Wo bleibt eigentlich der Nachfolger zu….

von am 7. September 2012 in Featured, Wühlkiste

Wo bleibt eigentlich der Nachfolger zu….

Was haben Fiona Apple, DMX, Neurosis und Pig Destroyer gemeinsam? Auf den ersten Blick natürlich nichts und auch auf den zweiten abseits ihres Musikerdasein  wenig, aber richtig: 2012 haben sie alle – oder werden zumindest  noch – nach zumindest einem halben Jahrzehnt Wartezeit wieder neue Alben veröffentlicht.  Und natürlich, die Zeit, in der Musiker mehrere Veröffentlichungen pro Jahr hatten, ist spätestens seit den 80ern bis auf wenige Ausnahmen ohnedies vorbei – manch eine Veröffentlichung lässt trotzdem verdammt viel Zeit.

Die folgende Liste eben solcher widmet sich deswegen auch weniger Bands, die seit dem letzten Alben zwar viele Jahre ins Land ziehen ließen, aber ohnedies eine Pause eingelegt haben (siehe etwa die nach ‚Super Extra Gravity‚ zwischen 2006 und 2012 auf Eis gelegten Cardigans oder sogar noch schmerzlicher: die in alle Teile der Welt zerstreute Institution Fugazi, die seit nunmehr elf Jahren ihre Pause auf unschränkte Zeit nimmt) oder bloß ein wenig länger brauchen (wie beispielsweise die französischen Dunkelmänner Celeste, die 2012 das zweite Mal hintereinander von ihrer „Ein Album pro Jahr“- Mentalität abgewichen sind oder noch aufsehenerregender: Portugal.The Man, von denen es nach sechs Alben in den letzten ebensovielen Jahren 2012 tatsächlich nichts Neues zu geben scheint) und vernachlässigt Bands, deren Abwesenheit man ganz gut ertragen kann (die Bloodhound Gang ist sem Studio seit ‚Hefty Fine‚ nun auch schon knappe sieben Jahre fern geblieben) ausführlich und wiedervereinigte, rein aufs toren konzentrierte Bands wie die Pixies zwangsläufig – aber listet ohne Anspruch auf Vollständigkeit 15 Alben auf, bei denen man sich zumindest seit 5 Jahren fragen darf, wo der entsprechende Nachfolger bleibt….
——————————————————————————————————————————————————–   15. Have A Nice Life – ‚Deathconsciousness‚ (2008)

Genau genommen steht das fünfjährige Jubiläum der stilsprengenden Platte von Tim Macuga und Enemies List Kopf Dan Barrett erst Anfang kommenden Jahres an – doch jede noch so halbseidene Möglichkeit, auf die Brillanz dieser Platte hinzuweisen ist bekanntlich willkommen. Ob es sich dieses Jahr tatsächlich noch mit dem neuerlichen Aufeinandertreffen von Swans und Nine Inch Nails, von Industrial, Folk und Metal ausgehen wird, sei dahingestellt. Versprochen werden jedenfalls jetzt schon ein Werk mit 400 Seiten Booklet aber ohne Drums, verteilt auf über 5 Stunden Spielzeit, die noch weniger klar formuliert ausfallen solen als Barretts jüngste Giles Corey Veröffentlichung. Fragt sich nur, wer das durchstehen soll?
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  14. Einstürzende Neubauten – ‚Alles wieder offen‘ (2007)

Frei von Plattenverträgen haben Blixa Bargeld und Co. ihr 30 jähriges Jubiläum auf Tour hinter sich gebracht, zudem an der Neuauflage des Neubauten Backkataloges gearbeitet und die Zeit für Soloalben (Bargeld) oder Prudktionstätigkeiten (Hacke produzierte etwa das jüngste Woven Hand Album) genutzt. Ansonsten ist es abseits von weiteren Tourtermin-Ankündigungen jedoch bedenklich ruhig um die deutsche Institution geworden – auch wenn 2010 ‚Strategies Against Architecture IV‚ in die Läden kam.
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  13. The Weakerthans – ‚Reunion Tour‘ (2007)

