Wreck and Reference – Indifferent Rivers Romance End
Ignat Frege und Felix Skinner entfernen ihren experimentellen Noiserock auf Indifferent Rivers Romance End ein Stück weit aus den Fängen des klaustrophobischen Metals, der noch auf Want sein Unwesen trieb, gestalten ihn augenscheinlich sogar einladender denn je. Weniger intensiv und emotional verstörend wird das dritte Wreck and Reference–Album dadurch aber noch lange nicht.
„And you said what about the time/ You looked me in the eye/And you said what about the time/ That you said you and I would die/ Hand in hand/ And now it’s time/ And you just laughed and said it’s time for me to go/ And I just laughed and said ok, that’s fine/ That’s fine/ That’s fine“ beendet Powders seinen Leidensweg, an dem natürlich nichts mehr fine ist: Wreck and Reference sind immer noch absolute Meister darin sich selbst zu geißeln, eine Atmosphäre des bedingungslosen Schmerzes und des akuten Unwohlseins in karge Formen zu gießen, sich in einen tiefschwarzen Nihilismus fallen zu lassen.
Auf Indifferent Rivers Romance End tun sie dies mit den selben Mitteln wie bisher (einem asketischen Soundbild aus nackt in der Finsternis pochenden Drums, akzentuiert eingesetzten Samples Synthies und Elektronikutensilien, dazu Stimmen, die sich in abgrundtiefer Verzweiflung kurz vor dem Wahnsinn drangsalieren), verlagern ihren Trademarksound diesmal jedoch von Beginn an eklatant. Näher ran an eine Klavierballade als mit Powders sind Wreck and Reference beispielsweise bisher noch nicht kommen: Trostlos fließen die Akkorde um den langsam schleichenden Beat, die kanalisierte Bedrücktheit wird immer emotionaler, aus dem Sinnieren wird infernal den Finger in die Wunde legendes Gebrüll, La Dispute werden hiervon Screamo-Alpträume bekommen.
Für Wreck and Reference bedeutet diese Gangart jedoch eine bisher ungekannte Form der Zugänglichkeit: Die Aggressivität und Härte ist einer bedrohlichen Melancholie gewichen. War die Musik der Band bisher vor allem beklemmend, fügt sie nun dahinter eine zusätzliche, weitläufigere Ebene ein, in die man sich mit geschlossenen Augen verlieren kann. Das ist Trauer, die permanent an der Kippe zur blinden Wut steht, brutal und zutiefst verletzt. Die Klangwelten hinter den vertrackten Schlagzeuggasrtigkeiten von Ascend haben etwa beinahe etwas ambientartiges, The Clearing entfaltet sich als dytopische Elegie, ein kaputtes Stück Gefühlskatastrophe im Spannungsfeld von Blade Runner und Martyrs. Liver pulsiert mit Zurückhaltung, so ruhig und still: Man würde sich so gerne bedingungslos in diese verlockend in Aussicht gestellte Schönheit verlieren, würde Indifferent Rivers Romance End nicht zwischen jeder Zeile diesen blanken Terror mal als unwirkliche Ahnung, mal als greifbares Gift keimen lassen.
Flight But Not Metaphor stolpert so über apokalptische Sounds, der Gesang röchelt wie unter einer Asche-Ruine hervorgehustet, die analogen Synthies täuschen verzückende Melodien in dieser kompromisslosen Hoffnungslosigkeit an. „In the end, any particular feeling must die/ Its light sinks into decay and its oceans lock in ice. The direction of survival doesn’t matter. Whichever hands you hold, bones will sow what earth remains.“ Wreck and Reference haben hier etwas merkwürdig erhebendes geboren, drücken durch diese Spannweite aus skizzierter Anmut und praktizierter Abgründigkeit aber sogar noch viel deutlicher in die Depression als bisher.
Zudem steht dem Songwriting das Plus an Direkheit, Prägnanz und, nun ja, Eingängigkeit. Freilich alles relativ: Languish bollert an den Drums zwar wie von Sinnen und bellt mit Geifer vorm Maul, streichelt darüber allerdings seine verspielte Melodie. So gegenwärtig und doch wie in anderen Sphären stattfindend. Modern Asylum wäre anderswo wohl sogar ein waschechter Electropopsong geworden, auf Indifferent Rivers Romance End driftet die Nummer unter Beruhigungsmitteln langsam dem Delirium entgegen. „Against all odds of peace, I wrote a letter about why life mattered and I threw it away.“ So sieht hier Zuversicht und Hoffnung aus. So klingt eine Band, die sich mit einer bisher ungekannten Zärtlichkeit neue Räume freigefoltert hat, die sich mit den inneren Dämonen auszusöhnen versucht, anstatt gegen sie anzukämpfen.
Manifestos glimmert deswegen erst wie ein träumendes Sternenmeer am Ende der Welt und nimmt hinten raus konkrete Formen an: Streicher verleihen Dramatik, die konventionellen Strukturen stehen Wreck and Reference ausgezeichnet – ein Breitwand-Alternative Song für psychotische Todesszenen im Happy End. Bullwhips tröstet, indem es aufgibt: „But you did bring me closer to something that I didn’t know/ And you did fill me with the urge to go on/ But now that I don’t need you, can I rest?“
Spätestens wenn sich Unwant über sieben Minuten in einer Parallelwelt zu The Body, Planning for Burial und der selbstzerstörerischen Romantik von Type O Negative konsequent aufbaut, aber am Ende jeden Climax ermordet, den Sog in weißes Rauschen auflösen und damit auch ganz bewusst Erwartungshaltungen täuschen, ist Indifferent Rivers Romance End eventuell das einladendere Gegenstück zu Want geworden. Angenehmer zu konsumieren aber keineswegs.
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