Weezer – Pacific Daydream
Der Interims-Schnellschuss Pacific Daydream lässt sich letztendlich zwar besser verdauen als erwartet, erteilt jedoch ungeachtet dessen eine bittere Lektion: Ungeachtet des unlängst praktizierten Formhochs bleiben neue Weezer-Platten hinsichtlich ihrer qualitativen Schwankungsbreite also weiterhin ein unberechenbares Roulette.
Während das Quartett aus Kalifornien die Arbeiten am längst angekündigten, durchaus vielversprechend umschriebenen Black Album (Cuomo dazu: „The Beach gone bad„, „more mature topics„, „less summer day and more winter night„, „like reveries from a beach at the end of the world“ oder „[… as if] the Beach Boys and The Clash fell in love by the ocean and had one hell of an amazing baby„) hintenan geschoben hat, bedeutet diese flatterhafte Unkalkulierbarkeit im Output für das nichtsdestotrotz ebenso ungeniert am Strand abhängende Pacific Daydream, dass das elfte Studioalbum tatsächlich wieder eine deutliche Abkehr vom klassischeren Weezer-MO der beiden hervorragenden Vorgänger Everything Will Be Alright in the End (2014) sowie der weißen Platte (2016) darstellt.
Und damit natürlich abermals all jene jüngst erst wieder ausgesöhnten Fanschichten vor mittelschwere Probleme stellen könnte, die der stangenwaretauglichen Ästhetik von konsumfreundlichem Zeitgeist-Pop grundsätzlich abgeneigt sind – oder bereits mit den anbiedernden Banalitäten Probleme hatten, die sich nach Maladroid in die Discografie der Band geschlichen hatten.
Dafür sorgt alleine schon die stromlinienförmige (kaum auf rockige Gitarren setzende, dafür aber mit künstlich wirkenden Drums und Synthie-Effektgekleister geglättete) Produktion von Fall Out Boy- und Panic! at the Disco-Intimus Butch Walker: Ein zutiefst generisch inszenierter Sound bestimmt Pacific Daydream, der das weiße Album vollends in eine moderne Pop!-Plastikwelt weiterführt, in der Entscheidungen wie generisch-aufdringliche Stadion „Ohohos„, ein nicht uncharmant anbiedernder Refrain und gepitchte Mickey Mouse-Stimmen als Rahmenhandlung zwischen lässig flanierener Sonnenuntergangsmucke (La Mancha Screwjob) ebenso fragwürdige Geschmackssache bleiben, wie die flachen Mainstream-Baukastenelemente des mit entspannten Beats dahinplätschernden Melancholikers Happy Hour, die so auch auf der aktuellen Linkin Park-Hochglanz-Kurskorrektur One More Light nicht aufgefallen wären.
Aber gut – Rivers hat immer schonimmer ein verqueres Verständnis von Sommer, Strand, Nostalgie und dem ambivalenten Bedürfnis, kreative Ergüsse mit kommerzieller Relevanz aufwiegen zu wollen. In dieser Schnittmenge darf dann auch Pacific Daydream als neuerlicher Belastungstest verstanden werden.
Wobei grundsätzlich durchaus Entwarnung gegeben werden kann. Entgegen der Ankündigung, die die schlichtweg katastrophale Fremdschäm-Vorabsingle Feels Like Summer (der supernervige „Nanana„-Anheizer-Beginn findet billige Hip Hop-Motive, einen gefühlvoll schmachtenden Bennigton-würdigen Pre-Chorus und danach furchtbar viel durchsichtige Penetranz) in Aussicht stellte, steigt Pacific Daydream entlang seiner generell obskur-flachen Bubblegum-Lyrics (einmal mehr – Kudos, Cuomo!) und gefällig zugänglichen Beachpop-Strukturen mit einem latenten Hang zur Belanglosigkeit und einer umso hartnäckigeren Ohrwurmtauglichkeit im Gesamten keinesfalls in die Untiefen eines Raditude hinab.
