Wilco – Hot Sun Cool Shroud
Aus den Sessions ihres 2022er Albums Cousin sind Wilco noch einige Tracks übrig geblieben – (mehr oder minder) sechs davon versammeln sie auf der EP Hot Sun Cool Shroud.
Dass die Euphorie für Wilco-Material an hiesiger Stelle über das ausführliche Country-Paket Cruel Country sowie seinen bald darauf folgenden Nachfolger ein bisschen nachgelassen hat mag stimmen, soll jedoch eigentlich nichts über die Qualität des Outputs der Band aus Chicago aussagen. Und weil gerade unter der Ägide von Cate Le Bon ein paar nette Impulse Einzug in den Kosmos von Jeff Tweedy und Co. fanden, ist die Nachricht über mehr Material aus den Sessions freilich eine erfreuliche.
Obgleich allerdings nur das eröffnete Hot Sun (als zurückgelehnter Americana Rock, dem Tweedy erst fast mit lethargischer Desinteresse begegnet, bevor er sich immer mehr für den Song erwärmt, den Refrain öffnet und ihn später in Streicher-Arrangements badet) mit der Musikerin entstanden ist, wiewohl die von Tom Schick produzierten Nummern der EP zumindest im Ansatz (aber auch im übergeordneten Ganzen durch das Sequencing) durchaus einen vorsichtigen Mut zum Wagnis zeigen.
Oder gar Unsinn? Das aufgekratzt heulende Livid ist als erstes von zwei Instrumentalstücken über 69 Sekunden ein angenehm frecher, schneller Rocker mit simplem Riff, das sich über seine Weirdo-Attitüde definiert und in jeder Hinsicht aus dem Rahmen fällt, bemüht unpassend platziert eigentlich sogar mutwillig den Fluß stört. Das zweite, Inside the Bell Bones, macht als perkussive Psychedelik keinen Hehl aus seinem Dasein als experimentelle Skizze, schafft aber dabei beinahe die Zweiminuten-Marke.
Durchaus ambivalent, wie stimmig dieser dezidierte Kontrast zur Wilco-Komfortzone im Kontext funktioniert – dass die Band sich nicht alleine im Wohlfühlbereich gemütlich macht, darf man aber grundlegend schätzen.
Das Kurzformat habe ein „summertime-after-dark kind of feeling“ sagt Tweedy. Und weiter: „It starts off pretty hot, like heat during the day, has some instrumentals on it that are a little agitated and uncomfortable and ends with a cooling breeze. There are tracks on Hot Sun Cool Shroud that are more aggressive and angular than anything we’ve put out in a while, and a song about love melting you like ice cream into a puddle of sugary soup. All the pieces of summer, including the broody cicadas.“
Da agiert das kräftiger am Indie Rock ausgerichtete Annihilation mit einer unbeschwerten Lockerheit, schrammelt kompositorisch ohne wirkliche Geistesblitz, kratzt aber die Gitarren auf. Und Say You Love Me schraffiert mit subtiler Fidel eine müde klampfende Melancholie, deren schunkelnder Romantik im 70s Panorama wohl Lennon und Nilsson gefallen hätte – und sich auch so alle verliebt in den Armen liegen.
Das heimliche Highlight der EP ist aber das stille Herzstück Ice Cream, das so einfühlsam, ruhig und behutsam eine filigran-minimalistische Schönheit zeigt, dessen sentimentale Melodie eine Ahnung bleibt, sich durch eine vage Nonchalance der Greifbarkeit entzieht und wie die verblassene Erinnerung an einen vergessenen Lieblingssong aus dem Wilco-Repertoire wirkt. Womit Hot Sun Cool Shroud zwar vielleicht keine Euphorie entfacht – aber die Stärken der Band kompakter und fokussierter auf den Punkt gebracht werden, als mit den jüngsten Studioalben.
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