Schon das vierte Album der Band entstand aus den bloßen EP-Plänen der Band erst auf Bestreben von Produzent Ian Burton. Seitdem haben die Kanadier ein Livealbum rausgehauen (‚Live at the Burton Cummings Theatre‘) und Jim Brysons ‚The Falcon Lake Incident‚ aufgenommen, ansonsten aber vor allem Platz für John K. Samsons Soloausflüge gelassen. Die trösten dann auch ein wenig über das Fehlen der wohl bittersüßesten Indiepunkrock-Melancholie hinweg. Aber eben auch keineswegs vollends.

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  12. The Avalanches – ‚Since I Left You (2000)

Since I Left You‚ trieb den von DJ Shawdow auf ‚Endtroducing…‚ losgetretenen Samplerwahn mit ca. 3500 gefeatureten Stücken nicht nur auf die Spitze – die Australier von The Avalanches perfektionierten ihn auch gleich aus dem Stand im Pop. Fünf Jahre dauerte es, bis die verbliebenen Robbie Chater, Tony Diblasi und Lenker Darren Seltmann mit den Aufnahmen zum Nachfolger überhaupt begannen, seitdem ist die Rede von „mehr Hip-Hop“ bzw. „mehr Party“, Gästen wie Danny Brown und bereits einem veröffentlichten Demotrack namens ‚A Cowboy Overflow of the Heart‚, auf dem von Party aber mal so gar nichts zu hören ist.

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  11. The Locust – ‚New Errections (2007)

Schon klar, Bandmastermind Justin Pearson hat an die fünfhundert andere Bands laufen (u.a. All Leather, RETOX,…), für die er kreischen muss. Und auch klar, die meisten davon hören sich ohnedies sehr ähnlich an, wie seine San Diego Allstar Band. Wer will, kann sich auch mit den inzwischen veröffentlichten Peel-Sessions aus dem Jahre 2001 sowie einer Raritätensammlung von 2012 über Wasser halten. Ein wirklicher Ersatz ist das aber dennoch nicht. Vor allem deswegen, weil ‚New Errections‚ das Zeugnis einer Band war, die aus dem selbst gestrickten Korsett hervorbricht und ihren Soundkosmos weitergedacht hat.
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  10. Aphex Twin – ‚Drukqs‚(2001)

Auch schon elf Jahre wartet man auf das sechste Studioalbum von Richard D. James unter seinem  bekanntestem Projektnamen. Seit spätestens einer einsamen Analord-Veröffentlichung 2005 ist es jedenfalls auch unter all seinen anderen Pseudonymen verdächtig ruhig geworden, zumal zahlreiche vollmundigeAnkündigen seitens Warp Records oder James‘ selbest bisher folgenlos geblieben sind: vor allem, da laut Eigenaussage mittlerweile an die zehn Alben fertig geschrieben sein sollen und zudem in den Startlöchern stehen.

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  09. Circle Takes The Square – ‚As the Roots Undo‘ (2004)

Wäre das aufschreiende Lebenszeichen ‚Decompositions, Volume I, Chapter 1: Rites of Initiation‚ 2011 nicht gewesen – man hätte ja nicht geglaubt, dass die personell um Drew Speziale und Kathy Coppola rotierenden Circle Takes the Square tatsächlich noch an neuem Material arbeiten. Der für 2012 angekündigte zweite Teil der ambitionierten EP-Reihe scheint jedenfalls dennoch nicht wie angekündigt fertig zu werden – daher die Puzzleveröffentlichungen scheinbar auch Hauptart des ‚As the Roots Undo‚-Nachfolgers sein sollen zusätzlich schade. Zumal noch immer niemand Screamo, Post-Hardcore, Emo und Grindcore mischt wie das Gespann aus Savannah.