Gerade im starken Mittelteil trumpfen Weezer sogar ziemlich effektiv auf. Das liebenswert trabende QB Blitz wächst als nachdenklich schunkelnde kleine Miniatur mit niedlicher Melodie und entspanntem Rhythmus bis zur großen Geste, behält sich aber seinen bodenständigen, unheimlich eingängigen Charakter. Sweet Mary zeigt dagegen einmal mehr, wie sehr Rivers Oldies und billiger Hype-Fließbandware verfallen ist. Hier fusioniert er diese Vorlieben wieder einmal sehr gelungen, weil die Schmissigkeit nicht auf Kosten der Substanz geht – am Ende darf sogar eine Gitarre braten.
Und das überragende Weekend Woman verneigt sich erst bei Time of the Season, um dann die Strophe von Burning Sun zu recyceln und mit lockerem 50s-Schung, Phil Spector-Girlband-Flair, Sherlock-SMS, sakral tanzendem Glockengebimmel und hämmerndem Brian Wilson-Harmoniegesang einen unbeschwert verträumten Hit basteln, dem man sich ganz ungeachtet der so polarisierenden Wirkung von Pacific Daydream kaum entziehen kann.
Wahrscheinlich braucht man selbst in dieser stärksten Phase der Platte ein gewisses Verständnis für ein an der Grenze zur Beliebigkeit vorschipperndes Pop-Geplänkel und unbeirrt ausgelotete Plattitüden, um mit jedem Durchgang doch immer mehr unverbindlichen Spaß an dieser wunderbar nebensächlichen, erstaunlich homogenen und bereitwillig begleitenden Songsammlung zu haben.
Letztendlich ertappt man sich insofern irgendwann sogar dabei, dass man sowohl die erst verhalten wahrgenommene Eingangsphase durchaus beschwingt abnickt. Mexican Fender bockt dort sein Hardrock-Riff trotz schwachem Verse erfolgreich zwischen Maladroit und Maladroit, findet dort Zuckerwatte, seichte Kinderlieder-Melodien sowie bittersüß bezaubernde Nerd-Romantik („She got a bachelor’s degree in physics and a job in computer programming/ That’s pretty cool for a singer in a band so I knew we would end up jamming“ – kurzes Klischee-Gegniddel – „Later that night we went to a gig and she asked for some advice/’What do you do with your hands when you’re singing, do you just hold onto the mic?‘„).
Und die sich rückwirkend als überraschend hartnäckig erwiesen habende Tribut-Bagatelle Beach Boys funktioniert nach und nach als seltsam offensichtlich aus dem Hinterhalt kommender Pop mit subtilen Rap-Tendenzen gerade auch wegen seiner debil zumindest ansatzweise auf den Punkt kommenden Texte immer besser: „Everyone wants to be cooler than everyone else/ It’s a hip hop world/ And we’re the furniture/…/ I’ve heard that before/ But I want to hear it over and over again„.
Gut, ganz so hoch ist das Suchtpotential diesmal freilich nicht. Obwohl man sogar den etwa medioker bleibenden Abgang des zu spät im Jahr kommenden Pacific Daydream um den stampfenden Singalong Get Right (mit seinem freundlichen Horizont und den lahmen Arena-Ambitionen) sowie den angenehm akustisch dahinplätschernden Feelgood-Melodiereigen Any Friend of Diane’s samt grinsenden Solo zumindest wohlwollend mitnimmt. Sieht man die Dinge lockerer und weniger verkrampft, ist plötzlich alles nur noch halb so wild; am Stük und im Kontext funktionieren die zehn Songs zudem deutlich besser, als auf sich selbst gestellt.
Selbst wenn man dieser optimistischen, leichtfüßig daherkommenden und betont happy zu Werke gehenden Platte seine rundum unvorteilhafte Saubermann-Produzentenwahl auch dann noch bedingungslos ankreiden muss, kann man an den kurzweiligen 35 Minuten dieses spontanen Intermezzos deswegen durchaus seine Freude haben – und Cuomo für seine Spinnereien diesmal zumindest nicht ernsthaft böse sein.
Dass Pacific Daydream aus dieser Diskrepanz in der Gunst ähnlich weit nach oben klettern wird, wie seine beiden direkten Vorgängerplatten, darf zwar bereits jetzt kategorisch ausgeschlossen werden. Im Umkehrschluss gelingt Weezer im unterhaltsamen Mittelfeld der eigenen Discografie jedoch eine ansprechendere Guilty Pleasure-Überbrückung zum schwarzen Album, als es auf den ersten Blick vielleicht scheinen mag.
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