Vukari – Aevum

von am 1. November 2019 in Album

Vukari – Aevum

Vukari aus Chicago spielen auf ihrem (je nach Zählweise) dritten Studioalbum Aevum nicht ohne Erfolg dagegen an, im austauschbaren Einerlei des Atmospheric Black Metal unterzugehen.

Böse Zungen werden freilich behaupten, dass der Genre-Aufguss der Band ähnlich originell ist wie die Idee ein mutmaßliches Lewandowski-Imitat als Cover zu verwenden. Und tatsächlich meint man ähnlich veranlagte Genre-Kollegen schon hundertmal verdammt ähnlich agierend gehört zu haben. Doch selbst wo Vukari ohne nötige Individualität in ihren schwächsten Phasen in der Masse unterzugehen drohen, beherrschen sie dort das geforderte Einmaleins immer noch über dem stimmungsvollen Standard.
Immerhin etabliert gleich das furiose Abrasive Hallucinations (Reality Hemorrhaging) die technisch anstandslose Performance mit dringlich getriebenen Blastbeats und melodiesüchtig im Tremolo-Meer aufgehenden Gitarrenkaskaden, hymnischen Gesten und bösartigen Growls samt orchestral angedeuten Grundtönen. The True King is Death macht all dies später sogar noch besser und knallt dazu  ein infernal böses letztes Drittel hintennach. Nur Curiosity and Obsession ist insofern als viel zu gleichförmig gehaltener Ausbruch schlichtweg ermüdend, weil Vukari hier keinerlei Entwicklung pflegen.

Paradoxerweise sorgen jedoch nicht die weniger eindrucksvollen Momente für ein latentes Gefühl der Frustration im Verlauf von Aevum, sondern die immer wieder auftauchenden herausragende Szenen und Songwriting-Phasen, die die Platte mehr als nur über den Durchschnitt heben und vorzeigen, was eigentlich möglich hätte sein können.
Agnosia ist etwa erst ein Musterbeispiel an dynamischer Schubladenkunst im Stile von Wolves in the Throne Room, doch erst wenn einschüchternd-majestätische Bläser auffahren und das Tempo zu Behemoths The Satanist drosseln, zeigt der Song seine wahre Größe. Dass Vukari das Szenario hintennach trotzdem wieder zum epigonischen Black Metal revidieren ist deswegen einfach schade, weil unnötig.
Entire Worlds Encased in Ice kurbelt dagegen wie von der Tarantel gestochen in den Death und führt den durchaus gelungenen Albumfluss und übergeordneten Spannungsbogen vor, wo das Postrock-geschulte Voidwalker dagegen trotz aller vordergründiger Härte in einer melodischeren Erde voller Sehnsucht badet, dabei leider aber auch ein zu unverbindliches Gefügt bleibt, quasi in garstigerem Schönheit mäandernd. Disparity (The Great Works) öffnet sich mit einer traumwandelnden Melancholie den sphärischen Klängen von Alcest mit verzweifelt klarem Abgang und einer einnehmenden Symbiose aus Laut und Leise, wo die Atmosphärearbeit von Aevum generell stark ist.

Überhaupt tut die Hinwendung der Platte im letzten Drittel zu einer Post-Black Metallischen Ausrichtung und längeren instrumentalen Passagen einerseits gut, weil sie mit weniger Geschwindigkeit immer wieder eine majestätische Grandezza entwickelt. Andererseits dividiert sich das Songwriting in dieser Phase weniger gravierend auseinander und verschwimmt in einer kaum charakteristischen Stafette, die einfach einiger zusätzlicher interessanter Impulse benötigt hätte.
Der abschließende typisierte Epos Vacating Existence (The Final Departure), der von seiner fabelhaften, aufopferungsvollen ud imaginativ sinnierenden Gitarrenarbeit lebt, aber genau genommen auch zur komfortablen Nabelschau verkommt, in der man sich entweder verlieren kann, oder über die niemals restlos destillierten Höhen trotz der sauberen Produktion ärgert, steht insofern exemplarisch für die Aussichten, die Vukari andeuten, aber ohne wirklich überwältigenden Zwang nicht erreichen. Black Metal ist hier ohne Gefährlichkeit auch schöngeistige Wohlfühlzone – und das ist auch gut so. Ohne ein paar nachgestellte Schrauben an den Details fühlt sich Aevum deswegen trotz all seiner Klasse doch auch immer wie eine verschwendete Gelegenheit auf ein Ticket in die erste Reihe der Szene an.

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