We All Go Back To Where We Belong: R.E.M.
Zehn Jahre ist es am heutigen 21.09.2021 tatsächlich bereits her, dass Sänger Michael Stipe, Gitarrist Peter Buck und Bassist Mike Mills die Trennung der (gemeinsam mit dem bereits 1997 ausgestiegenen, unersetzlich gebliebenen Schlagzeuger Bill Berry) 1980 in Athens, Georgia gegründeten Band R.E.M. bekannt gaben. Ein ideales Jubiläum für einen kurzen Rückblick auf eine nicht makellose, aber vor Meisterstücken strotzende Diskografie.
Eine Diskografie, deren 15 Alben sich gar nicht so einfach in eine unverrückbare Rangliste ordnen lassen wollen: Immer wieder verschieben sich die Favoriten, lernt man bisher verschmähte Nummern und Alben neu (oder überhaupt erst richtig ) zu schätzen, während sich all die Evergreens drumherum praktisch ohnedies nicht abnutzen wollen.
Weswegen dieses Ranking auch eher als (subjektive) Momentaufnahme und vor allem generelle Wertschätzung eines manchmal wankenden, aber letztendlich doch ausfallfreien Veröffentlichungskanons betrachtet werden soll, der im vergangenen Jahrzehnt (in denen sich Stipe, Buck und Mills veröffentlichungstechnisch ja weitestgehend rar gemacht haben) entlang der drei großen Phasen von R.E.M. (den IRS-Jahren, den Warner Bros-Megasellern und der Zeit nach dem Ausstieg von Berry) unzählige Minuten musikalischer Begleiter war.
15. Around the Sun
Veröffentlichungsjahr: 2004
Produzent: Pat McCarthy
Spielzeit: 55 Minuten
Worauf sich ein Gros der loyal gebliebenen Fanscharen subjektiv einigen zu können scheint, ist die Verortung von Around the Sun als Tiefpunk in der Geschichte von R.E.M. Was so im weitesten Sinne zwar wohl stimmt, doch hat nicht nur der Abstand und eine gewisse Altersmilde der Platte gut getan. Richtiger scheint mittlerweile also die Perspektive, es mit einem Album der verpassten Gelegenheiten und falschen Entscheidungen zu tun zu haben.
Produzent McCarthy versucht beispielsweise der Inszenierung den Sinn fürs Detail als Tugend mit auf den Weg zu geben, ist damit aber der gravierendste Teil des Problems, wenn die Songs viel zu gefällig und ja, auch langweilig plätschern. Symptomatisch funktionieren beinahe alle Stücke von Around the Sun dann im kantigeren Live-Outfit zwingender und besser, während sie in der Studioversion angenehm zu konsumieren, aber auch schnell wieder vergessen sind. Und während man sich fragt, was etwa Elbow aus dem Titelstück hätten machen können, lauern hier abseits der eröffnenden Single Leaving New York ohnedies einige Juwelen: das pluckernd beschwörende Electron Blue, Boy in the Well oder Aftermath – und natürlich die Hymne The Ascent of Man als einer der besten Songs der Bandgeschichte.
14. Green
Veröffentlichungsjahr: 1988
Produzent: Scott Litt
Spielzeit: 41 Minuten
Air Side / Metal Side
Das kompromissbereite Green hat damit zu kämpfen, nach dem regelrecht banalen Einstieg über Pop Song 89 im Verlauf nicht nur einige redundante Bagatellen zu beherbergen, sondern mit dem unsäglichen, so unendlich penetranten Stand auch einen der definitiv nervigsten R.E.M.-Songs aller Zeiten.
Sinnbildlicher für den Beginn der Warner Bros-Phase der Band ist aber, wenn ein The Wrong Child zwar als eigenwilliges Indie-Konstrukt beginnt und plötzlich doch einen berührenden, ebenso intimen wie massentauglichen Refrain auspackt, der auch im Stadion für heimelige Nähe sorgen kann.
Der Mainstream wirft sein Licht und seinen Schatten also bereits vorweg, doch sind auf diesem Übergangswerk mit Hits wie Orange Crush oder genial aus dem Ganzen aufzeigende Glanztaten wie You Are The Everything und World Leader Pretend ja auch einige Klassiker, die mit jedem Durchgang zu wachsen scheinen und sich durch ihre Größe in der Wahrnehmung ohnedies vor jeden mitgeschleppten Ballast oder Ausfall drängen.
