We Are Winter’s Blue And Radiant Children – „NO MORE APOCALYPSE FATHER“

by on 7. Oktober 2024 in Album

We Are Winter’s Blue And Radiant Children – „NO MORE APOCALYPSE FATHER“

Das kanadische (Mehr-oder-Minder-) Allstar-Quartett We Are Winter’s Blue And Radiant Children wärmt die kalte Jahreszeit auf „NO MORE APOCALYPSE FATHER“ mit ihrem mysteriösen Postrock und Ambientgaze.

We’re honoring that idea of winter, when you come inside and your house is warm, a place that only exists because of how cold it is Outside.“ erinnert sich Efrim Manuel Menuck (Godspeed You! Black Emperor, Thee Silver Mt. Zion) an den Grundgedanken, der ihn und (den 2024 ein vor starke Veröffentlichungen anhäufenden) Mat Ball (BIG|BRAVE) für ein Projekt zusammenführte, das sie mit den beiden ehemaligen Ada-Musikern Jonathan Downs (Rhubarb) und Patch One (Greef) von der ersten Idee zur vollständigen Band ausformulierten.
„I never know how I feel on an overcast day when the sun is still bright despite the grayness and the light is very flat. The colors become more saturated, and you see a single flower, say a morning glory, whose color is so vibrant beneath the gray, I don’t know if that’s a lovely sensation or a terrible sensation. It’s both.
Damit umfasst Menuck den Charakter einer von einem beruhigend wogenden Herzschlag durchzogenen Platte stimmungsvoll: „NO MORE APOCALYPSE FATHER“ hat etwas heimeliges, wärmendes an sich, beinahe wie eine Zuflucht inmitten der sonst so apokalyptischen Klangwelten des Kanadiers.

Was noch auffällt, gleich in Rats And Roses: Menucks Gesang ist seit Fuck Off Get Free We Pour Light on Everything vor zehn Jahren weitaus geschmeidiger geworden, deckt ein größeres Spektrum an Nuancen jenseits des Klagens ab. Er steht insofern auch verdient sicher (aber immer noch behutsam) vor dem famos produzierten, flächigen Raum erschaffenden Drone, der dahinter kristallin und dezent düster eine Art heroischen Retrofuturismus hoffnungsvoll über einen sanft pochenden Wellengang legt.
Tremble Pour Light macht dort weiter, beobachtet Aufnahmen unwirklicher Vögel auf seinem Weg in ruhige astrale Sphären, wo Menuck melancholisch temperiert seine Stimme kontrolliert, bedächtig erzählend. Auch in den Texturen ist die Ahnung von Gesang eingeflochten; das luzide Wandern in Zeitlupe passiert in neugieriger Lethargie als Trance der Geduld: jedes musikalische Element von We Are Winter’s Blue And Radiant Children ordnet sich „NO MORE APOCALYPSE FATHER“ unter. Umsorgend, aber außerhalb der gefälligen Wohlfühlzone. Der Titelsong agiert deswegen harscher bratzend, zeigt aber gleichzeitig ein melodisch eingeflochtenes Sehnen, das den Organismus verzweifelt anmutig durchzieht, erbauend aufgewühlt, und den Titel als feierlichen Singsang knapp anzubinden.

Dagegen schreitet Uncloudy Days geradezu hell durch eine friedliche Kathedrale, die an das ätherische Ghosteen im Optimismus denken lässt: „We’ll drown the four horsemen in the boiling seas/ We knew joy an love/ And uncloudy days/ We knew joy and love/ And uncloudy days.
In Dangling Blanket From A Balcony (White Phosphorous) schiebt sich der Drone dagegen wie ein langsam gleitendes UFO über die Landschaft: erst bedrohlichkeit, dann erstaunlich und funkelnd reinigend, fast verspielt klackernd, wobei die Begegnung der dritten Art vor allem durch seine subversive instrumentale Größe beeindruckend gerät.
(Goodnight) White Phosphorous taucht danach in einem Ambiente Meer als angenehme Hypnose über den Dingen, bevor eine Entität Menuck als Schatten am Ende an der Hand nimmt: „All our pretty lights wasted lights rise/ Herе comes the sea/ Twеnty stories tall/ Here comes my baby/ Good night/ Good night/ White Phosphorous/ Goodnight/ Falling lights“.
Und derweil das ideal getimt veröffentlichte „NO MORE APOCALYPSE FATHER“ auch als ausgleichende Balance zu „NO TITLE AS OF 13 FEBRUARY 2024 28 , 340 DEAD“ fabelhaft funktioniert, gelingt We Are Winter’s Blue And Radiant Children vor allem wirklich ein subversiv ergreifender Soundtrack für jene Zeit des Jahres, wo die Nächte länger und die Tage kälter werden. Mit einem Werk, dessen Synergie viel zu viel Potential freilegt, um es auf ein einmaliges Projekt beschränkt zu halten.

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