Woods of Desolation – The Falling Tide
Seit Woods of Desolation mit Torn Beyond Reason und As the Stars den Atmospheric (Post) Black(gaze) Metal mitprägten hat sich einiges getan – alleine Deafheaven haben das Genre beispielsweise prominent ins Rampenlicht geholt und mittlerweile wieder verlassen. Doch The Falling Tide knüpft nun ohne Zeitverlust direkt an die Vorgänger an.
Zumindest weitestgehend. Denn dass Mastermind D. nicht nur endgültig nahezu alle Elemente der Platte (bis auf die von Kumpel Vlad besorgten Drums) im Alleingang eingespielt hat, sondern diesmal nun eben auch die Vocals übernommen hat, schlägt doch ziemlich markant (und wohl auch polarisierend) zu Buche: die Stimme des Australiers gurgelt mit raspelnder Stimme, kehlig schreiend. Das klingt nicht sonderlich gesund – als würden sich seine Stimmbänder kaputtreiben.
Doch addiert das zentral im Mix angelegte Organ auch eine eigenwillige, verzweifelte Facette, die etwas kasteiendes hat: das muss so raus, ganz gleich, wie unsauber es wirken mag. Zumal so auch ein individuell-charakteristisches Element addiert wird – dass D. in den vergangenen Jahren mit Remete eine neue eigene Plattform etabliert hat, überträgt sich insofern gewissermaßen auf Woods of Desolation. Und nach kurzer Eingewöhnungszeit passen die überrschenden Vocals ganz hervorragend zur Musik.
Die hat sich dann allerdings tatsächlich keinen Millimeter aus dem bisherigen Schaffen wegbewegt: Wer eine entwicklungstechnische Evolution bei Woods of Desolation sucht, wird auch auf dem Viertwerk des Projekts von vornherein enttäuscht – eine Neubeschwörung der ikonischen, mitunter magischen Größe von Torn Beyond Reason gelingt (freilich) sowieso nicht. Dafür erreicht D. nach der langen Auszeit beinahe wieder das Niveau des gerne unter Wert verkauften As The Stars.
Das Songwriting, der Sound und die Ästhetik von Woods of Desolation funktionieren eben längst entlang typischer Strukturen und effektiver Formeln, so kompakt und kompetent wie unmittelbar vertraut – aber eben auch latent austauschbar mittlerweile.
Kristalliner Reverb und düsterer Tremolo liegen auf den erhebenden Leads. Derweil die Blastbeats tackern haben die Melodien stets eine heroische Anmut und himmelstürmende Grandezza, bezaubernd funkelnd und lassen wie in Far from Here auch die schwelgende Intensität eines manischen Sogs entstehen. Beneath a Sea of Stars poltert aus dem schmissigen Groove heraus, hämmert hymnisch nach vorne treibend und verliert exemplarisch nie den Biss – selbst wenn die Dynamik ein wenig den Fuß vom Gas nimmt und eine gewisse Bandbreite in der Raserei auslegt, die träumende Imagination Raum nimmt und die Gleichförmigkeit droht: Wo anderswo der Klimax beginnt, begleiten Woods of Desolation von vornherein mit der entsprechenden Haltung.
Illumination nutzt ein ambientes Schimmmern als Nährboden und legt spätestens hier die Grundlage für einen in Nuancen weniger straighten Verlauf des Narrativs. Die malerische Dramatik des Titelstücks gibt sich insofern gediegener, die Melodien bekommen eine nicht mehr bedingungslos nach vorne rasende Ausrichtung und das Geschehen bremst sich sogar erstmals ab, in einen (zu) kurzen Moment der Postrock-Einkehr.
Besser gelingt das Lichten der Platte schon, wenn es wie im friedvollen Optimismus des märchenhaften Zwischenspiels The Passing… flächendeckender angelegt ist, oder Anew (nach seinen Blink-182‚esken ersten Sekunden) in liebreizender Sucht versöhnlich in der Hoffnung strahlen darf. Dennoch gilt für diese wie für alle anderen Szenen eines rundum starken, aber das letzte Quäntchen euphorisch packender Begeisterung auslassenden Comebacks: The Falling Tide ist wie einen alten (zuverlässigen) Freund nach langer Zeit (samt kleinen Wesensänderungen) wiederzutreffen.
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