Willie Nelson – The Border
Die Feierlichkeiten rund um seinen 90er hat Willie Nelson ebenso abgehakt wie ein Duett mit Kermit, dem Frosch. Nun kann es endlich mit Album Nummer 75 weitergehen: The Border wirkt dabei ein wenig wie eine Fortsetzung von A Beautiful Time an.
Was alleine insofern schon als eine gute Sache zu verstehen ist, weil sich der 2022er-Langspieler mittlerweile ja doch als eine der essentiellen Platten im eigentlich absurd qualitätskonstanten Output von Nelson etabliert hat. Und das in einer Phase der Karriere, bei deren Veröffentlichungen man weiterhin nicht wirklich von einem Spätwerk sprechen will, weil sich all die Routine und Souveränität ungebrochen so vital anfühlt.
Ebenso reichhaltig wie sorgsam zurückhaltend arrangiert klingt Nelsons älter gewordene (und auf Platte stets ein bisschen gebügelt inszeniert scheinende) Stimme nämlich immer noch ergreifend und fit, derweil sein Gitarrenspiel auf subversive Weise sogar nach wie vor atemberaubend individuell arbeitet, und die Musik in einer seltsam undefinierbaren Balance aus bittersüßer Vergänglichkeit voller Nostalgie und einer unstillbaren Motivation sich eine Rastlosigkeit zu bewahren, funktioniert.
Gemeinsam mit dem als Katalysator kongenial passenden Produzent und Co- Songwriter Buddy Cannon – sowie der aus Jim Brownam Piano, James Mitchell (Gitarre), Bobby Terry (Gitarren & Steel Guitar) Mickey Raphael (Mundharmonika), Barry Bales (Bass) und Fred Eltringham am Schlagzeug zusammengesetzten Gang im Rücken – hat Nelson für The Border jedenfalls vier neue Originale geschrieben, die sich allesamt auch in einer Meta-Ansicht auf romantische Perspektiven über den Prozess des Songwritings an sich drehen.
Das mit Mundharmonika friedlich schippernde Once Upon a Yesterday ist sentimental ohne schwülstigen Kitsch, derweil Kiss Me When You’re Through sanft mit latent härterer Kante an einen Rocksong gelehnt poltert, und How Much Does It Cost weise schunkelt: „There are three sides to every story/ You got yours, mine, and the truth/ But don’t worry about it/ It will all come out in the wash/ Maybe I’ll write another hit song/ Then we can all three sing along/ But one thing is now clear to me/ It will cost way too much to be free.“
What If I’m Out of My Mind destilliert als salopp klimpernder Tänzer in der Bar die ansonsten oft unterschwellige Lebensfreude geradezu demonstrativ – wie später auch das (wie sein Bruder im Gestus ebenfalls ein klein wenig aus dem Rahmen und vom Rest abfallende) unbeschwert aus der Feder von Shawn Camp übernommene Made in Texas, das sich als einer von insgesamt sechs Coversongs der Platte mit den Nelson-Nummern ganz wunderbar zu einem stimmigen Ganzen verbindet.
The Border von Rodney Crowell wird als Opener und Titelstück zu einer angenehm schunkelnd Tex Mex-Entspannung zwischen Calexico und Tito Larriva samt einer schön behutsam beschwörenden Herzlichkeit des Refrains, bevor die zweite Seite der Platte stilistisch gedeckelt durch das aus derselben Feder (nur mit Will Jennings als Co-Songwriter) stammende, betörend dahinlaufenden Many a Long and Lonesome Highway eröffnet wird.
Das ruhige I Wrote This Song for You (von Larry Cordle) ist in melancholischer Zuneigung herzlich, warm und weich, derweil Hank’s Guitar aus dem Fundus von Cannon und Bobby Tomberlin als kontemplative Schönheit mit anmutigem Aufbau seine amüsante Perspektive adelt und Nobody Knows Me Like You (Mike Reid) versöhnlich Zuneigung erzeugt. So selbstverständlich toll.
Im die vergangenen Jahre über schon stets so trittsicher praktizierten Grenzgang zwischen eigenen fabelhaften Zuverlässigkeiten und geschmackvoll einverleibten Fremdkompositionen fühlt sich The Border deswegen auch mehr als alles alles andere vertraut und heimelig an – und vor allem einmal mehr wie ein Album, dass als Finale einer beispiellosen Diskografie würdig wäre, aber wohl glücklicherweise eher nur einen weiteren Zwischenstopp auf dem Weg dorthin markiert: Auf in die Dreistelligkeit, Willie!
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