Yndi Halda – Under Summer

by on 19. April 2016 in Album

Yndi Halda – Under Summer

Das bis zum Erscheinen von ‚Under Summer‚ einzige Studioalbum von Yndi Halda hat sich in Postrock-Liebhaberkreisen über die Jahre zum verehrten Geheimtipp und Genre-Liebling gemausert – selbst das Wort Meisterwerk fällt in Zusammenhang mit ‚Enjoy Eternal Bliss‚ gerne. Jedoch ist das Quintett aus Canterbury schlau genug um zu wissen, dass in den seit damals ins Land gezogenen 10 Jahren dennoch niemand auf einen Aufguss ihres (quasi selbstbetitelten) Debütalbums gewartet hätte.

Wie schmal am Grat zur generischen Genrebaukasten-Formelhaftigkeit auch das Zweitwerk von Yndi Halda wandelt, ist allen Beteiligten klar. Schließlich speisen die Engländer ihren traditionellen, stets zu Überlänge ausgewachsenen Postrock weiterhin nach allen Regeln der Kunst mit an-und abschwellenden Lagen von tremoloschwangeren Delay-Gitarren und weiten Spannungsbögen; Crescendos, die immer wieder von einer feierlichen Violine und dem reichhaltigen Instrumentarium von James Vella begleitet werden – praktisch ganz so, wie es das Godspeed You! Black Emporer-Playbook ganzen Heerscharen an Epigonen gelehrt hat.
Yndi Halda egalisieren nun (auch ohne Originalitätspreis) die nur zu verbreitete Falle der Vorhersehbarkeit im Umgang mit diesen typischen Ingredienzien – einerseits durch die Klasse des Songwritings an sich; andererseits, indem sie einen bereits auf ‚Enjoy Eternal Bliss‚ vorhandenen Soundbaustein einen gravierenden Evolutionsprozess unterziehen.:Gesang hat auf ‚Under Summer‚ nicht mehr nur Platzhalter-Charakter rund um melancholisch eingestreute „Aaaah„s und „Oooh„s, sondern eine vollwertig entwickelte Tragweite und formt die Kompositionen zusätzlich hin zu weniger Genre-typischen, ja beinahe bissfertig anmutenden Formen.

Durch drei der vier Songmonolithen ziehen sich nun also verletzlich gewisperte Texte voller Wehmut und Schönheit, unkonkret gehauchte Zurückgenommenheiten. Der Gesang funktioniert damit ähnlich, wie Yndie Halda-Songs generell: Die Band braucht keine massive Lautstärke, keine eklatante Heavyness oder demonstrative Ausbrüche, um ihre Songs dennoch zu verdichten, sie dynamisch zu variieren und die Intensität trotz einer stets so entspannt fließenden Friedlichkeit hochzuhalten. Jede Ingredienz hier ist Teil eines großen Ganzen, kein Element drängt sich in den Mittelpunkt.
Under Summer‚ hantiert mit einer Leichtigkeit, die dem phasenweise etwas bemühten ‚Ejoy Eternal Bliss‚ abging, als hätte man mit der Hinzunahme von Vocals die Bürde der Erwartungshaltung kurzerhand auf nahezu allen Ebenen untertaucht, indem man sich auch stimmungstechnisch ein Stück weit neu erfindet und den Albumtitel ohne Altlasten feiert.

Gleich ‚Together Those Leaves‚ dient da in Form eines so sorgsam wie schüchtern aufblühenden Stückes an Erhabenheit als Blaupause für die restliche Spielzeit -auch und vor allem, wenn sich der Opener zur Mitte hin gar in einen träumenden Chor wiegt und eine Elegie beschwört, die immer wieder den Weg zurück in die Griffigkeit findet. Der Gesang ist kein Gimmick, sondern als vage in die Leitschiene gelehnter Samthandschuh. ‚Golden Threads from the Sun‚ übernimmt diese Zärtlichkeit regelrecht soulig, als ein auf warme Orgelklänge ausgebreiteter Schleicher, der über ein gezupftes Banjo math-rhythmisch Anlauf zur Verbrüderung nimmt.
Will man sich weit aus dem Fenster lehnen, könnte man attestieren, wie nachwirkend ‚All Hail Bright Futures‚ immer noch ist. Wahrscheinlicher scheint, dass Yndi Halda den Markt über die letzten 10 Jahre akribisch verfolgt haben , während sie live an ihren Stücken geschrieben haben, sie um Nuancen verfeinert und ganz vorsichtig über den Tellerrand hinausbalancieren ließen. So entfaltet das überragende ‚Golden Threads from the Sun‚ ein feingliedriges Wechselbad der Gefühle, in seiner tröstenden Intimität aufwühlend und intensiv, während Yndie Halda mit weinender Violine und stampfendem Breitwandpanoramo vor Augen Anlauf nehmen die Postrock-Entsprechung der frühen Arcade Fire zu werden.

Nur noch ‚Helena‚ ist als reines Instrumental ausgelegt, das sich sachte nach konventionellen Spielregeln aufbaut und dennoch die ganze Klasse der Band ohne Hektik ausspielt, rund um Reverb und leise glimmernde Distortion eine heimelige Stimmung in Western-Richtung der Grails erzeugt. Die fünf Engländer sind eben auch ohne Überraschungseffekt oder Effekthascherei Meister der mühelosen Atmosphäre, Förderer des Understatement. Zumal sich hier am besten zeigt, wieviel mehr Platz zu Atmen die neuen Kompositionen von der Band bekommen, wie luftig und befreit sie im Vergleich zum Debüt sogar daherkommen. Der Tritt aufs Rhythmuspedal wirkt deswegen nach knapp 6 Minuten Spielzeit zwar unnötig abrupt, dass Yndi Halda im folgenden ein geradezu psychedelisch in die Weite treibendes Dösen inszenieren, entschädigt jedoch anstandslos, unwirklich verklingend.
Helena‚ macht als heimliches Herzstück seine Sache damit auch besser, als der zwischen angenehmer Unscheinbarkeit und es sich in Mustern bequem machende, zu zaghaft und vage bleibende Closer ‚This Very Flight‚. Dass Yndi Halda im Climax ein drittes Mal  in den gemeinschaftlich verbundenen Gesang zu verfallen, ohne die Zügel tatsächlich enger ziehen zu wollen, erschöpft dann nämlich doch den Reiz des Neuen. Hier hätte die Konsequenz im Nachdruck dem Gesamtgefüge der Platte gut getan, ein nachhaltig erschlagender Moment ein im besten Sinne befriedigendes Comeback mit überragenden Ausnahmemomenten ausstatten können. Wodurch sich ‚Under Summer‚ letztlich auch weniger atemberaubend verabschiedet, als es sich diese Aufschichtung der wunderbaren kleinen Gesten erarbeitet hätte. Ohne verträumtes Lächeln und ein bisschen Glückseligkeit im Herzen verlässt man dieses Album dennoch nicht.

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