Yob – Clearing the Path to Ascend
Abseits all der anderen aufgefahrene Stärken ist die vielleicht größte Tugend von Bandvorstand Mike Scheidt, seinen tonnenschweren Doomgebilden in jedem Anlauf mit neuen Ansätzen zu begegnen, sein Songwriting mit variierenden Umgebungen zu konfrontieren, hungrig zu bleiben und jeder Yob-Platte neue Facetten abzuverlangen.
Mike Scheidt hat sich alleine mit seinem Flaggschiff Yob durch das stets imposant hohe Qualitätsniveau seiner Veröffentlichungen über Szenekreisen hinausgehend eine derart allmächtige Kredibilität aufgebaut, die es ihm wohl tatsächlich durchaus erlauben würde, es sich auf seinen ureigenen Trademarks in der Genrenische bequem zu machen und sich in den erreichten Status Quo zurückzulehnen, ohne damit irgendjemanden ernsthaft zu verprellen. Weil der 44 jährige allerdings ein Getriebener ist, stemmt er als Solokünstler, mit Lumbar (Platz 28 in den Jahrescharts 2013) oder der Supergroup VHÖL (Platz 4 in den Jahescharts 2013) mal nebenher bestialisch gute Zweitspielwiesen aus dem Untergrund, um neue Territorien zu ergründen – und leuchtet folgerichtig auch Album Nummer Sieben seiner Stammband neuerlich von Blickwinkeln aus, die der Band selbst nach annähernd zwei Dekaden des Bestehens ungekannnte Betrachtungsweisen abschöpft, ohne die markante Unverkennbarkeit des Yob’schen Metals zu riskieren.
Wir erinnern uns: 2011, das von der Fanbasis durchaus ambivalent aufgenommenen ‚Atma‚ (Platz 16 in den Jahrescharts) grenzte für die Band an eine außerkörperliche Erfahrung, indem sich Yob vollends in den Bannkreis von Plattengast Scott Kelly begaben. Drei Jahre später hat das Wirken des Neurosis-Wutkolben durchaus seine Spuren hinterlassen. Alleine ‚Unmask The Spectre‚ ist ein dunkler Monolith, der den Postmetal der Neurot-Kollegen mit pendelnden Spannungsbögen durchdringt, sich durch quälende Ausbrüche und verstörende Phase der Trance windet. ‚Clearing the Path to Ascend‚ ist im Gesamten durchzogen von stimmungsvollen Soundscpapes, beunruhigend köchelnden Dronelandschaften und sphärischen Ruhepolen, die Scheidt, Foster und Rieseberg immer wieder nutzen um sich und ihre Songs neu zu sammeln, mit eindringlichem Flüstern zu intonieren, aber auch, um die bedrückende Stimmung der Platte noch deutlicher zu transzendieren. In ‚In Our Blood‚ brüllt, kreischt und keift Scheidt mit einer stimmlichen Bandbreite, die seinesgleichen sucht, nachdem er seine weitläufig ausgebreiteten, böse kriechenden Riffkaskaden auf psychedelisch sabberndes Gitarrenspiel im Eingangsbereich und den Ausläufern hat wandern lassen – dazwischen fällt das monströse Gebilde immer wieder in sich zusammen, um in andächtigen Atempausen zu verharren: ‚Clearing the Path to Ascend‚ ist eine Prunkstück in Sachen Atmosphärearbeit, mehr noch aber darin, das Uferlose ohne jede Länge mit dem handfest Zupackenden zu verschmelzen.
Selbst wenn ‚Unmask The Spectre‚ nach ungefähr zehn Minuten in ein vibrierendes Glimmern verfällt, dass genau so auch auf ‚The Eye of Every Storm‚ hätte stattfinde können und die Erfahrungen mit Kelly sich in Momenten wie diesen besonders nachwirkend entfalten, entwickeln die vier Epen von ‚Clearing the Path to Ascend‚ – keine Nummer ist unter elf Minuten lang – eine gänzlich anderes Gefühl als ‚Atma‚: die Produktion der Platte es nicht so rauh und verwaschen wie jene des Vorgängers, sondern voll und detailiert, das Songwriting dafür einerseits ähnlich freistreunend, aber andererseits dennoch deutlich straighter, auf hintergründige Weise aggressiver und summiert sich darüber hinaus zum vielleicht am sorgfältigsten ausgearbeitete Album der Band bisher.
Man kann sich in ‚Clearing the Path to Ascend‚ verlieren, in den nackenbrechend harten Passagen ebenso wie den zurückgenommenen: wenn ‚Nothing to Win‚ als malend nach vorne gepeitschter Druckanstieg wie von der Tarantel gestochen und mit Schaum vorm Mund defacto ein Rockbrett sondergleichen geworden ist; ebenso wie wenn Scheidt und Co. das knapp 20 minütige Glanzstück ‚Marrow‚ aus schlichter Schönheit emporsteigend immer exzessiver in sich verdichtende Harmonieschichten hineinsteigern und damit nicht nur für ihre Verhältnisse an der emotional tiefschürfenden, traumwandelnden Gänsehaut-Ballade entlangschrammen, sondern auch einen ihrer ergreifendsten, besten Songs überhaupt vorlegen.
Allerspätestens bei dem überragenden Rausschmeißer unterstreichen Yob einmal mehr ihren Anspruch sich permanent weiterzuentwickeln, indem sie ihren Doom so hochklassig wie spannend halten: mit der Brechstange wird hier nichts forciert, Feinjustierungen wachsen langsam, aber nachdrücklich. Yob gehören damit vielleicht weiterhin nicht zu jenen Bands, die das Genre unter großem Getöse auf den Kopf stellen – sie revolutionieren es aber durchaus in kleinen Schritten, mit dem Mikroskop arbeitend, von innen heraus, umspülen es mit einem instinktiven Gespür für Dynamik, Varianz, dem Händchen für strahlende Melodien in gnadenloser Riff-Heavyness. Und bleiben damit seit knapp zwei Jahrzehnten die konstant makelloseste Band des Genres. In ihren stärksten Augenblicken – und davon bietet ‚Clearing the Path to Ascend‚ zahlreiche – sogar mit spielender Leichtigkeit mehr als nur das.
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