VLMV – Sing With Abandon

von am 13. September 2022 in Album

VLMV – Sing With Abandon

Neoklassizistischer Postrock und Slowcore zwischen Sigur Rós, Last Days of April, Jenniferever und Múm: Pete Lambrou lässt mit Sing With Abandon ein weiteres Mal darüber Staunen, wie bezaubernd vertrauter Eklektizismus sein kann.

Die immer noch irgendwie als Codes In The Clouds-Nebenprojekt wahrgenommene Plattform VLMV wandert  auch im dritten Durchgang durch eine sich so unmittelbar heimelig anfühlende Fremde, pflegt den schöngeistigen Wohlklang mit einer angenehm universellen Empfindsamkeit, neugierig und beruhigend. Da nimmt schon There Are Mountains Underneath Us so behaglich in den Arm, schafft es, die eigentliche Ambivalenz aus Trost und Traurigkeit wie Seelenbalsam zu einem schwelgend funkeln Contrabassoon-Bläser-Elegien im Hintergrund, Lambrous Stimme – sanft, weich, hoch und klar; mit Anthony Green, Flood of Red, Agent Fresno oder Klimt 1918 als Referenzpunkte – wird flüsternd von Anja Madhvani und Claire Knox begleitet. Der verträumte Song pulsiert wie ein kontemplativer Herzschlag, schmiegt sich zurückhaltend in seine durch Cello und Violine orchestral anschwellende Anmut – und dämpft den Klimax auch zugunsten des Albumfluß ohne offenkundige Überwältigung ab, derweil Zeilen wie „You’re not an island/ But you’re survived by sea“ in der Magengrube poetisch nachhallen.

Der ambiente Score If You Could See Your Life in Reverse fungiert insofern beinahe als Interlude, aber auch als Stolperstein, der den so in sich geschlossenen Fluss der Platte erst etwas ausbremst – spätestens dann aber Sinn macht, weil For Empire (das pendelnd und oszilliert im Reverb geduldig das sinfonische Element  in choraler Sehnsucht hofiert) darauf folgend primär wieder den selben strukturierten Weg wie There Are Mountains Underneath Us aus bedächtig aufgebauter, nach oben strebenden, aber zu bescheiden für das Feuerwerk bleibender Attitüde nutzt.
Ein Schema, das  sich einschleift. Und bald ist Sing With Abandon im steten Wechsel aus Tracks mit Vocals und Instrumentals zu vorhersehbar sequenziert, zumal die gesanglich begleiteten Nummern eben immer derselben Struktur folgen.

Es ist aber schon auch einfach betörend, wie We Were Landed, We Were Landing Gently We Landed erst als Morgentau verführt bevor The Navigator am Klavier als Duett mit Madhvani so alleine Zuversicht und Wärme in der Finsternis findet: „I came to map the sun and stars/ But I can’t find them in the dark/ …/ I would live another life/ As soon as I am found myself“; wenn der Titelsong astral wummernd die Synths schimmern lässt und sich orchestral in die Brandung kuschelt, die so friedlich an den morgendlichen Strand meditiert, bevor Solus Ipse wundersam beruhigend im Halbschlaf moduliert die Streicher flimmern lässt, als würde man die Sonne von unter dem Meeresspiegel betrachten, derweil sich ein abgedämpfter Stroboskop-Beat andeutet, aber alsbald wieder als nautische Halluzination verschwindet.

Die letzten unbedingt packenden Meter, der überwältigende Höhepunkt evozieren würde, zu den will sich VLMV in all diesen Szenen nicht treiben lassen – und daran wird sich auch in weiterer Folge nichts ändern. Allerdings justiert Lambrou im letzten Drittel der Platte die Reihung des Materials spannender, auch instinktiver.
Dearfearhere bricht mit seinem gehauchten Gesang die Formel, erinnert mit den perlend im Delay gezupften Gitarren an Band of Horses im Äther, zu denen sich programmierte Beats konsequenzlos und kosmetisch gesellen. Das pianogetragene Instrumental Steady, Thyself hat eine malerisch erhebende Aufbruchstimmung und Our Corners (Reprise) entlässt den homogenen Bogen zu Stranded, Not Lost spannend so heimlich berührend ausklingend, als würde man eine Reise oder gar Lebensabschnitt verabschieden, denen man ohne exzessive Erlebnisse nur vermeintlich unscheinbar hinterherblickt, doch gerade auf lange Sicht nachhaltig aus der Erinnerung daran so viel Erfüllung schöpft. So spektakelfrei abseits jeder erschlagenden Begeisterung ist VLMV also wieder ein subversives und subtil den Bombast untertauchendes Werk gelungen, von dem man noch lange zehren können wird.

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