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  08. Melt-Banana – ‚Bambi’s Dilemma‚ (2007)

 Bisher waren die vier Jahre zwischen ‚Cell-Scape‚ und ‚Bambi’s Dilemma‚ ja der längste Spagat zwischen zwei Platten – der mögliche Nachfolger  zum 2007er Werk ändert das natürlich. In seiner markanten Umdeutung bekannter Songs, darf man ja das ‚Melt-Banana Lite Live‚-Album ein bisschen als funktionierende Überbrückungshilfe ansehen. Obwohl dessen Veröffentlichung auch schon wieder drei jahre her ist. Währenddessen touren Melt-Banana ausgiebig, 2012 vor allem durch Asien und schonmal auch nur zu zweit. Aussicht auf komendes Material gibt’s noch nicht einmal in der Form von Absichten, das Studio zu entern.
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  07. David Bowie – ‚Reality (2003)

 So stürmisch das neue Jahrtausend für Bowie mit den Akkord-Veröffentlichungen  ‚Heathen‚ und ‚Reality‚ begonnen hatte – so abrupt endete es damit auch schon wieder. Seitdem veredelte Bowie Platten von Kollegen (Kashmir, Scarlett Johannson, TV on the Radio) oder Filme (The Prestige), tritt gerne als Überraschungsgast bei Konzerten auf (Arcade Fire, Alicia Keys) oder drehte einen Werbespot mit Snoop Dogg. Dass 2011 sein nie veröffentlichtes Album ‚Toy‚ von 2001 über dunkle Kanäle ins Netz gelangte führte nur wieder vor Augen: ‚Reality‚ hatte zahlreiche erstklassige Songs an Bord und ist generell weitaus besser als sein Ruf. Nicht nur deswegen wäre Album Nummer 34 eine wünschenswerte Erweiterung von Bowies Discographie.

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  06. Deltron 3030 – ‚Deltron3030 (2000)

 Soviel ist zumindest sicher: der Nachfolger zum aufsehenerregenden Supergruppendokument um Produzentenmagier Dan The Automator, DJ-Künstler Kid Koala und Hip-Hop Freigeist  bzw. Ice Cube-Cousin Del the Funky Homosapien wird auf den Namen ‚Deltro Event II‚ hören. Theoretisch soll das Werk sogar im November diesen Jahres in die Läden kommen. Bedenkt man aber, dass an der 2006 begonnene Produktion in schöner Regelmäßigkeit nach wie vor weitergebastelt wird und die erste Single ‚Bioscientists‚ auch schon wieder über fünf Monate alt ist, muss man das nicht zwangsläufig fest einplanen.  Wünschenswert wäre es natürlich trotzdem, hat die Hip-Hop Oper von 2000 doch auch beinahe eineinhalb Jahrzehnte später nichts von ihrer Vitalität eingebüßt.
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  05. Modest Mouse – ‚We Were Dead Before the Ship Even Sank (2007)

 Ex- The Smiths Gitarrist Johnny Marr ist längst wieder weg (und war, wenn man ehrlich ist ohnedies nie wirklich angekommen), einige neue Songs wie ‚Poison the Well‚ und ‚Lampshades on Fire‚ bereits bekannt. Dass Rapper Big Boi zudem in den Aufnahmeprozess des Nachfolger zu dem höchstens unter den Erwartungshaltungen taumelden ‚We Were Dead Before the Ship Even Sank‘ involviert sein dürfte, weiß man dank Twitter. Wann hingegen Isaac Brook tatsächlich das vielleicht mächtigste Indierockschlachtschiff der Welt wieder in See stechen lassen wird, trotz vielversprechender Samplerbeiträgen und einer lange zurückliegernden, resteverwertenden EP-Sammlung (‚No One’s First, and You’re Next‚) noch immer nicht.
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  04. Joe Volk – ‚Derwent Waters Saint (2006)

