Watter – This World
Über Watter zu schreiben, heißt natürlich auch das S-Wort zwangsläufig benutzen zu müssen – und das nicht zu Unrecht. Denn die Reputation, die die beteiligten Musiker durch ihre zahlreichen namhaften Arbeitgeber mitbringen gibt vielleicht die Ausrichtung von ‚This World‚ vor, steht einem der besten Instrumental/Postrock-Alben des Jahres aber nicht im Weg.
Ja, Watter gehen guten Gewissens als Supergroup durch. Weil Grails-Gitarrist Zak Riles mit Produzent und Multiinstrumentalist Tyler Trotter Slint-Schlagzeuger Britt Walford als Drummer für ihr Bandprojekt gewinnen konnten, und sich neben King Crimson-Bassist Tony Levin auf der Gästeliste von Rachel Grimes (Rachel’s) bis Todd Cook (The For Carnations) auch ein kleines Who is Who der 90er-Kentucky-Underground-Szene auf ‚This World‚ tummelt.
Einer Platte, die nun nicht nur genau nach den spätnächtlichen Jam-Session in Trotters Studio klingt, in der sie entstanden ist, sondern auch mit einer Versiertheit und Sicherheit ihren Weg geht, wie das vielleicht nur derart alten Hasen im Geschäft schaffen. Klar ist dabei, dass Riles‘ Songwriting die 6 Nummern maßgeblich geprägt hat – ‚This World‚ ist mit staubigen Westernmomenten, tranceartigen Orientalikausflügen und ätherischen Weltmusiksprengseln entlang von Baglama, Oud und Sequencern gar nicht so weit von der 2011er-Grails Großtat ‚Deep Politics‚ entfernt. Die Richtung, die Watter über schwerelose 47 Minuten einschlagen, geht dennoch in phasenverschoben ausgeprägte Klanglandschaften und Strukturen: hin zu gemeinsamen Idolen wie Popul Vuh, Can oder Soft Machine, zu ausdauernd angetriebenen Grooves und psychedelisch überbauten Postrock-Sonnenaufgängen im Zwielicht mit starker Kraut-Affinität.
‚Rustic Fog‚ schält seinen nebulösen, organischen Körper aus einer einem zurückgenommenen Entwurf aus E-Drums und pulsierenden Synthesizerfeldern, das Depeche Mode-Szenario fließt sachte über in eine Expedition nach transzendental schimmernden Melodien und majestätischer, zeitloser Anmut: würden Earth ohne Drone-Vergangenheit ähnlich klingen?
Das kurze, nostalgische ‚Lord I Want More‚ ist dagegen fingerpickender Fleet Foxes-Apalachen-Akustikgitarren-Folk in den zarte Pianoklänge einschmelzen, während ‚Bloody Monday‚ sich an einem weichen, haspelnden Marschrhythmus ausrichtet, eingangs Gesang-Samples aus anderen Zeiten heranzuziehen scheint, diese aber unmittelbar in eine erhabene Melodie aus Gitarre, Melodica und Violine in ein sonnendurchflutetes Keyboardmeer eintauchen lässt. Die kompakteren Stücke von ‚This World‚, sie sind die Felsen in der Brandung des aus einem Guss geformten Albumflusses, die unscheinbaren aber umso heller strahlenden Schönheiten der Platte und verbindende Elemente zwischen den beiden ausufernden Herzstücken ‚Small Business‚ und ‚Seawater‚.
Erster versteckt irgendwo die Stimme von Dane Waters, in den Landschaften, die eine so weitläufig streunenden Gitarre zeichnet. Der Song verdichtet sich in den folgenden 13 Minuten ohne sich auf genretypisches Songwriting und Spannungsbögen zu verlassen, bis zur Mitte hin ein Riffmonstrum ein Lärmfeuerwerk zündet und ‚This World‚ danach lange Zeit in Anspruch nimmt, den einzigen impulsiven Austicker wieder in ein oszillierendes Ruhekissen zu meditieren. ‚Seawater‚ beschwört hingegen Tablars und ambientes Kopfkino, die angenehm vollen Drums übernehmen die Grundierung, darüber treibt die selbe orientalische Mythik, die eben auch Grails oder die wie die Faust aufs dritte Auge passenden Tourkollegen OM artikulieren. Nach und nach schälen sich rockige Strukturen immer weiter nach vorne, indem Walford sein Spiel pointierter ins Zentrum schiebt. Der klimaxbelohnende Ausbruch, er folgt allerdings nicht. Stattdessen streichelt Rachel Grimes‘ Piano das Geschehen im Titelsong absolut behutsam zu Ende. Dass ‚This World‚ (Natürlich?) nicht an die besten Momente von Slint und Grails heranreicht spielt sich höchstens im hintersten Erinnerungswinkel ab: Watter entwerfen einem atmosphärischen Traum von einem Soundtrack für horizontlose Prärien und friedliche Wasserlandschaften kurz vor Morgengrauen, in den man sich verlieren kann.
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