Xiu Xiu – Plays the Music of Twin Peaks
Während David Lynch und sein ausufernder Cast auf die dritte Staffel von Twin Peaks bis 2017 warten lassen, verneigen sich Jamie Stewart und die Seinen pünktlich zum 25. Jahrestag vor der Ausnahmeserie und deren stilprägendem Soundtrack. Xiu Xiu Plays the Music of Twin Peaks.
Im Grunde hätten Xiu Xiu an der 2015 von der Queensland Gallery of Modern Art kuratierten Ausstellung “David Lynch: Between Two Worlds” beinahe zwangsläufig scheitern müssen, kann man sich als Cover-Artist an einem derart ikonischen und originären Score wie Angelo Badalamenti‘s Arbeit für Twin Peaks doch eigentlich nur verheben.
Vielleicht hat es aber auch nur genau solch unkonventioneller Grenzgänger wie die immer schon in den polarisierenden Extremen wandelnden Kalifornischen Experimental-Kombo um Bandchef Stewart gebraucht, um überhaupt verrückt genug zu sein, sich adäquat an eine derart undankbar scheinende Herkulesaufgabe zu wagen…und ein nicht nur angesichts der Ausgangslage durchaus triumphales Ergebnis abzuliefern. Ob es die größte Leistung von Xiu Xiu ist, den Soundtrack der Ausnahmeserie nicht nur nachzuspielen, sondern dem Gesamtwerk reinterpretierend einen ureigenen Charakter einverleiben, ohne die Ausstrahlung des Originals zu verfälschen, darf offen bleiben – wichtig ist alleine die verruchte, ungemütliche, betörende Intensität der knapp 70 versammelten Minuten, die Raum für neue Deutungswege schaffen: Der surreale, unwirkliche und verstörend schöne Grundton von Badalamenti’s Kompositionen bleibt stets erhalten, und dennoch haben Xiu Xiu eine schon beinahe für sich alleine stehende Hommage geschaffen, die die Ästhetik der Serie offensichtlicher an aggressiven und verstörenden Untertönen aufreibt.
Laura Palmer’s Theme klingt da, als würde eine zwielichtige Kombo den unverkennbaren Score auf einem Xylophon in der bedrohlich düsteren Fußgängerzone einer dystopischen Großstadt nachspielen. Lärm nagt unheilschwanger an der unverkennbaren Melodie im Untergrund, der Rhythmus pocht martialisch und unaufdringlich zugleich, während Into the Night als vage Ahnung eines Synthiepop-Songs mit wunderschön gespenstisch hallenden Goth-Vocals übernimmt. Da sind Gitarren, die zwischen Drone- und Reverb der stoischen Drummachine in Gebiete von Dirty Beaches folgen und Audrey’s Dance, der eine Auflösung von Ambient Jazz in elektronischen Terror demonstriert, bevor Xiu Xiu chronologische Pfade verlassen und sich als Kenner der Materie erweisen. Längst ist man mitten drinnen in einer unwirklichen Reise durch ätherische Sound-Landschaften mit der wärmenden Ausstrahlung Alien-Radiotoren (Nightsea Wind), räudig groovenden Noiserock-Jams mit exaltiert randalierender Rost-Gitarre (Blue Frank:Pink Room), oder zerbröckelnden Klavierballaden, die einmal mehr vorführen, wie nahe beieinander bezaubernde Verletzlichkeit und beklemmender Wahnsinn bei Xiu Xiu doch wachsen (Sycamore Tree). Bis Steward das unsterbliche Thema von Julee Cruise in Falling theatralisch haucht, schaft es die weniger markante, bewusst zielloser dösende zweite Hälfte der Platte zwar nicht gänzlich das unwerfende Niveau der ersten stemmen, nichtsdestotrotz kann man sich nur zu leicht in diesen andersweltartigen Sog verlieren.
Denn was die stilistisch so vielseitigen Expeditionen zusammenhält, mehr noch: Plays the Music of Twin Peaks trotz der immanenten Unberechenbarkeit zu einem nahtlosen Rausch verschwimmen lässt, ist das beeindruckende Gespür von Xiu Xiu, eindringliche Stimmungen beschwörend eine fesselnde, faszinierende Atmosphäre zu kreieren, die seinesgleichen sucht und dennoch in erster Linie eine tiefe Verbeugung ist.
Angesichts dieser so ehrwürdigen wie eigenwilligen Klasse ist es natürlich höchst erfreulich, dass die eigentlich exklusiv für den Record Store Day 2016 konservierte Auftragsarbeit von Polyvinyl nun auch in unlimitierter Auflage nachgelegt wird. Plays the Music of Twin Peaks funktioniert schließlich fabelhaft bis mindestens hypnotisierend, egal, ob man sich der Materie nun als Fan der Band oder der Serie nähert. Ganz so, – man muss den optimalen Vergleich einfach zitieren – als würde „William Burroughs Fan Fiction für Twin Peaks schreiben„.
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