Wormrot – Hiss

by on 21. Juli 2022 in Album

Wormrot – Hiss

Sechs Jahre nach Voices ringen sich Wormrot mit Hiss ein regelrechtes Grindcore-Feuerwerk mit in alle Richtungen offenen Genre-Fronten ab, das gewissermaßen ebenso den Zenit wie den Schwanengesang dieser Band-Konstellation darstellt.

Sänger Arif gibt auf Hiss jedenfalls seine Abschiedsvorstellung. Im Mai 2022 hat der  variabel randalierende Brüllwürfel (neben seiner im Management tätigen Frau Azean) die Band aus Singapur zum zweiten Mal, diesmal aus familiären Gründen verlassen. Gitarrist Rasyid (als einziges verbliebenes Gründungsmitglied) und Drummer Vijesh werden die Geschichte von Wormrot jedoch fortführen.
Angesichts des durchaus überraschenden Hypes, den Hiss mit immensen Momentum im Rücken generiert hat, keineswegs überraschend. Die Hypothek ist dabei jedoch freilich hoch, denn die längste Auszeit der Band mit dem besten Live-Fotos ever hat zu einer förmlichen Leistungsexplosion geführt: über 33 Minuten eskaliert der State-of-the-Art-Grindcore des Trios in einer plätschernden Ambient-Klammer so selbstverständlich mit Schraffuren des Death, Screamo, Powerviolence, Thrash, Punk und Noise, dass der Spießrutenlauf zwischen Unberechenbarkeit und Mutation, Kurzweiligkeit und Variabilität gleichzeitig kaum atemloser und homogener passieren könnte.

The Darkest Burden ballern die tackernden Blasts keifend und guttural brüllend über Riffs, die prägnant und infektiös zünden, die e energische Dringlich der intensiven Performance im transparenten Kraftpaket-Sound nicht nur mittragen, sondern essentiell befeuern. Broken Maze legt sich in seinen fetten Groove und irritiert in Windeseile mit dem Pathos eines theatralischen Goth-Klargesangs, derweil es Behind Closed Doors nach seinem heiseren Prolog fast hysterisch als geiler Riff-Rocker überschlägt und When Talking Fails, It’s Time for Violence irgendwann die breitschultrigen Gang-Shouts auspackt: Jede Nummer hat hier soviel individuelle Identität, ohne das übergeordnete Ganze zerrissen erscheinen zu lassen.
In Your Dystopian Hell wird etwa eine oszillierende Math-Befindlichkeit assimiliert, um im Frequenzbereich des verspulten Noise zu hyperventilieren. Hatred Transcending ist einfach irre schnell, bevor die Nummer im Blackened-Feedback-Rausch ausblutet und das Doppel aus dem abrupten Percussion-Intermezzo Pale Moonlight, das sich über den Drums die Verzweiflung geißelnd aus den Lungen schreit, sowie der breitbeinigen Highlight-Quirligkeit Seizures, mit seiner am Megafon herbeizitierten Industrial Methodik und Screamo-Psychose im Hardrock-Flair, schon auch zeigt, dass Hiss seine Geschlossenheit primär durch die atemlose Dynamik und instinktive Struktur erzeugt, nicht durch einen übergeordneten Spannungsbogen. Aber das geht klar.

Voiceless Choir flüstert mythisch im epischen Strom  des Bay Area-Thrash und die atonale Dissonanz von Sea of Disease installiert endgültig die cinematographische Folklore von Myra Choo an der Violine, die uns nach diesem Zwischenspiel noch öfter wiederbegegnen wird – etwa im latent an Swarrrm im Avantgarde-Noise-Orchestergraben positionierten Weeping Willow.
Noxious Cloud wärmt sich lange im doomigen Sludge auf, derweil die Abfahrt zum Tough Guy-Hardcore erfolgt und Shattered Faith heroisch in den vertrackten Fleischwolf galoppiert. das aggressive Desolate Landscapes wird von der wütenden Blackened-Hummel gestochen und Vicious Circle schimmert zum breitbeinigen Solo, bevor das abstrakte All Will Wither als mystisch röchelnde Rezitation für die Kumulation Glass Shards den Weg bereitet: So viele Elemente der Platte noch einmal schlüssig auf vier Minuten zu destillieren, das muss sein.
Der Spagat zwischen grandiosen Einzelsongs und einem schlüssigen Gesamtwerk entlässt letztendlich aber eben doch mit weinendem wie lachendem Auge: erstmals in der selben Besetzung wie das entsprechende Vorgängeralbum aufgenommen, merkt man, dass auch das Zusammenspiel der drei (für ihre jeweilige Position wie in der Synergie triumphal beisteuernden) Mitglieder ein existenzieller Katalysator fürs das Treibhaus Hiss ist – das vorerst als Zenit der universell funktionierenden, eigenwillig geprägten Referenz-Eklektiker Wormrot (und Sternstunde in einem angekündigt bockstarken Genre-Jahrgang) gelten darf, womöglich aber eben auch als Zäsur auf diesem Level für die Gruppe fungieren könnte. Abwarten – und derweil schwindelig spielen lassen!

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