13. Accelerate
Veröffentlichungsjahr: 2008
Produzent: Jacknife Lee
Spielzeit: 35 Minuten
Als gefühlt direkte Reaktion auf den zu müde klingenden Vorgänger nehmen R.E.M. ausgerechnet mit Jacknife Lee wieder an Schwung auf und servieren vor allem in der ersten Albumhälfte einige wirklich coole, herrlich kompakte Ohrwürmer wie die weniger Resonanz in den Charts erzeugenden Singles Living Well Is the Best Revenge und Supernatural Superserious.
Bevor der Platte vor seinem ambivalenten Finale mit dem starken Ventil Horse to Water und dem seine aufdringliche Hook überstrapazierenden I’m Gonna DJ in seiner zweiten Hälfte doch etwas die Luft ausgeht und die Nummern beiläufiger vorbeieilen, überzeugt jedoch auch der Mittelteil mit Hollow Man, Houston und dem Titelstück ansatzlos, weswegen es auch nur zum Teil zutrifft, dass Accelerate primär durch seine kurzweilige Attitüde funktioniert: Hier steckt schon ordentlich Substanz dahinter, auch wenn man das der nonchalante Elan der Message – das Trio kann und will noch rocken! – gar nicht so in den Fokus rücken will.
12. Collapse Into Now
Veröffentlichungsjahr: 2011
Produzent: Jacknife Lee
Spielzeit: 41 Minuten
X-Axis / Y-Axis
Mag sein, dass man das fünfzehnte und letzte Studioalbum der Band aufgrund seiner Position als Abschlußwerk emotional und nostalgisch ein wenig verklärt, doch nimmt Collapse Into Now die Frischzellenkur und Energie des drei Jahre alten Vorgängeralbums wirklich mit, übersetzt sie allerdings in variablere und individueller ausgelegte Einzelsongs. Ausgerechnet die ruhigeren Stücke wie Überlin oder Oh My Heart gelingen dabei so bestechend, ohne Kitsch oder Müdigkeit, wohingegen das Drumherum aus weitestgehend knackigen Rocksongs samt illustren Gästen einen würdigen Schlusspunkt für die Geschichte von R.E.M. ermöglicht, selbst wenn das große Hymnen-Aushängeschild im Gegensatz zu nahezu allen anderen Alben der Band fehlt.
Aber auch als Rückblick macht vieles hier Sinn – oder wie Stipe den Albumtitel erklärt: „It’s the final thing I sing, the last song on the record before the record goes into a coda and reprises the first song. In my head, it’s like I’m addressing a nine-year-old and I’m saying, ‚I come from a faraway place called the 20th century. And these are the values and these are the mistakes we’ve made and these are the triumphs. These are the things that we held in the highest esteem. These are the things to learn from.„
11. Out of Time
Veröffentlichungsjahr: 1991
Produzent: Scott Litt
Spielzeit: 44 Minuten
Zugegeben, es ist rational gesehen einfach nur unverdient, keineswegs fair oder eigentlich überhaupt zulässig, ein Album mit einem unsterblichen Jahrhundertsong (na, was wohl), soliden Killersingles (Near Wild Heaven) und grandiosen Fanfavoriten (Half the World Away und natürlich das überragende Country Feedback), wie Out of Time sie allesamt bietet, derart weit hinten in einem Ranking zu positionieren. Aber zum einen ist das eben die Crux, wennn sich die überragenden Langspieler die Klinke in die Hand geben und eine Selektion grundlegend schwer wird, und zum anderen dadurch bedingt, wenn eine Liste wie diese nicht nach rationalen Gesichtspunkten entsteht.
Insofern darf sich Out of Time eher rühmen nicht weiter hinten zu stehen – schließlich ist der Einstieg mit dem KRS-One-Gastspiel Radio Song nicht nur grotesk schlecht, sondern es soll mit dem unsagbaren Vorschlaghammer Shiny Happy People später auch der ätzende Moment folgen, der es absolut nachvollziehbar macht, sollte es einige wenige Menschen da draußen geben, die mit R.E.M. nichts anfangen können. Die Platte, die das Quartett in Superstar-Sphären katapulitieren sollte, ist mit relativ objektivem Blick freilich eine, für die andere Bands ihre Großmütter verkaufen würden, bedingungslos.
10. Fables of Reconstruction
Veröffentlichungsjahr: 1985
Produzent: Joe Boyd
Spielzeit: 40 Minuten
A Side / Another Side
Mit Objektivität ist das aber eben so eine Sache – und Fables of Reconstruction eine gefühlt immer und immer wieder ein wenig unter Wert verkaufte Platte, die sich in vielen Kreisen zum Geheimfavoriten der Indie-Auftaktphase des Quartetts gemausert hat.
