, stetig wachsenden Anhängerschaft entgegenschlägt – die mancherorts so ja schon (wirklich überzogenerweise) von einem Äquivalent zur Beatlemania schwadronieren ließ – der wird wohl auch zustimmen, dass ein erstmals via Neo-Major-Vertrag (nur physisch wohl weiterhin in Eigenregie) veröffentlichtes Dreifach-Album nicht nur marktwirtschaftlich Sinn macht, sondern einfach den unstillbaren Hunger der Fans entgegenkommt.
Dass die Entscheidung aus rein musikalischer Sicht mit etwas kritischer Distanz jedoch zumindest ambivalent zu beäugen ist, versteht sich im Umkehrschluss dagegen in Anbetracht dieser Fülle, die erst einmal verarbeitet werden will, allerdings wohl auch von von selbst.
Ungeachtet einer inszenatorischen Spannweite (Eddie Spear, Ryan Hadlock und Louie Nice zeichnen bei separaten Sessions weitestgehend für die Produktion des Materials verantwortlich, wiewohl einige Songs der Platte eher wie spontan in Eigenregie aufgenommene, das Stimmgerät nicht immer gefunden habende Home-Demos anmuten, was dem Ganzen einen zusätzlichen eigenwilligen Charme gibt) ist American Heartbreak in Summe ziemlich homogen am Singer-Songwriter/Americana mit dem Fokus auf Gesang und Gitarre geraten, und als eine dynamisch sequenzierte, kurzweilig unterhaltend Masse überraschend angenehm durchzuhören – gegebenenfalls gar in einem Rutsch, obwohl das Material dabei allerdings auch zu indifferent verschwimmenen kann, über seine volle Distanz nicht vielseitig genug akzentuiert ist, wie das für die ständig fesselnde Aufmerksamkeit nötig wäre. Zumal die Kompositionen, die Arrangement und die Performance auch relativ konventionell veranlagt sind, keinen Platz für extravagante Exzentrik lassen.
Trotz überschaubaren Amplituden (es gibt keinen Song, der sich mit genialem Kniff als potentieller Klassiker anmelden würde, aber dafür auch keinen ansatzweisen Ausfall) hätte American Heartbreak insofern nicht nur einen strafferen Selektionprozess, sondern auch strengeren Feinschliff vertragen können.
Das hervorragende, emotional universell ansprechende The Outskirts (als Instant-Ohrwurm, der mit sicherer Hand zum Klimax geht und egalisiert, wie konventionell und risikofrei Bryan eigentlich in der Straßenmitte zu Werke geht) versteckt sich beispielsweise in der Klammer aus der nicht zum Punkt findenden Momentaufnahme Right Now the Best sowie dem unverbindlichen Younger Years, während sich freilich über die essentielle Notwendigkeit von You Are My Sunshine diskutieren lässt, und Zach Bryan in der allgegenwärtigen stereotypen Nostalgie, Wehmut und Sehnsucht auch einige Klischees und kontemporäre Schnapsideen (wie das unsäglich aus dem Nichts kommende, wohl scherzhaft gemeinte Autotune-Finale von If She Wants a Cowboy) nicht ganz auslassen will.
Doch die Fülle des starken Standard trägt sie weniger gut in Balance gehaltenen Songs (wie dem schwerpunktlos mäandernden She’s Alright oder dem atmosphärisch und stimmungsvoll geduldig ausgelegten Hit Cold Damn Vampires, der aber textlich viel zu unbeholfen und repetitiv gezogen ist) – und sei es nur, indem American Heartbreak phasenweise nett und angenehm zum Passivkonsum-Begleiter wird.
Selbst aus dieser nebensächlichen Gefälligkeit schälen sich jedoch immer weitere Akzente und Facetten, sowie tolle Einzelideen im starken Gesamtniveau heraus, was die Platte eher zu einem Album der vielen kleinen Lieblingszenen als der überwältige den Highlights macht. Und das summiert sich dann eben.
Der Opener Late July setzt mit Gitarre, Banjo und Stimme (sowie einer weich den Takt haltenden Bassdrum) catchy und zurückhaltend den Ton der Platte, Something in the Orange (Z&E’s Version) ist mit ein bisschen Klavier, mutmaßlichen Streichern und einer Mundharmonika als Katalysatoren, um die leidenschaftliche Dramatik der rauer gesungenen Nummer zu unterstreichen, eine ideales Aushängeschild, das auch hemdsärmelig aus dem Punk stammendes Klientel einlädt.
Heavy Eyes stampft mit wirbelnden Drums beschwingt nach vorne und Mine Again agiert mit Fidel munter und flott, wohingegen Happy Instead gemütlicher verträumt, aber bestimmt schippert. Nicht nur ein Tishomingo ist theoretisch gar nicht soweit weg vom stadiontauglichen Folkrock von Mumford & Sons, derweil intime Kleinode (Sun the Me) reibungslos auf Rock’n’Roll-Bars (Whiskey Fever) treffen, ohne die Homogenität aufzurütteln, und Bryan sich ebenso natürlich von seiner hymnischen (Billy Stay) wie romantischen (The Good I’ll Do, ) Seite zeigen kann, einen Chor aus Kumpels zum Live-Abgang einlädt (Corinthians (Proctor’s)) und immer wieder auf First Takes zurückgreift, bevor er im Closer This Road I Know bedeutungsschwer rezitiert und den Spannungsbogen doch so effektiv schließt, dass all die nötigen Destillationsprozesse, die American Heartbreak (abseits seines fast plakativen Statements als massivst mögliches Durchbruchsalbum) noch effektiver m gemacht hätten, fast vergessen machen. Mehr generationsinspirierender Konsens geht immerhin genau deswegen kaum.
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