Woods – Bend Beyond
Zuverlässig wie ein Schweizer-Uhrwerk: mindesten einmal pro Jahr liefert das Gespann um Jeremy Earl aus Brooklyn überwältigend schön- schrulligen Folk für sonnige Waldlichtungen ab. Auf ihrem siebten Album im siebten Jahr wagen sie zudem die Probe aufs Exempel: wieviel Pop passt in die herzlichen Kauzgesänge, ohne deswegen gleich Pop zu sein?
Vordergründig ist es der Sound, der diese Veränderung am deutlichsten unterstreicht: ‚Bend Beyond‚ verweigert sich in keinster Weise seiner Lo-Fi Wurzeln, ist jedoch das bis dato am saubersten produzierte Werk der Band, die einzelnen Spuren beinahe gründlich voneinander getrennt, die Effekte darauf wollen den Sound nicht mehr verwaschen, sondern farbenprächtig dekorieren. Dazu singt Jeremy Earl deutlicher im Vordergrund denn je, nahezu verständlich und kraftvoll aus dem psychedelischen Freak-Folk-Brühen hervor. Den Zauber, sich vollends in ihre unwirklichen Songtrips verlieren zu können, behalten die New Yorker trotzdem immer noch bei, der Spagat zwischen professioneller arrangiertem Klang und stilbewusster Ursprungstreue gelingt fulminant unangestrengt.
Passend dazu haben Woods auch abermals an der Eingängigkeit ihrer Songs geschraubt. Die schon einmal gerne auf die 10-Minuten-Marke losjammenden Psychedelic-Ausflüsse der Vergangenheit werden auf ‚Bend Beyond‚ für 32 Minuten ausgeklammert, der längste Song ist gleich der Opener und Titelsong, welcher gerade einmal viereinhalb Minuten für sich beansprucht. Dass der längstens Live-erprobte Bandklassiker dabei trotzdem Zeit für einen ausgedehnten Improvisationspart mit hippiesk-effektbeladenen E-Gitarrensoli hat zeigt, dass die Mäßigung der Kompositionen nicht auf Kosten des nach allen Seiten offenen Songwritings geht – dass Jeremy Earl die Expedition nicht nur am Anfang mit einer seiner besten Melodien belädt, sondern hinten raus auch auf die Schnelle wieder einfängt, bringt dann das zweite herausragende Element von ‚Bend Beyond‚ auf den Punkt: poppiger und zugänglicher waren Woods bis dato noch nicht.
So stapeln sich hier insgeheime Lagerfeuer-Hits, wie das letztjährige ‚Sun and Shade‚ in dieser Konsequenz vielleicht nur ‚Any Other Day‘ parat hatte diesmal am laufenden Band. ‚Cali in a Cup‚ ist beschwingter Wald-und-Wiesen-Folk der bittersüßesten Sorte, mit seiner Bob Dylan-Mundharmonika über den schrammeligen Harmonien ein Paradebeispiel dafür, dass Woods-Songs immer noch von dem unkonreten Zwiespalt als real frohlockende Trostspender und unterschwellige Melancholiebringer leben. Von da an werden die Songs mit wechselnden Wolkentieren vor der spätsommerlichen Sonne nur noch kompakter,: ‚Is It Honest?‚ will mit klarer 60er-Vision dem Herbst die Wärme erhalten, ‚It Ain’t Easy‚ als reduzierte Akustikgitarrenballade mit weinender Pedal Steel im Hintergrund nicht nur Country-Herzen berühren, weswegen ‚Size Meets the Sound‚ den Titel als Hymne der Platte allein deswegen nicht für sich alleine beanspruchen kann, es aber dennoch tut.
Die aufgedrehten Verstärker in ‚Cascade‚ sind natürlich nur Täuschung, trotzdem driftet das vehement in Richtung unwirklicher Nebelschwaden und The Doors; ‚Back to the Stone‚ hätte mit Falsettgesang und rumpelndem Snare-Spiel auch gut auf ‚Songs of Shame‚ gepasst. Spätestens gegen Ende hin haben sich Woods dann mit sägenden Beinaherocksongs samt Orgeln (‚Find Them Empty‚), dem The Cure-affinen Nicht-Waver ‚Lily‚ und vor allem ‚Impossible Sky‚ endgültig irgendwo zwischen The Velvet Undergrounds selbstbetitelter und ‚Loaded‚ mit Ausblick auf Guided by Voices positioniert, nachdem sie mit ‚Wind Was the Wine‚ Herzen in Windeseile gebrochen haben. ‚Bend Beyond‚ ist damit aus Woods-Perspektive noch näher dran, eine makellose Hitsammlung der Schrulligkeiten zu sein als jede ihrer sechs Vorgängerwerke, dazu gleichzeitig nahtloser Fan-Wunschtraum wie künstlerische Weiterentwicklung. Weswegen man auch einfach das Fazit der ‚Sun and Shade‚ Review übernehmen darf: „Immer wieder ein Ereignis.“ – insgeheim sogar jedes Jahr noch ein bisschen mehr, als im Jahr zuvor.
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