Diese Ansicht ist absolut nachvollziehbar, muss aber trotz der eröffnenden Instant-Klassiker Feeling Gravitys Pull, Maps and Legends, Driver 8 sowie Life and How to Live It nicht notwendigerweise geteilt werden.
Warum? Es tauchen zwar im Verlauf von Fables of Reconstruction Impulse wie (sparsam eingesetzte) Bläser und Streicher auf, dazu kommt eine verträumter (auch bisweilen etwas zu verschlafen) wirkende Gangart, während R.E.M. einfach tun, was sie so verdammt gut können – dabei lässt sich aber nicht ignorieren, dass das das Material von den einfach noch besseren drei Alben drumherum ein klein wenig abgehängt wird.
09. Document
Veröffentlichungsjahr: 1987
Produzent: Scott Litt
Spielzeit: 40 Minuten
Page Side / Leaf Side
Es ist schwierig zu verorten, weswegen es trotz solcher Smasher wie It’s the End of the World as We Know It (And I Feel Fine) und herzerweichend erhebenden Schönheiten a la The One I Love schwerer sein kann, einen persönlichen Zugang zu dem eigentlich ausfallfreien Ganzen Document zu finden, als es gemeinhin der Fan-Fall zu sein scheint. Womöglich liegt es nur daran, dass man weite Teile der restlichen Diskografie emotional noch deutlicher aufgeladen hat?
Vorwürfe kann man dieser starken Songsammlung jedenfalls kaum machen: Wie sehr R.E.M. mit Produzent Scott Litt daran arbeiten, stilistisch nicht zu stagnieren, sondern in jeder Hinsicht zu wachsen, lässt sich vom breiteren Instrumentarium bis zum wandelbareren Songwriting in nahezu jedem Aspekt von Document nachhören. Das eigentlich tolle daran ist aber, dass dieser in Bewegung befindliche Kraftakt in dieser Ausganglage selten (aber eben doch immer wieder latent) so verkrampft oder angestrengt klingt, wie er es angesichts seiner Ambitionen könnte.
08. Lifes Rich Pageant
Veröffentlichungsjahr: 1986
Produzent: Don Gehman
Spielzeit: 38 Minuten
Dinner Side / Supper Side
Beginnen wir beim Negativen: Der schwächste Song des vierten Studioalbums ist nicht das von Mike Mills gesungene The Clique-Cover Superman, obwohl dieses gerade als Closer wenig gewinnbringend platziert etwas dünn geraten ist, und auch kompositionell nicht mit der drei Jahre nach ihrem Debüt schlicht beeindruckend konsistenten Qualität aus der Feder von R.E.M. selbst mithalten kann. Sondern Cuyahoga, dieser nicht und nicht mehr aus dem Schädel wollende Ohrwurm, der seinen fixen Platz im Kanon der zuverlässigsten Vertreter im Repertoire der Band schnell gefestigt hatte.
Drumherum purzeln hier allerdings über den College Rock hinausreichend starke Nummern wie das flotte These Days noch und nöcher aus dem Köcher, gar grandios. Zwei Stücke stehen dabei ikonisch über dem Rest: Das abgekämpfte Swan Swan H als trauriger Freudenschwofer und mehr noch Fall on Me, dieses hymnische Quasi-Duett von Stipe und Mills, das in seiner geordneten Zugänglichkeit auch den Weg zu all den noch folgen sollenden Massenmarkt-Singles ebnen sollte.
07. Reveal
Veröffentlichungsjahr: 2001
Produzent: Patrick McCarthy
Spielzeit: 54 Minuten
Chorus Side / Ring Side
In Rankings wie diesem scheint Reveal stets einen absolut unverdienten Platz im letzten Drittel der Reihung reserviert zu haben – ein Mysterium. Nach dem Daysleeper-Prequel The Lifting als Opener reihen sich mit dem pluckernd-orgelnden I’ve Been High, dem seine Hooks versprühenden All the Way to Reno (You’re Gonna Be a Star), dem sehnsüchtigen She Just Wants to Be, Beat a Drum oder dem anbetungswürdigen I’ll Take the Rain auf Reveal schließlich die Ohrwürmer in einer wunderbar homogenen Stafette aneinander, die R.E.M. in ihrer vielleicht pursten Pop-Form zeigen.
