Weezer – OK Human

von am 31. Januar 2021 in Album

Weezer – OK Human

Da hängt der Himmel voller Geigen: OK Human beweist (hinter einem erstaunlich flachen Radiohead-Karlauer im Titel aufgefahren) eindrucksvoll, dass Jake Sinclair Weezer mittlerweile so gut tut, wie wohl niemand sonst.

Nach der Powerpop-Basis-Revitalisierung mit dem weißen Album 2016 hat Sinclair schließlich gut daran getan, dem ohnedies niemals für trittunsicheren Unfug zu habenden Cuomo einen umgekehrt proportional verorteten Floh abseits der angestammten Komfort- und geschmacklosen Sehnsuchts-Zone einzureden: „Just you and a piano, and an orchestra, and it’s gonna be super-personal, quirky songs that only you could write, not worrying about commercial potential at all“.
Das Ergebnis ist eine praktisch ohne elektrische – und nur wenigen, kaum wahrnehmbaren akustischen – Gitarren auskommender Ausflug in kammermusikalische Gefilde, orchestral ausgeschmückt, „piano-based, very eccentric, with strings recorded at Abbey Road“. Weezer orientieren sich an Harry Nilsson und Randy Newman, an Brian Wilson und George Gershwin – was auch bedeutet: OK Human klingt insofern im Gegensatz zu Brian Bells Marktgeschrei keineswegs wie „nichts anderes da draußen“.

Es klingt aber stilistisch und ganz allgemein (trotz an sich absolut konventionell und auch generisch komponierter Arrangements als Bühne typischer Songs) wie das grundlegend interessanteste Weezer-Album seit der Renaissance zur Mitte des vergangenen Jahrzehnts. Auch, weil Sinclair sonst ebenso wieder die richtigen Schrauben hinter der Oberfläche nachsteht. Die Produktion konterkariert die kitschige Patina mit dem kraftvollen, satt zulangenden Hip Hop-Schlagzeug (alleine dieser Drum-Sound!) und erzeugt auch mit seinem Streichern und einigen Bläsern eine so absolut eindringlich in Beschlag nehmende Präsenz, als würden hier Riffs aufgefahren werden.
Nur der Mittelteil der Platte kommt dabei dann nichtsdestotrotz ein wenig zu tranig ins Schwimmen, plätschert am so wohligen wie latent seichten Schönklang vorbei, der niemals auch nur ansatzweise schwach ist, aber eben auch emotional keinen tatsächlich gravierenden Zugriff bekommt.
Numbers drosselt das eröffnende Tempo in die Melancholie, die für den Refrain zum Himmel strebend in sentimentaler Schönheit aufblühen darf, und das nach und nach zu repetitiv konstruierte Stück in Sachen opulentem Bombast wohldosiert ausbalanciert. Das pathetische My Piano ist dagegen eine geradezu progressiv schlängelnde Suite, die nicht zum Punkt findet, aber eine fast cartoonhafte Bond-haftigkeit zeigt – allerdings nur im Kontext funktioniert, um nicht vollends ziellos anzumuten. Mirror Image will dann auch nur als direkter Appendix der Nummer Sinn ergeben, hinterlässt für sich stehend ein bisschen ratlos. Ähnliches gilt für Dead Roses, das aber über seine mystische, märchenhafte Ausstrahlung auch so ansatzlos becirct.

Mit einer starken Eingangsphase (die auch vom Aha-Überraschungsmoment der Inszenierung profitiert) und einer überzeugenden Verabschiedung ist OK Human vor allem aber auch kohärenter als das unausgegoren am Pop scheiternde schwarze Album – essentieller und inspirierter als Teal sowieso – und wohl als Gesamtes auch konsistenter als das gerne unterschätzte Pacific Daydream, selbst wenn dessen herausragende Einzel-Sternstunden hier zugunsten eines individuelleren, vielleicht auch nachhaltigen Charakters nicht gänzlich erreicht werden.
Allerdings ist gleich das eröffnende All My Favorite Songs (übrigens der einzige Song, den Cuomo nicht im Alleingang verfasst hat) ein sofort hängen bleibender Ohrwurm mit flapsig-feierlicher Nerd-Majestät und das darauf folgende Aloo Gobi ein Hit, quasi eine direkte Übersetzung der bittersüßen weißen Schmissigkeit, obgleich einen Millimeter vom überwältigenden Geniestreich entfernt nicht in die Vollen gehend – auch Screens kann nicht ganz halten, was das Crescendo in Sachen Magie verspricht. Grapes Of Wrath zelebriert seinen smarten Groove allerdings ganz toll mit flanierenden Arrangements, die eine verspielte Romantik pflegen, und Bird With A Broken Wing träumt als wundervoll tröstend seine Wunden streichelnder Balsam, der im Cinemascope schwelgt, bevor La Brea Tar Pits eine unscheinbare Versöhnlichkeit zeigt, die in ihrer nicht überwälten wollenden Beinahe-Grandiosität so exemplarisch wie auch unbefriedigend ist. Was nicht nur negativ zu verstehen ist: Mehr als ein frustrierendes Momentum stellen derartige Szenen in (zweckoptimistische?) Aussicht, auf einer durchaus sehr schnell erfassten, abseits seines stilistischen Gewandes nur wenig Überraschungen bietenden Platte wohl Potential zum Wachstum über die kompakte Halbwertszeit hinaus bieten zu können.

Mit geschmeidigen Übergängen (noch so ein Kniff von Sinclair!) machen Songs wie das vom Quasi-Intro Everything Happens For A Reason eingeleitete Here Comes The Rain (ein liebenswertes Kleinod, das die Sonne fröhlich aufgehen lässt) allerdings auch Gedanken an die Langzeitwirkung so beschwingten, herrlich gelösten Spaß, dass es wie eine (neuerliche) Befreiung für Weezer anmutet: (abseits der patentierten Cuomo-Texte) unbekümmert und auch im besten Sinne gewichtlos.
Das zweitkürzeste Album nach Green (aber gleichzeitig erst das vierte mit über zehn Songs) irritiert mit der Leichtigkeit des Augenblicks im Rücken insofern höchstens aufgrund seines Veröffentlichungsdatums: Ein frühlingshaft auftauender, sich jubilierend aufschwingender und eventuell auch vergänglich verpuffender (mit Fanbrille zwischen den Punkten ob seiner erfrischenden Veranlagung aufgewerteter) Reigen wie OK Human hätte wohl besser zum nahenden Sommer gepasst, als die prolongierte (vor OK Human fertiggestellte, aber für die Hella Mega Tour seit einem Jahr auf der Bank sitzende) Hardrock-Breitseite Van Weezer. Wenn das schwerwiegendste Problem einer Platte von Cuomo und Co. allerdings ihr Releasedatum ist, bewegt man sich als Weezer-Fan (gerade – oder eher: obwohl – ein klasse Song wie Pacific Sunset im orchestralen Konzept nicht aufgehen wollte und deswegen wie auch Spell it Out kurzerhand aus der Trackliste flog) so oder so auf der sicheren Seite .

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  • Weezer - SZNZ: Spring - HeavyPop.at - […] Cosplay-Look zwischen OK Human (mit Gitarren anstelle der Streicher) und Pacific Daydream (ohne Geniestreiche, aber auch ohne […]

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