Willie Nelson – Last Leaf on the Tree
„Facing death with grace“: Micah Nelson kuratiert (das auf die eine oder andere fabelhafte Kooperation sowie das starke The Border folgende) Last Leaf on the Tree, den 76. Langspieler seiner Vaters Willie, weitestgehend als Cover-Album.
Der 34 jährige erledigt dabei einen großartigen Job. Weil er (ohne sich derart weit wie – vergleichsweise anbietend – Rubin aus dem Fenster zu lehnen) nicht nur ein gutes Dutzend an Fremdkompositionen jenseits des Country gefunden hat, die seinem 91 jährigen Erzeuger grundlegend authentisch stehen, sondern als Produzent und Multiinstrumentalist, der einen Gutteil der Platte musikalisch stemmt, das Materials auch inszenatorisch homogen auf eine Linie gebracht hat. Selbst wenn die Keith Richards-Nummer Robbed Blind ganz dezent ätherischer Synthies hinter den Mundharmonika-Einsatz schiebt und die Micah-Komposition Wheels ein leicht sinistres Glimmern wie in Trance nutzt, passiert das absolut stimmig eingebettet – und sorgt für zwei Highlights der Platte.
Alle Songs haben schließlich einen leicht rumpelig und charmant spartanisch eingerichteten Charakter bekommen, klingen ruhig und unaufgeregt, verrücken Nelson Sr. aber auf interessante Weise leicht aus dessen Komfortzone. Die Harmonika von Mickey Raphael ist dabei ebenso prägend wie die Percussion von Doors-Mann John Densmore und Micah selbst, doch fungiert Trigger laut Micah als „lead character“ des Reigens, der in seinem grundlegend minimalistischen Ansatz mehr oder Minder den Faden von Spirit aus dem Jahr 1996 aufgreift – ursprünglich hätte das 44. Album ein Tom Waits-Tribute werden sollen, bevor sich die Ziele verschoben haben.
Für die beiden hier nun prägenden Waits-Vertreter, Last Leaf sowie House Where Nobody Lives, ist diese Ausgangslage natürlich eine Steilvorlage. Gerade das eröffnende Quasi-Titelstück gibt zutiefst melancholisch schunkelnd den Weg vor, lässt die Stimme von Willie behutsam neben der Spur ein kleines bisschen brechen, um die emotionale Last der Nummer tragen zu können, während das Instrumentarium zurückhaltend alles tut, um wie ein andächtiger Abschluss mit einem langen Lebensweg wirken zu können.
Das butterweich polternde If It Wasn’t Broken (von Sunny War) tänzelt bittersüß bluesig und spanisch-geschmeidig wie später auch das klackernde Come Ye (Nina Simone). Lost Cause (Beck) bleibt dicht am Original und addiert durch die countryeske Perspektive von Nelson dennoch einen ganz neuen Blickwinkel. Ähnliches gilt für Keep Me in Your Heart (Warren Zevon) oder das nun deutlich bodenständiger arrangierte, andächtig und verletzlich fragil daherkommende Do You Realize?? (The Flaming Lips). Allesamt ikonische Klassiker, die sich Nelson hier ein gutes Stück weit zu eigen macht.
Mit Are You Ready for the Country?, als gemütlich stampfende, salopp fiedelnde Country-Party, lockert die erste von zwei Neil Young-Nummer den organischen Spielfluß noch fein auf. Broken Arrow (mit angenehm rauen Backing Vocals von Micah und Mr. Soul-Outro) bremst ihn (über fast 7 Minuten) jedoch zu lange angelegt allerdings ein wenig aus.
Überhaupt bekommt Last Leaf on the Tree hinten raus ein paar unausgegorene Längen. Das weich flötierende, folkloristische Nelson-Original Color of Sound wäre eigentlich der ideale Abschluss der Platte, bevor The Ghost (als Neuaufnahme der 1962er Komposition) fast konventionell, aber auch redundant schippert – wenngleich der Bogen zum gängigen Nelson-Kanon so irgendwie doch stimmig geschlossen wird.
Und während die 52 Minuten Spielzeit von Last Leaf on the Tree oft eine Stimmung erzeugen, als würde der letzte noch lebende Highwayman mit einem potentiellen Abschiedswerk seinen Frieden mit der Welt machen, entlässt das Album letztendlich dann doch mit dem Gefühl, dass es weitergehen wird. Auch deswegen, weil Vater und Sohn nach dem elektronisch verspulten Vocal-Sample-Appendix mit der Hidden Track-Acoustic-Veranda Looking for Trouble tatsächlich eine alles andere als schwermütige Post Credit-Szene anbringen.
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