Vielleicht kam das zwölfte Studioalbum der Band (als subjektiver Geheimfavorit mit besonderem Platz im Herzen oft sogar die erste Wahl, wenn der spontane Griff ins Plattenregal erfolgt) in seiner sonnigen, luftigen, von Synthies und Effekten infizierten Form als Einstieg in den Sommer 2001 aber auch einfach zur richtigen Zeit, um fortan untrennbar mit einer melancholischen Form des hellen Optimismus verbunden zu sein. Und ein bisschen wird es sicher auch damit zu tun haben, dass Reveal mit Imitation of Life einen der zeitlosen Trademark-Übersongs der Band in der Auslage stehen hat.
06. Monster
Veröffentlichungsjahr: 1994
Produzent: Scott Litt
Spielzeit: 49 Minuten
C Side / D Side
Dass Strange Currencies es beinahe nicht auf Monster geschafft hätte, ist angesichts der schon nachvollziehbaren Besorgnis der Band, einen zu nahe an Everybody Hurts erdachten Song auf das Album nach dem Album zu nehmen, ja verständlich. Nicht aber, dass die dritte Single des neunten R.E.M.-Langspielers seitdem kein Best of, keine Greatest Hits-Compilation der Band beehrt hat. Immerhin sind diese knapp vier Minuten von Strange Currencies eine überwältigende, ewig strahlende Sternstunde.
Mag auf der mit mehr Glam und schimmernden Gitarren, mit Tributen an River Phoenix und Kurt Cobain versehenen Platte derweil das unkaputtbare What’s the Frequency, Kenneth? das klare Spotlight für sich reklamiert, muß allerdings auch einmal explizit unterstrichen werden, dass neben zwei solchen Monolithen erst einmal Platz für weitere Schmankerl wie I Don’t Sleep, I Dream oder Tongue gezaubert werden muß. Und ja, R.E.M. zaubern eben.
05. Reckoning
Veröffentlichungsjahr: 1984
Produzent: Don Dixon, Mitch Easter
Spielzeit: 39 Minuten
Side L / Side R
Die Frage, wie es nach einem nahezu perfekten Debütalbum weitergehen soll, klären R.E.M. knapp exakt auf den Tag genau ein Jahr nach Murmur mit ihrem triumphalen Zweitwerk File Under Water alias Reckoning – also einem (alleine schon vom thematischen Motiv her) feuchten, an Effektivität kaum zu überbietenden Traum für Freunde des Indie- und College Rock.
Dabei wäre es beinahe nicht zu dieser kompakten Prägnanz gekommen: 22 Songs hatte die Band ursprünglich wie im Rausch mit Neil Young-Intimus Elliot Maze aufgenommen. Buck liebäugelte gar mit dem Gedanken eines Doppelalbums, bevor man sich doch dazu entschied zu den Produzenten von Murmur, Dixon und Easter, zurückzukehren, und einen Destillationsprozess zu starten, der je nach Quelle in elf bis fünfundzzwanzig Tagen samt 18 stündigen Schichten im Kasten war – obwohl die Erfolge und Touren rund um den Erstling bereits ihren Tribut zu fordern begannen. Nummern wie Harborcoat, 7 Chinese Bros., So. Central Rain, Time After Time (Annelise) oder (Don’t Go Back To) Rockville definieren Mitte der 80 jedenfalls, was für viele Bands noch Jahrzehnte später als Gradmesser herhalten wird müssen und an manchen Tagen ist Reckoning gar eine der Vorgänger vom Treppchen kickende Angelegenheit.
04. Up
Veröffentlichungsjahr: 1998
Produzent: Pat McCarthy
Spielzeit: 65 Minuten
Up Side / Down Side
Das erste Album ohne Pensionist Bill Berry, der durch Sessionmusiker und eine Drummachine explizit nicht und niemals ersetzt werden kann und soll, ist eigentlich ein chaotischer Sauhaufen von Einzelsongs, ohne klarer Linie im zu langen Verlauf.
Es ermöglicht der Band durch den Verlust der vertrauten Komfortzone aber auch ein Sammelsurium an genialen Momenten: Suspicion, At My Most Beautiful, Sad Professor, Walk Unafraid, Falls to Climb und natürlich Daysleeper. Oder: Eine Platte, wie aus abseitigeren Deep Cuts gebaut, die in Summe einen erstaunlichen Grower ergeben.
