Wanda – Niente

von am 17. Oktober 2017 in Album

Wanda – Niente

Wanda sind schlau genug, die bisher gefahrene Schiene ein wenig zu verlagern: Eine bittersüße Nostalgie unterwandert (und ersetzt gewissermaßen sogar) das Abonnement für patentiert süffig mitgröhlbare Nihilismus-Hymnen, wodurch die Wiener auf Niente luftiger, unverbindlicher und nüchterner als bisher klingen. Sehr fein so!

Irgendwo war spätestens nach der den Hype warm haltenden Livedokumentation [amazon_link id=“B01LXNXU02″ target=“_blank“ ]Amore Meine Stadt[/amazon_link] klar: Eine weitere auf Nummer sicher gehende (und nichtsdestotrotz/ gerade deswegen vollends überzeugende) Verwalterplatte wie das primär an seinem überragenden 2014er-Vorgänger Amore scheiternde Zweitwerk Bussi hätte es wahrlich kaum gebraucht.
Schon die klug gewählte (weil publicitywirksam mit alten Gepflogenheiten brechende) erste Single 0043 samt ihrer elegischen Gangart, den stilvollen Streichern, einem androgyn auf Kinderstimme gefistelten Falsett, sowie dem rührselig in Erinnerungen schwelgenden Text war insofern bereits der angekündigte Schritt in die richtige Richtung – den Niente nun generell fortführt. Allerdings ist der die stilistischen Umstrukturierungen in Richtung Nachdenklichkeit, Wehmut mit Vergangenheits-Romantik sanfter umsetzende, in weiche Synthie gebettete Ohrwurm Columbo ein charakteristischerer Herold für eine restliche Platte, die auf den Erstkontakt durchaus den durchwachsenen Eindruck erwecken kann, ein wenig zu fahrig und beliebig dahinzuplätschern. Dabei haben Wanda mit Niente einen entspannten Grower geschrieben, der gerade in seinen Gesamtfluss toll funktioniert und sich dabei grundsätzlich wieder auf ein starkes Songwriting verlassen kann.

Weiter, Weiter swingt locker shakend nach vorne, ein Cafe Kreisky schwelgt ohne Ballast, weil Wanda superb bluesige Classic Rock-Elemente in den Song ziehen. Wenn du schläfst ebnet den Weg für eine Reihe kompakter Züge zum Tor, und ist darüber hinaus vor allem ein hüftagilerer Appendix zu 0043 – weswegen sich auch der feine 1, 2, 3, 4-Symbiot Wenn du weißt, wo du herkommst durchaus gut im regulären Albumkontext gemacht hätte.
Schottenring zeichnet starke imaginative Bilder vor dem inneren Auge und ist auch ohne auflösenden kompositorischen Geniestreich als stacksender Rhythmusschellentanz wunderbar. Das Ende der Kindheit ist ein zurückgenommen beginnendes Akustik-Kleinod, das sich schunkelnd aufmacht, um sich immer eleganter in seine Arrangements zu legen. Gerade in diesem Bereich sind Wanda und Stammproduzent Gallister seit dem Debüt übrigens doch ein wenig gewachsen, sind vielseitiger und doch besser darin geworden, ihre Songs auszuschmücken. Nachzuhören auch in Ich Sterbe, das dank seiner (zwar arg konventionell ausgerichteten, aber durchaus effektiv bettenden) Streicher butterweich in der Selbstkasteiung aufgeht.
Noch besser ist da nur, wenn Einfacher Bua im relaxt twistenden Schlagergarten zum großen Refrain findet, um mit der Kippe im Maul leger zu flanieren, oder das überragende Lascia mi fare zur Italo-Hymne für das ausgelassene Dorffest mutiert. Melodien und Hooks, die können Wanda also auch ohne Vorschlaghammer-Mitgröhlgeste.

Und doch macht das Drittwerk der Wiener über seine wie im Flug vergehenden 42 Minuten nicht alles richtig. Das rockige Lieb Sein kommt etwa bis zu seinem smarten Leadgitarrenfinale als amorelose Fingerübung nicht über Bussi-B Seiten-Material hinaus; der polarisierende, irgendwo herrlich altmodische, dann aber zu substanzlos-theatralisch in seine tranigen Streicher gelegte Piano-Kräher Ein Letztes Wienerlied bleibt eine überhöhte Geste am Geduldsfaden.
Jedoch ist die Achillesferse der Platte in erster Linie die sich etwas zu gerne selbst zitierenden Lyrics. Eine sich wiederholende Nabelschau, die für Niente nicht identitätsstiftend wirkt, sondern vor allem penetrant nerven kann: Immer wieder finden sich gerade aus den Singles aufgewärmte Passagen im Textfluss des Albums wieder, erschöpfen sich uninspiriert in ihrer Rekapitulation. Ein Problem, das in weitaus weniger ärgerlichen Ausmaß freilich auch die beiden Vorgänger kannten.
Abseits davon ist Niente allerdings rundum der so wichtige Entwicklungsschritt für Wanda geworden; und Niente in diesem die Platte, die man sich insgeheim bereits als Nachfolger zu Amore gewünscht hätte. Gerade auch, indem die zwölf Stücke diesmal weitestgehend der Versuchung widerstehen, sich dem direkten Vergleich mit dem Klassiker-Material des Debüts auszusetzen. Mutmaßlich wird man in dieser Verortung rückblickend zum versöhnlichen Niente zurückkehren, wenn die Augenblicke verstrichen sind, in denen die beiden Vorgänger die Stimmung bereits angeheizt haben und den Moment ausgelassen feierten. Einstweilen aber vielleicht ohnedies noch wichtiger: Das latente Gefühl der aufdringlichen Übersättigung, dass der omnipräsenten Kombo unlängst noch anhing, lüftet Niente nonchalant durch.

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