Wanda – Amore
Wien als Nabel der Welt und der gar nicht so nostalgische Blick zurück auf alte Säulenheilige als stets zeitgemäßes Leitbild: Wanda bringen dem Austropop schrammelnden Indierock bei und betrachten dabei die Liebe elfmal durch den Boden leerer Schnapsflaschen.
„Ich kann sicher nicht mit meiner Cousine schlafen/ obwohl ich gerne würde/ aber ich trau mich nicht!“ sind da mal kompromisslose Eröffnungssätze, die die die Grundausrichtung des Debütalbums des Wiener Liedermacher-Quintetts konsequent vorgeben. In breitem Wiener Dialekt anrüchig und verwegen genölt gehören sie zu ‚Bologna‚, dieser Ode an die italienische Cousine, diesem Hit, dem das österreichische Formatradio so verdientermaßen aus der Hand frisst.
Die Chancen stehen dabei nicht schlecht, dass sich auch die folgenden elf Songs über die nächsten Monate mit viel Herzblut ins Rampenlicht drängen werden. Mehr noch: in seinen besten Momenten könnte ‚Amore‚ mit seiner südlichen Glut auch über den jährlichen Italienurlaub hinaus als Ausprägung unmodern-zeitgenössischen Austropops Zugang zur romantisch-grantig/grauen Volksseele finden, funktioniert ‚Amore‚ trotz aller Prägnanz doch einerseits genauso auf internationaler, universeller Ebene, wie es andererseits vor allem keinen Song in petto hat, der es ohne enorm charismatischen Ohrwurmcharakter machen würde – alleine die Vorboten ‚Auseinandergehen ist schwer‚ („Jedes mal stellst du deinen Kragen auf/aber jedes mal hauts ihn wieder zam/und jedesmal schwörst du deine Seele drauf/aber dieses Mal, dieses eine Mal ist was wahres dran„) und ‚Schickt mir die Post‚ klingen da, als hätten sie annähernd 30 Jahre am Buckel, aber kein graues Hadern-Haar am Kopf.
Das launige ‚Jelinek‚ schunkelt mit Herzen in den Augen, Streichern und aufgedrehten Verstärkern („so lange ich bei dir bin ist es Amore„), ‚Luzia‚ shuffelt sich selbst geißelnd mit viel Witz und noch mehr Energie durch den (generell!) großartigen Textreigen („Mein Glied unterwirft sich der diktatur deines Gliedes, Baby“). ‚Stehengelassene Weinflaschen‚ lehnt sich ätherisch zurück und deutet wie vieles hier den dahinterliegenden Exzess an, ‚Wenn ich zwanzig bin“ hat dann eine beängstigende Altersweißheit inhaliert. ‚Kairo Downtown‚ hätte wohl auch Falco Spaß gemacht, der Backgroundgesang in ‚Dass es uns überhaupt gegeben hat‚ sowieso , während das abschließende ‚Easy Baby‚ gleich zu Bowie schielt.
Marco Michael Wanda singt oft „Baby„, und er tut es immer anrüchig und mit souliger Hingabe, als hingen Leben an der Überzeugungsarbeit. ‚Amore‘, ohne wenn und aber eben, aber..Lieder über die Liebe zu schreiben heißt natürlich auch immer Lieder übers Saufen zu schreiben. „Ich sauf keinen Schnaps/ ich sauf einen Pistolenlauf“ singt der allgegenwärtige Jungmännerchor vor dem Thresen und R.E.M.-Indierock mit nonchalanter Bestimmtheit und weiß: „Sterben wirst du leider in Wien„. Großartig. Und im Falle des torkelnden ‚Ich will Schnaps‚: gar hymnenhaft. ‚Amore‚, du bist ein Taschenmesser.
Amore, Alkohol, Zigaretten, Lasterhaftigkeit und die Widrigkeiten des alltäglichen Lebens – das sind die ewig aktuellen Themen, an denen sich schon Ambros, Danzer und die anderen Großen des Austropop vor Jahrzehnten ergiebig abgearbeitet haben; Wanda tun es ihnen nach und schaffen es dennoch, das Potpourri so frisch zu servieren, als wäre all die gar nicht so unklugen Wirtshauspointen, der rotweinschwangere, sportliche Kneipencharme und die schmähstrotzenden Stammtischzünder alleine auf ihrem eigenen Mist gewachsen. Leisten kann sich das die Band, weil man mit dem unkomplizierten Händchen für kantige Melodien nicht vor den Vorbildern einknickt, sondern gleich mal ein neues Kapitel aufschlägt. Wenn Wanda nämlich immer wieder geschickt über den Tellerrand blicken, die Produktion wunderbar anachronistisch nach Zeitlosigkeit schreit, der Albumfluss sich dynamisch die Bälle zuspielt und immanente Präpotenz der Bundeshauptstadt hier etwas durch und durch sympathisches hat, dann ist ‚Amore‚ nicht nur ein Einstand nach Maß, der nicht nur in den Stunden nach Mitternacht den Soundtrack für legendäre Zusammenkünfte liefern sollte, sondern vielleicht sogar die Zukunft des Wienerliedes.
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