Wintersleep – Hello Hum

von am 23. Juni 2012 in Album

Wintersleep – Hello Hum

Kann man die musikalischen Wohltaten der Kanadier noch einfühlsamer abschleifen, ohne auf die rockigen Ecken und Kanten verzichten zu müssen? Wintersleep wagen die Probe aufs Exempel und fühlen behutsam in die Freiräume zwischen ‚Welcome to the Night Sky‚ und ‚New Inheritors‚.

Ob Wintersleep außerdem selbst bis zu ‚Unzipper‘ gewusst haben, wie sehr sie nach Interpol klingen können, wenn sie nicht aufpassen? Tun sie zwar nicht nur dort (spätestens beim Finale von ‚Zones‚ nämlich schon wieder!), in diesen vier Minuten aber doch mehr denn je. Zum einen liegt das natürlich am Organ von Bandzentrum Paul Murphy, zum anderen aber auch am treibenden Charakter des Songs, außerdem dem ‚Evil‚-Piano. Nur eines passt dann eben doch wieder nicht; denn das Wintersleep auf ihrem fünften Studioalbum unterkühlt klingen würden, ist ein Missverständnis, das gerade einmal hundertvierundfünfzg Sekunden oder exakt das einleitende ‚Hum‚ lang andauert: da sucht sich Murphys nicht referenzgefeite aber unverkennbare Stimme den mühsamen Weg durch viel Hall, geloopte Gitarreneffekte und nackte Schlagzeugsalven. Freilich eine falsche Fährte, denn letztendlich nehmen Wintersleep mit ihrer eigenen, erhebenden melancholisch geprägten Indierock auf Sicht nur umso herzlicher in die Arme, unkarschiert un bedingungslos, doch merkt man auch: die euphorische Phase des Kennenlernens ist längst vorbei, Wintersleep knien sich ins Zeug, ‚Hello Hum‚ kämpft um den Erhalt der spätestens mit ‚Welcome to the Night Sky‚ erwachten Liebe.

Genau dort setzt ‚Hello Hum‚ nun an, spannt den Faden als in jeder Hinsicht herzliches Album weiter, vielleicht sogar als genau jenes, das man nach ‚Welcome to the Night Sky‚ erwarten hätte können. Wintersleep schwänzeln wieder um Folk und Alternativesprengsel um punktgenau im Indierock anzukommen, wenn ‚New Inheritors‚ ihre R.E.M.-Platte war, ist ‚Hello Hum‚ ihre Annäherung an frühe Coldplay und späte Interpol. Die Kanadier mögen mittlerweile einen Laptop im Studio stehen haben, der etwa ‚Resuscitate‚ einen – ersteinmal registriert schwer zu verzeihenden – Glitzereffekt verleiht, vor allem aber haben die Fünf diese gefinkeltere Produktion neben kaum der Rede wert findenden Spielereien im Hintergrund und doch prominent platzierten  Keyboardideen dafür genützt, die Stärken der Band zu analysieren und hervorzuheben. Deswegen knüpft ‚Nothing Is Anything (Without You)‚ als schwer verliebter und munterer Folkstomper genau dort an, wo ‚Weighty Ghost‚ eigentlich keine Fragen offen ließ, während  ‚In Came The Flood‚ mit seinen auf- und abtauchenden Gitarren sowas wie ein Paradebeispiel eines rockigen Wintersleep-Hits geworden ist, dem das hektisch rumpelnde ‚Resuscitate‚ in nichts nach steht.

Am besten sind Wintersleep aber anderswo: ‚Someone, Somewhere‚ will mit frei schwirrenden Beach Boys-Harmonien seine Beine hochlegen, während ‚Hello Hum‚ auf der bedächtigeren Seite seinen ‚Saving Song‚ aufzieht, eine reduzierte und sparsam inszenierte Ballade, die das Murphy-Sideprojekt Postdata neumal ganz ähnlich und ebenfalls nahe der Perfektion hinbekommen hat. ‚Sleep Song‚ mutiert so zur Schnittstelle zwischen den Baustellen und funktioniert als insgeheimer Höhepunkt einer Platte, die es sich doch zu oft zu sehr als Standortbestimmung gemütlich macht, denn verwaltete Gebiete aus neuen Pespektiven zu durchforsten oder gar als Territorialerweiterung zu funktionieren. Dass Wintersleep mit ihrem fünften Album etwas zu sehr auf Nummer Sicher gehen, manifestiert vielleicht die Befürchtung, dass die Kanadier vielleicht auf Ewig unter dem Schatten des überragenden ‚Welcome to the Night Sky‚ ihre Dasein als große Nischensensation des Indierock pflegen werden müssen. Mitleid verlangen Wintersleep dafür allerdings keines – wofür auch, nahezu makellos, mit Hits und neuen Lieblingsongs vollgepackt ist der Grower ‚Hello Hum‚ trotzdem. Spätestens wenn der Country-infizierte Schmachter ‚Smoke‚ am Ende die Träne endgültig durchs Knopfloch drückt, und einen Klaps auf die Schulter gibt,  ist das wieder Musik, die man braucht, wenn Gewitterwolken aufziehen, am Horizont wie im Herzen. Anschmiegsame, andächtig rockende Songs, die einen niederschmetter können ohne wirklich wehzutun, einen  aber ohnedies aufbauen wollen. Wintersleep sind im Grunde schon längst in einem Stadium angekommen sind, in dem sie niemandem mehr etwas beweißen müssen. Die Liebe, um die sie hiermit so hart kämpfen, kann ihnen eigentlich gar nicht mehr entzogen werden, die bleiben eine Herzensband.

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