Yeasayer – Fragrant World
Yeasayer schürfen dort weiter, wo bereits ‚Odd Blood‚ ertragreiche Beute bescherte. Dass sich das Brooklyner-Trio diesmal augenscheinlichen mit weniger geschliffenen Rohdiamanten zufrieden gibt, ist nur auf den ersten Blick eine kleine Niederlage.
Dass ‚Fragrant World‚ keine lupenreinen Nachfolger bieten kann für ein ‚Ambling Alp‚, ein ‚Madder Red‚, ein ‚I Remember‚ und wie sie alle geheißen haben, die konsenstauglichen Hits auf dem Richtung hippem Elektropop kurskorrigierten Zweitwerk jener Band, für deren hippieskes Debütalbum man noch ein eigenes Label gründen musste, um den passenden Rahmen für diesen Grenzgang zwischen Weltmusik und Indierock bieten zu können, dieses Abhandensein von den ganz großen Crowdpleasern, versucht ‚Fragrant World‚ nun eben gar nicht lange zu kaschieren. Kaschieren tut das Drittwerk der New Yorker anfangs höchstens, dass erwähnter Umstand kein Unfall ist, sondern geschickes Kalkül, dass ‚Fragrant World‚ weitaus weniger Scheitern als wohlüberlegte Tiefenkorrektur ist: Nur, weil die elf Songs die Tür zum dankbaren, alle Schichten durchdringenden Hit weitaus weniger frontal und vehement eintreten, machen diese es sich letztendlich natürlich dennoch genau dort bequem, selbst wenn ‚Odd Blood‚ die Tanzflächen von stylishen Indieclubs bis hin zu ausgelassene Festivalflächen frenetischer gefeiert hat, ‚Fragrant World‚ bis zur Rückvergütung mehr Zuwendung fordert, aber mit dem stimmigeren Gesamtbild punktet.
Yeasayer ohne Hitgedanken geht praktisch nicht mehr, das hat die digitale Stammzellenverneigung ‚Henrietta‚ im hellen Pluckern bereits im Vorfeld widerstandslos festgestellt, obwohl die Single hinten raus so genüsslich ausfranst. Ebenso aus dem markigen Vorboten ablesen lies sich dazu die Phasenverschiebung in der Konzentration des Trios: Wo ‚Odd Blood‚ die bedingungslose Liebe zum Pop im Elektrowahn aufzeigte, will ‚Frature World‚ diese Zuneigung nicht restlos beanspruchen, bringt stattdessen die R&B und Wave-Einflüsse der Band experimenteller und prominenter ins Spiel, spannt den Bogen zur Tanzmusik für Hornbrillenträger und amourösen Aufheizern für Nerds um den Klobus. Spiegelt also verquere Clubhymnen mit tief dröhnende Sub-bässen und durch tausend Sequenzer rollende Keyboardakkorde, versteckt darin die markanten Melodien und ungnädig zwingenden Hooklines, die Yeasayer wieder wild um sich werfen. ‚Fragrant World‚ ist auf den selben Stützpfeilern erbaut wie ‚Odd Blood‚, wirkt jedoch im Rahmen der Gegebenheiten doch vollkommen anders, ausladender und unumgänglicher, braucht keine Gitarren mehr, Yeasayer erschaffen andere Soundschichten aus gleichen Klängen. Vieles klingt maschinell, wenig wirklich organisch, nichts aber seelenlos. Die programmierten Rhythmen laufen unartig neben der Spur, der Wille zur Umständlichkeit blitzt keck durch alle Schichten. Da digitalisiert etwa eine verzogener Trompetendatensatz durch ‚Fingers Never Bleed‚, ‚Devil & the Deed‚ baut Cut Paste Beats um wild spukende Störgeräusche, jeder Ohrwurm will kraftvoll aus seiner Schale geborgen werden bis die Beine wippen: ‚Fragrant World‚ ist eine körperliche Platte mit viel Hirnschmalz geworden.
Vor allem die erste Albumhälfte mutiert nach und nach zu einem Potpouri der unumstößlichen Ohrwürmer im digitalen Kosmos. Selbst, wenn sie in ‚Folk Hero Shctick‚ die Schleusen zum alten Blues und 70s-Folk öffnen und damit sogar kurzweilig Neuland betreten, haben Yeasayer mittlerweile beinahe alles Analoge verloren, das die Band einst auch ausgemacht hat. Als Musiker, die in ihre Songs live einspielt, kann man sich Yeasayer mittlerweile jedenfalls kaum noch vorstellen, am besten sind sie dennoch ausgerechnet, wenn sie nicht unbedingt auf die Tanzfläche möchten. ‚Glass Of The Microscope‚ behandelt sich selbst mit Vocaleffekten und taucht nachdenklich viele Etagen unter das Meer, ‚Damaged Goods‚ ist der Weckruf in Blade Runner, während ‚Reagan’s Skeleton‚ vor fünf Jahren noch futuristischer Dance-Pop genannt worden wäre.
Durch diese nahezu perfektionierte Ausrichtung schmieden Yeasayer jedoch auch an ihrem eigenen Sargnagel: von der visionären Energie des Erstlingswerks ist nichts mehr übrig, ‚Fragrant World‚ ist in erster Linie nur verdammt schlauer und klug um die Ecke arrangierter Pop, mit seinen Beinen in vielen Referenzpfützen, womit sich Yeasayer jedoch auch mutwillig ins Fahrwasser dutzender ähnlich operierender Bands begeben: Hot Chip (‚Folk Hero Shctick‘ alleine!), MGMT oder Passion Pit schauen nicht nur einmal in Reichweite, sondern inzwischen auch schon mal vorne weg, denn: Yeasayer liegen immer noch gut in der Schiene, die sie fahren, die Vorreiterrolle haben sie jedoch zugunsten überdurchschnittlicher Mitläuferqualitäten aufgegeben. Noch lässt man das nur zu gerne über sich ergeben, auf Sicht wird allerdings wird wohl wieder eine Initialzündung für die Band, Album Nummer drei ist nämlich nicht das wohl angestrebte Freischwimmen, sondern letztendlich doch das nahtlose Bedienen von Erwartungshaltungen, niemals aber so schlecht, wie man es Angesichts der Vorgänger machen wollen würde. Das ist knackig und unterhaltsam – für Yeasayer damit aber auch irgendwie zu wenig. Jammern auf hohem Niveau also.
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