Kein Wunder also, dass etwa die Kumpels von Radiohead das (übrigens von Nigel Godrich als Engineer mitbetreute) Werk in seiner experimentellen Rolle als Inspiration bezeichneten, wohingegen R.E.M. nie müde wurden zu betonen, dass das Material mit dem anfangs noch zugegen gewesenen Berry relativ gleich geklungen hätte.
03. New Adventures in Hi-Fi
Veröffentlichungsjahr: 1996
Produzent: Scott Litt
Spielzeit: 65 Minuten
The Hi Side / The Fi Side
Stichwort Radiohead: Von ihrer Monster-Vorband borgen sich R.E.M. die Studiozeit, um nach Berrys Kollaps in Folge eines Gehirnaneurysmas eine möglichst spontane und vielseitige Momentaufnahme ihres Status Quos gleich in den Tourpausen zu konservieren. Eine, die sich quasi unmittelbar als Klassiker in der Bandwahrnehmung festsetzt und auch nach außen hin oft als das letzte große Werk der Band gepriesen wird.
Das stimmt so zwar subjektiv nicht (ganz), doch ist es richtig, dass man ein Album, das mit How the West Was Won and Where It Got Us beginnt und knapp eine Stunde später mit Electrolite endet, eben wirklich kaum hoch genug einstufen kann. Zumindest macht es angesichts des reinen Volumens der Platte, ihrer Weitläufifkeit und Rastlosigkeit, einfach einen immensen, beinahe unberechenbaren Spaß, der szenischen Reise namens New Adventures in Hi-Fi zu folgen und dabei die Grenzen vermessende Highlights wie E-Bow the Letter, Leave, Be Mine oder So Fast, So Numb zu entdecken.
02. Murmur
Veröffentlichungsjahr: 1983
Produzent: Don Dixon, Mitch Easter
Spielzeit: 44 Minuten
Side One / Side Two
Hört man Liveaufnahmen aus der furiosen Frühphase von R.E.M., ist zwar klar, dass Murmur die immense, nein, wirklich unbändige Spielfreude der Band nicht restlos im Studio reproduzieren kann. Allerdings haben wir hier es im Grunde mit einem formvollendeten Debüt zu tun, voller Leidenschaft und jangelnder Melodie, kryptischen Inhalten und so unsagbar griffifer, schmissiger Hooks, dass ebenso mühelos dazu fähig ist, das Erbe von Gang of Four zu übersetzen (9-9) wie ergreifende Byrds-Balladen in den Nachthimmel zu projizieren Perfect Circle.
We Walk oder Radio Free Europe oder Talk About the Passion oder wie sie alle heißen – das ist allesamt Lehrbuchmaterial. Der Unterhaltungswert geht dabei Hand in Hand mit der Tiefenwirksamkeit, die Halbwertszeit bewegt sich in nicht abzunützbaren Sphären, die Murmur quasi aus dem Stand heraus zu einem ikonischen, stilprägenden Album von zeitloser Klasse und Referenzwürdigkeit werden ließen.
01. Automatic for the People
Veröffentlichungsjahr: 1992
Produzent: Scott Litt
Spielzeit: 49 Minuten
Drive side / Air Side
Dass Hits wie The Sidewinder Sleeps Tonight oder Man on the Moon nebst überlebensgroßen, tausende Male gehörten und immer wieder emotional aufwühlenden Jahrhunderstücken wie Everybody Hurts und Nightswimming nicht vollends die Sicht auf das Album nach dem Album, das R.E.M. zu Megastars gemacht hatte, nimmt, liegt auch daran, dass Automatic for the People trotz seiner überragenden Einzelstücke, die seit ihrem Erscheinen postwendend in das musikalische Allgemeingut der Spezies Mensch übergegangen sind, wie aus einem Guss geraten ist und dass dies in Summe das rundeste, in sich geschlossenste Werk der zweiten Bandphase darstellt.
Über diese Klassifikation und die allgemeine Konsensgravitation hinausgehend ist Automatic for the People eben wirklich das stimmungstechnische Meisterwerk, zu dem es überall gerne kultiviert wird, indem entlang einer universellen Melancholie von der Intimität des balladesken Midtempo-Grundtenors über die dunklen Texte bis zu den orchestral erhebenden Arrangements von John Paul Jones praktisch alles stimmt.
Und dennoch, so schwer fassbar es auch sein mag: Automatic for the People ist einer von vielen, vielleicht sogar der elementarste, aber sicher nicht der einzige Grund, weswegen R.E.M. unsterblich sind – was sicher auch für diese 12 Songs spricht, mehr noch aber für dieses vital gebliebene Denkmal von einer Diskografie.
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