Yo La Tengo – Fade
Der Indierock-Institution passieren auf dem dreizehnten Album im neunundzwanzigsten Bandjahr zehn makellos träumende Yo La Tengo-Songs offenbar ohne jedwede Anstrengung und nahezu zufällig. Darüber hinaus versammelt ‚Fade‚ aber auch das rundum kompakteste Gesamtpacket des Trios seit Ewigkeiten.
Es muss ja nicht immer gleich ein kleines Meisterwerk sein – denn da liegt das derartig letzte für die Yo La Tengo mit ‚I Am Not Afraid of You and I Will Beat Your Ass‚ auch schon zumindest sechs Jahre oder zwei Alben zurück – wenn es auf dem Level, in dem sich Yo La Tengo seit jeher bewegen auch eine theoretisch durch und durch grundsolide, praktisch aber unaufgeregt begeisternde Lockerübung ohne jede Hast tut. Also mal kein Stress hier wegen Hits (gibt es aber!), Erwartungshaltungen (werden natürlich wieder fraglos erfüllt!) oder sonstiger drückender Stressgefühle (gibt es natürlich nicht!) – stattdessen einfach rein in den Proberaum, geschehen lassen und in der Mittagspause der schüchternen Sommersonne beim entspannten Umherwandern durch niemals so dichte Baumkronen wie jener auf dem Cover nachblicken. ‚Fade‚ ist wieder so eine empfundene Platte für wohlig-warme Tage geworden, eine, die nach harmonischen Piknick-Gelagen an verlassenen Stränden und saftigen Wiesen gleichermaßen ruft, die nie unter Druck setzen würde, weil Yo La Tengo-Songs heute wie in den 80er, 90er und 2000ern im er ein bisschen machen dürfen, wonach sie gerade Lust und Laune haben.
Trotzdem ist ‚Fade‚ in erster Linie ein Dokument einer seit Ewigkeiten nicht bei der Band gehörten Zielstrebigkeit geworden: Kein Song packt die 7 Minuten Grenze, in Gesamtlänge läuft die Platte in 46 Minuten ins Ziel – also schneller als alles seit ‚Fakebook‚ (immerhin von 1990). Am deutlichsten von der Leine gelassen will ‚Fade‚ nur am Anfang bzw. Ende werden: wenn ‚Ohm‚ zu Krautrock-Rhythmen fein säuberlich gegliedert Indierock-Perfektion als Gruppenerlebnis ausrumpelt und ‚Before We Run‚ über den selben zurückgelehnten Stoizismus relaxte Bläser und Streicher (generell gerne gesehene Flirtgelegenheiten überall hier!) gleiten lässt, während Yo La Tengo die tendenzielle Opulenz noch nicht einmal zu bemerken scheinen. Dazwischen schrammeln die Akustik- und E-Gitarren immer munter, klarerweise ein bisschen nostalgisch undschwermütig, Feedbackschleifen wandern ungeachtet der freien Songstrukturen durch alle Bereiche der Platte, die Rhythmussektion verbeißt sich gerne lose in eine unnachgiebig treibende Meditation deutscher Prägung.
Ein entspannter Schunkler wie das nasale ‚Is That Enough‚ wäre auf Alben wie ‚Summer Sun‚ freilich beinahe aufgekratzt daher gekommen, mit seinen dröhnenden Gitarren im Untergrund, seiner niemals theatralischen Streicher-Sektion, auf ‚Fade‚ wird er zum Sinnbild für eine allgemeine Konkretisierung und Beschwingtheit. ‚Well You Better‚ dreht das unaufdringliche Stimmungsparometer noch ein paar Grad höher, Yo La Tengo tanzen fröhlich grinsend im Kreis, hören sich noch einmal durch ‚I Can Hear the Heart Beating as One‚, denn alles hier klingt luftig, leicht und locker. ‚Stupid Things‚ und Konsorten sind angetrieben von einem immanenten Groove, freigeistige Saiten und Tasteninstrumente perlen und rudern von Tortoise-Mann John McEntire gelenkt in alle Richtungen, alles kann passieren aber nichts wird gezwungen. Deswegen driftet ein ‚Two Trains‚ auch lieber ziellos über seine charmanten Melodie-Ideen, als klare Hooklines zu definieren: Yo La Tengo bleiben eben auch dann unverkennbar Yo La Tengo, wenn im Detail nachgeschraubt wird. ‚Fade‚ ist damit ein Album jener Sorte geworden, die heutzutage vielleicht nur etablierte Giganten wie Sonic Youth, Stephen Malkmus, Dinosaur Jr. und Konsorten zustande bringen können: niemandem muss mehr etwas bewiesen werden, auf Stadion-Bühnen soll das nicht gehievt werden und dass es keinen aus dem treuen Fanfundus ansprechen wird steht ohnedies nicht zur Diskussion. Ganz im Gegenteil: ‚Fade‚ wärmt nicht nur bereits gewonnene Herzen mit spielerischer Nonchalance – Yo La Tengo haben mal wieder eine Platte aufgenommen, die dem sympathischsten Lächeln der Welt verdammt nahe kommt.
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