 Schon verständlich, dass Englands vielleicht bestgehütetstes Singer-Songwriter Geheimnis einige Jahre seit seinem fulminanten, von Posrtishead Mann Geoff Barrow gestützten Debütalbum ins Land ziehen ließ, ziehen lassen musst – war er doch mit der Doomband Gonga und vor allem Crippled Black Phoenix, der mittlerweile zur Classic-Rock Band mutierten, aus dem beklemmenden Post-Rock gewachsenen Gang um Justin Greaves, mehr als ausreichend beschäftigt. Seit Anfang 2012 ist Volk wieder ausschließlich auf sein Solo-Schaffen konzentriert unterwegs. Weswegen es 2013 dann hoffentlich auch endlich einmal ernsthaft etwas wird, mit den Ankündigungen, dass die Arbeiten am Zweitwerk beinahe abgeschlossen seien und dieses endlich im Kasten zu haben. Kostproben zeugen indes bereits jetzt davon, dass da ein weiteres, unheimlich eindringliches, beklemmendes Melancholie-Manifest auf einen zukommt – getragen von einer der schönsten, schüchternen Stimmen des Genres.
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  03. Blur – ‚Think Tank (2003)

 War die 2003 von der immer besser werdenden Britpop Institution aus dem Verfall gestemmte Schönheit ‚Think Tank‚ zwar genau genommen ohnedies kein Band-Ergebnis mehr, stimmen jüngste Veröffentlichungen wie ‚Under The Westway‚ jedenfalls zuversichtlich, dass eine Zukunft von Blur abseits der Omnipräsents Damon Albarns Sinn ergibt. Vergessen ist dabei die nahe am Split marschierende Trennung von Graham Coxon samt allgemeiner Mehr-oder-minder-Pause der Band, die unzähligen Projekte von dem sich seitdem mehr denn je als Vordenker der englischen Popmusik in Szene gesetzt habenden Albarn und dazugehörige Reissues des eindrucksvollen Blur-Backkataloges. Jetzt muss nur noch das gefühltermaßen bereits ewig dauernde und stündlich die Richtung wechselnde Herumdrucksen aufhören, ob und wann da nun tatsächlich noch etwas im Albumformat nachkommt.
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  02. Tool – ‚10.000 Days‚ (2006)

 Immer noch alles unklar bei der Progressive-Metal Allmacht aus Kalifornien. Nach der 2008er Tour wurden Pläne um einen Bandfilm laut – aber nicht konkret. Seit März 2009 arbeiten zumindest Danny Carey und Adam Jones „earnest“ an neuem Material, während Maynard James Keenan mit Puscifer tourt, A Perfect Circle eigentlich auch schon zu lange nicht ins Studio begleitet hat und momentan mehr oder minder hauptberuflich Wein anbaut. Ob Tool tatsächlich mit den fünf bisher geschriebenen Stücken ins Studio marschiert ist und der getwitterte angepeilte Releasetermin von Ende 2012 gehalten werden kann, darf also „earnest“ bezweifelt werden.
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  01. Glassjaw – ‚Worship and Tribut (2002)

 Gibt es eigentlich irgendeine Band, deren Herumzicken am neuen Album derart nervtötend malträtiert, wie jenes von Glassjaw? Wahrscheinlich nicht. Nachdem Ausnahmesänger Daryl Palumbo mit Head Automatica den Pop samt Dancefloor gefunden hat und Glassjaw nur auf der Bühne stattfanden, schmeißen sie seit geraumer Zeit mit auf EPs gebündelten Singles um sich, die zeigen, dass sie ihren emotionalen Post-Hardcore problemlos immer noch mindestens ebenso unnachahmlich und fulminant beherrschen wie früher; oder die eine Entwicklung dokumentieren, die Glassjaw als rhythmusbetonte Tanz-Apocalypse aufgefächert zeigen . In Verbindung mit permanent schwankenden Nachrichten ob einer in den Startlöchern stehenden Veröffentlichung des erst dritten Studioalbums in beinahe 20 Bandjahren, verworfenen Aufnahmen und Aufschiebungen weiß man tatsächlich nicht mehr, ob die Erwartungshaltung auf tatsächlich Großes nicht langsam vom Ärger ob des ganzen Hick-Hacks drumherum überschattet werden wird. ‚Glassjaw Democrazy‚, irgendwie. Aber in Hochform kann ihnen eben niemand das Wasser reichen.

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