Voodoo Jürgens – Wie die Nocht noch jung war
Spätestens jetzt Weltberühmt in Österreich: Voodoo Jürgens und seine Ansa Panier wachsen auf Wie die Nocht noch jung wor drei Jahre nach ’S klane Glücksspiel mit ihren Liedern vom Weitermachen und Leben, Tanzen und Sterben über den Austropop hinaus.
David Öllerer weiß genau, was er an seiner formidablen Ansa Panier hat: Er, der als Voodoo Jürgens eine so definierende Präsenz hat, kann es sich locker leisten, knapp 4 Minuten vor dem Ende seiner dritten Studioplatte die Bühne zu verlassen und das Rampenlicht ganz auf David Schweighart (Drums), Martin Dvoran (Bass), Bernd Lichtscheidl (Keys), Matthias Frey (Violine) und Alexander Kranabetter (Trompete, Horn) zu lenken, die da durch einen eigenwilligen Piraten-Endzeit-Fiebertraum von Lemony Snicket taumeln. Ist ja auch eine fabelhafte Gelegenheit sich in Erinnerung zu rufen, was für eine grandios arrangierte Platte Wie die Nacht noch jung wor bereits vor diesem Schlußpunkt ist – schon vom Opener Weida is gscheida, diesem gnadenlosen Ohrwurm, weg, wo die reduziert schwofende Strophe einem fast märchenhaft in der Eleganz eines breiten Instrumentariums (inklusive Backingchor) schimmernden Refrain den Weg gefühlvoll ebnet.
Alleine diesbezüglich ist Wie die Nacht noch jung wor die bisher sorgsamste, ausgearbeitetste und wohl auch beste Platte von Voodoo Jürgens und seiner Ansa Panier.
Dazu kommt eine etwas größere Bandbreite im typischen Spielwitz und patentierten MO, derweil man vom Songmaterial an unmittelbar abgeholt wird – wie die smooth groovende, mit orgelndem Hüftschwung daherkommende Vorabsingle Es geht ma ned ei auf der umarmenden Schere aus Realität und Herzschmerz als waschechter Hit ja bereits garantiert hat.
Vom flott shakender Twist mit kecken Bläsern samt frechen Rock’n’Roll-Verve und zackig-geschmeidiger Party-Stimmung ist es nicht weit zur verrückten Schausteller-Polka Hoiber Preis, die sicherlich auch Tom Waits gefallen wird. Die Dynamik pendelt mühelos von versifft erzähltem, sinistren Großstadt-Blues a la Lassalle Strossn, der mit abgedämpfter Stimmung und markanten Bläsern reduziert im Zynismus stampft, zum beschwingten Harmonika-schunkeln Zuckerbäcker und weiter zum jazzig-hibbeligen Panoptikum Beses End mit seinem annähernd darkfolkigen -Hintergrund, bevor Fost wie ans verschmust schreitend die locker shakenden Romance-Bläser hofiert und Loss mas bleibn angenehm resignierend plätschernd schippert.
Dass da einige hauseigene Instant-Klassiker ins Portfolio nachrücken ist jedenfalls eigentlich auch sofort klar – am deutlichsten aber bei dem herausragenden Doppel aus Federkleid (eine nostalgisch am Piano tänzelnde Winter-Tango-Ballade, die die Vergänglichkeit ebenso nonchalant wie rotweinschwer mit einer unter die Haut gehenden Melancholie betrachtet) und Stöckelschuach (das in der Tradition großer Vorgänger wie Ollas Nimma Deins steht).
Der Liedermacher Voodoo Jürgens begegnet all dieser Glamourösität des einfachen, gescheiterten Lebens stets mit scheinbarer Gleichgültigkeit, nimmt Schicksalsschläge hin und mit, putzt sich ab und schlendert weiter, genießt die wohlige Sentimentalität und lässt die Ansa Panier den Sound in die Breite tragen. Die Wirkung von Wie die Nocht noch jung war rein auf das hier uns jetzt zu beschränken wäre insofern zu kurz gegriffen – immerhin beschließt Voodoo Jürgens ein dank anderer heimischer Indie-Größen wie Wanda oder Bilderbuch sehr befriedigend befülltes Musikjahr 2022 mit zeitloser Eleganz.
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