White Lung – Deep Fantasy
Der Albumtitel könnte ein Porno aus den 70ern sein. Die Musik könnte auch aus den 70ern sein, aber doch ist das, was White Lung abliefern genau richtig für jetzt und hier: politisch, rational, wild und stark mit Sprenkeln eines feministischen Punk Rocks gewürzt.
„An exploration of power dynamics“: so beschreibt Sängerin und Frontakteurin Mish Way von White Lung ihr persönliches Ausloten von Kräfteverteilung und Sexualität. Ihre Texte sind sehr, sehr gut geschrien und in Szene gesetzt. Es geht ihr dabei nicht um Lautstärke und den vordergründigen Riot, sondern eher um Kadenz, Emotion und Timing. Im Pitchfork-Interview meinte sie, dass viele Menschen von expressiven, ihre Stimmen gebrauchenden Frontfrauen abgeschreckt sind. Ich gehöre nicht zu diesen Menschen, ganz im Gegenteil, diese Frau weiß eine Balance zu finden, eine Anziehung zu schaffen, was bei Live-Shows der Band nachzusehen und zu hören ist. Gitarrist Kenneth Williams, Schlagzeugerin Anne-Marie Vassilou – laut Way „the fucking coolest drummer I’ve ever met in my life“ – und Bassistin Hether Fortune sind eine gute Mixtur zu Mish Ways Rezept.
Das dritte nun vorliegende Album Deep Fantasy ist 22 Minuten lang, die Band spielte die Songs in 20 Tagen ein. Diese reduzierte, wohldurchdachte Gangart spürt die Hörerin und der Hörer verdammt genau. Im ersten Song Drown With The Monster singt Mish über ihr Leben, über sich selbst und das alles um dich herum ein Monster sein kann, und ja, ihre Drogenprobleme: „I was high and lying.“ Down It Goes verhandelt die Kraftdynamiken in einer heterosexuellen Konstellation, „plunging into the precious middle„, der physische Stärkenunterschied und was das überhaupt bedeutet. In ‚Snake Jaw‘ singt Way über Körperdysmorphie, wie sehen wir aus und warum kümmert uns das: „You drag me behind/ Like bitter squirming swine“ und „If I get fat one day, will you run away?/ I’ll starve if you promise to save me“. ‚I Believe You‘ handelt von einer Freundin Mish Mays, die vergewaltigt wurde. Wir leben in einer Vergewaltigungs-Kultur, der Song zeigt, dass es eine starke feministische Community gibt, vor allem im Internet, Männer, Frauen, Queers, es muss über derartige Themen offen gesprochen werden. „You don’t take me, don’t make me.“ Way will in einer Art und Weise über sexuelle Gewalt singen, die leicht zu verstehen ist, ohne das V-Wort zu gebrauchen.
Die Themen, die von White Lung angsprochen werden, sollten viel öfter in kontemporären Songs abgehandelt werden, hinzu kommt der Sound, der Chaos und Kontrolle kombinieren kann. Den Eindruck, den das Album hinterlässt, ist genau das, was die Songs sind: keine Sekunde zu viel wird verschwendet mit Balladen, Ambient, Instrumentalpassagen, einfach reduzierte Kraft – keine Kompromisse.
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