Violent Femmes – Hotel Last Resort

von am 6. August 2019 in Album

Violent Femmes – Hotel Last Resort

Gordon Gano reaktiviert den typischen Sound der Violent Femmes deutlich flotter als zuletzt einmal mehr als primär nostalgisches Vehikel. Das Songwriting von Hotel Last Resort plätschert dabei jedoch neben einigen erfreulichen Highlights für die Post-1991-Diskografie-Compilation munter zwischen belanglosen Eingängigkeiten und mühsamer Penetranz.

Die gute Nachricht: Man hat mit dem beinahe fatalen Opener Another Chorus praktisch bereits die ärgste Hürde geschafft, um durchaus Gefallen zu finden am zehnten Album der Amerikaner und ihrem patentierten, einmal mehr zweckdienlich verfolgten Trademarksound rund um den (hier und da wieder mit dezent-schwungvoller Horns of Dilemma-Bläserunterstützung aufgepeppten) Acoustic-Folk im punkigen Schwung.
In besagten Another Chorus schrammen und scheppern der den verhinderten Rapper gebende Gano und der dem Mammon als Triebfeder doch erlegene Bassist Brian Ritchie samt ihren Erfüllungsgehilfenjedenfalls postwendend im typisch quirligen MO dahin, der Refrain ist allerdings schon beim ersten Durchgang in seiner brachialen Eingängigkeit nicht mehr witzig, sondern so unfassbar nervig, dass es wehtut. Einen schwerwiegenderen Totalausfall hatte die Band selten zu bieten – er wird übrigens in der abschließenden Wertung hier die an sich zwischen den Punkten liegende Platte die Aufwertung kosten.
Dieser einleitende Tiefpunkt relativiert jedoch auch alles folgende, indem die Platte in ihrer catchy Gefälligkeit sowie dem assoziativ die Nostalgie zum eigenen unsterblichen ersten Album abschöpfenden Klanggewand danach besser wird – was zumindest im Vergleich zum bemühten Vorgänger We Can Do Anything nur in gewisser gewisser Weise stimmt: Hotel Last Resort ist tatsächlich schmissiger als das da und dort noch etwas verkrampftere Comeback vor drei Jahren, ohne jede Überraschung aber ansonsten stets grundsolide geraten – und in Summe damit sogar um das Quäntchen besser, als das rückblickend gerne schwächer als notwendig gemachte Reunionwerk.

Doch bleibt abseits der Erkenntnis, dass die Violent Femmes immer noch unbeirrbar ihr Ding entlang der bekannten Ästhetik und Ausstrahlung durchzuziehen versuchen, wenig gravierendes hängen. Songs wie das nette I Get What I Want oder das aufdringlich-unangenehme I’m Nothing sind pure Routine mit schwankender Qualitätsspannweite, mal besser, mal schwächer, immer kurzweilig, aber meist gleich wieder vergessen. Oft sind es eher die ausschmückenden Elemente, die die hauseigen-generischen Stücke überhaupt erst auseinanderdividierbar machen.
Das angenehm schwelgende Adam Was A Man etwa bekommt atmosphärische Hintergrund-Texturen und auch Not OK setzt wie beinahe jede Nummer auf kurze Backingvocal-Harmonien – doch spätestens bei This Free Ride hat sich der Gag mit den hochstimmig gesäuselten Begleit-„Uhuhuuus“ doch auch auserzählt.
Dann klingt das ohne erkennbaren übergreifenden Spannungsbogen auskommende Hotel Last Resort wie eine Aneinanderreihung sehr okayer Versionen alter Baukastenideen mit neuen, irgendwo ironisch gemeinten, oft ebar einfach nur plumpen Texten. Ein Reißbrett, dass es abseits des wieder nach oben gefahrenen Spielwitz mitunter auch ganz ohne den sich aufzwingenden Vergleich mit den ersten Alben schafft, an den eigenen Stärken zu kranken. Weil Hotel Last Resort am Stück doch wie ein rundum geschicktes Aufwärmen der Leidenschaft wirkt, nicht wie ein neuerliches Entfachen dieser: Der Spaß wirkt selten wirklich infektiös, aber phasenweise aufgesetzt und übersättigt, zu verbissen ausgelassen und demonstrativ unbeschwert. Letztendlich hört man die Platte eher wohlwollend nebenbei – und fährt gut damit.

Schwer zu sagen, ob da wirklich die Authentizität als Träger des Auftretens fehlt, oder einfach nur die kompositorische Substanz. Unter dem Strich sind es jedenfalls wie zuletzt einige wenige, und ausgerechnet die ruhigen Stücke, die das Album leicht über die Durchschnittlichkeit retten und die Zuneigung für die Band hochhalten.
Der Titelsong bekommt etwa durch den nicht wirklich effektiv eingesetzten Tom Verlaine eine subtile Eagles-Reminiszenz und Everlasting You konterkariert seine nach vorne klopfende Strenge mit viel melancholischem Weichspüler samt geduldigen Solo. I’m Not Gonna Cry – ein Cover von der griechischen Band Pyx Lax – bremst sich um ein Klarinetten-Gerüst mit entspannter Percussion und geisterhaften Harmonien zu einem still-sehnsüchtigen Kleinod aus, bevor der friedlich fliesende Minimalismus von Paris to Sleep sogar beinahe die Reife eines Nick Cave andeutet – freilich aber nur eine entsprechende Geste bleibt.
Symptomatisch für die Ambivalenz der Platte im Allgemeinen darf dann übrigens ihr Finale hergenommen werden. Sleepin‘ At The Meetin‘ hat dort an sich die nette Idee, erst schnipsend an der Hauswand zu lehnen und sich dann ohne Instrumentarium von den Stimmen der restlichen Gang unter die Arme greifen zu lassen, um zum Bordstein-Gospel zu mutieren – in Natura ist das allerdings ein anstrengender Gag. God Bless America fällt dagegen zuerst beinahe ermüdend aus dem Leim und hat dann plötzlich Ambitionen zum progressiven Breitband-Format zu wachsen – ohne letztendlich wirklich Gewicht zu erzeugen. Wie alles hier ist der Abgang der Violent Femmes deswegen mittlerweile nett und vertraut, phasenweise sogar wirklich gut, aber keineswegs essentiell.

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