Woodkid – The Golden Age
Der 30 jährige Franzose Yoann Lemoine hat es als Grafik-Designer, umtriebiger Clip-Regisseur und grundsätzlich hipper Typ längst in die oberste Riege des Musikbusiness geschafft. Dort will er künftig nicht mehr nur hinter der Kamera mitmischen, sondern es unter seinem Alias Woodkid auch als Musiker allen zeigen. Mit derart pompösen Pop im XXL-Format müsste das auch tatsächlich funktionieren.
Infolge des seit der ‚Iron‚-EP losgetretenen Hype-Sturms sollte sich mittlerweile überall herumgesprochen haben, dass es Lemoine war, der den Mystery Jets, Taylor Swift, Lana Del Rey und Katy Perry mit geschicktem Händchen für ästhetische Szenen unlängst derart stilvolle Filmchen unter die nicht immer so stilvollen Songs schnitt. Dass die schick-epischen, Zack Snyder tiefen Tribut zollenden Schwarz Weiß-Videos der hauseigenen Singles (‚Iron‚, ‚Run Boy Run‚ und ‚I Love You‚) des gewaltige Wogen schlagenden Debütalbums von Woodkid dem in nichts nachstehen wollen ist angesichts der hochgelegten Ambitionen hinter ‚The Golden Age‚ nur selbstverständlich. Da wie dort festigt sich nach dem Abflauen des eingangs zwangsläufig entstehen müssenden „Aha-Effekts“ ob der aufgefahrenen Eleganz freilich die Erkenntnis, dass Woodkid-Schaffen immer auch bedeutet, dass die Form den Inhalt dirigiert.
‚The Golden Age‚ ist kein Album geworden, dass sich mit falscher Bescheidenheit aufhält. Woodkid demonstriert die eigene Sucht nach überlebensgroßen Schönklang und ausladender Opulenz zu beinahe jeder Sekunde, destilliert weitreichendem Bombast in vergleichsweise konsumleichten Ohrenschmeichlern, welche nie die viereinhalb Minuten Marke überspannen. Lemoine serviert darin epische Streicher, unersättliche Alpenhörner und unzählige pathetische Bläser, triumphierende Fanfaren, galante Glockenspiele und turmhohe Chöre. Unter all dem irrwitzigen Brimborium verstecken sich dabei stets unkomplizierte Balladen und zwingende Popsongs, in denen Woodkid als brachilarere Version von Antony and the Johnsons, als Hi-Hi-Fi-Version von Perfume Genius in melancholische Melodien am Klavier schwimmt und mit seiner gallig-rauchigen Stimme ohne allzu große Variation und Breite den großen Gefühlen entgegenschmachtet.
Denn so sehr das majestätische Instrumentarium und die theatralische Gestik an sich auch permanent in die Vollen aufgefahren wird, so sehr geht Lemoire dabei grundsätzlich auch auf Nummer Sicher. Die Arrangements lehnen sich nie aus dem Fenster, sondern überhöhen das zelebrierte Spektakel schlicht kunstvoll und zielsicher – effektiv mit Netz und doppelten Boden. Geht Woodkid offensiver zu Werke, tut er dies mit martialisch treibenden Rhythmen ohne Subtilität. ‚The Great Escape‚ mutiert so nach seinem schmalzigen Disney-Beginn zu einer himmelhoch jauchzenden Fuchsjagd durch die Territorien des Chamber-Pop, selbst ergreifend inszenierte Momente wie ‚Boat Song‚ zünden vordergründig auf einer ungemein wohligen Ebene der Funktionalität. Intrumentale Interludes (‚Shadows‚, ‚Falling‚) sollen die Atmosphäre verdichten, das Erbe von Vangelis ist phasenweise nicht weit (‚Stabat Master‘) und ‚Conquest Of Spaces‚ kreuzt Final Fantasy (das Spiel, nicht die Band) mit heroischen Kriegsszenen.
Songs wie ‚Ghost Lights‚ sprengen Amphitheater und Historiendramen. Lana Del Rey bleibt stets Bezugspunkt, deren Gespür für aus der zeit gefallene Hits immanent, die absolute Vorhersagbarkeit der Kompositionen im Rausch der stetigen Steigerung ein ausblendbarer Beigeschmack. Der Abnutzungsfaktor der Kompositionen ob ihrer frontalen Herangehensweise ist ein nicht zu unterschätzender. Woodkid mag eben vielleicht (noch?) kein überragender Songswriter im Detail sein, sein Gespür für Dramatik manifestiert sich auf ‚The Golden Age‚ jedoch als großes Ereigneis des Konsens-Pop. Für sich genommen mögen die versammelten 45 Minuten mit geradezu billigen Tricks arbeiten, erreichen damit aber ihre hell leuchtende Bühne auf eine erstaunlich unplump erscheinende Art und Weise. Nicht zu kleckern sondern mit vollem Ernst zu klotzen – das steht dem Zeitgeist-Wunderkind Lemoine und seinen plakativ marschierenden Synphynie-Hymnen schlicht und einfach. ‚The Golden Age‚ ist eine Platte geworden, die nach den Sternen greift und epochal sein möchte. Geworden ist es zumindest Musik für die Massen und Hitparaden – für die sich niemand genieren muß. Am wenigsten Woodkid selbst. Dass die theoretisch konsequent in die Megalomanie weiterführenden Pläne eines eigenen Kinofilms vorerst gestoppt wurden überrascht nach diesem Ausrufezeichen eines musikalischen Einstandes dann irgendwo doch.
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