Vince Staples – FM!
Mit dem kompromisslosen Kraftakt Summertime ’06 (2015) sowie der eklektisch-visionären Kreativparty Big Fish Theory (2017) hat Vince Staples sich als eines der heißesten Eisen an der Speerspitze des Rapgame positioniert. Mit FM! erlaubt er sich nun, diesen Status Quo für den Moment aber auch einfach zu ignorieren.
„I took time off from recording my next album to make a special project dedicated to my biggest fan and supporter since day one“ deklarierte Staples unmittelbar vor dem doch aus dem Nichts kommenden Release von FM! – und streut sich damit in erster Linie dezidiert selbst ganz unbescheiden Rosen.
Etwas subversiver möglich sollte aber auch die Interpretation sein, dass der 25 Jährige sich hiermit auch einfach allgemeiner vor dem prägenden Flair von LA, Kalifornien und der West Coast verneigt, eine Handvoll Kumpels aus er Nachbarschaft einlädt und kurzerhand das Programm Big Boy’s Neighborhood zum munteren Radio-Takeover entert und damit seine Rahmenhandlung findet – „No concepts, no elaborate schemes, just music“ stimmt so also nicht ganz, bringt die essentiellen Dinge aber doch auf den Punkt.
Deutlich offener bleibt jedoch die Deutungsfreiheit ob der Kategorisierung dieses Special Project: Offiziell als Album geführt, spielzeittechnisch aber klar näher an der EP verankert ist FM! tatsächlich in den Pausen der Arbeiten am Big Fish Theory–Nachfolger Poppy Fields entstanden und damit eher in den Fußstapfen der Kurzformat-Veröffentlichung Prima Donna von 2016 unterwegs: Eine spontane Interims-Geschichte, auf das Wesentliche konzentriert, entschlackte Intuition statt verkopft zerdachter Überbau.
Entsprechend dieser Umstände ist FM! allerdings auch eine erstaunlich schlüssige Fingerübung geworden, die als Übergangswerk betont unkompliziert zwischen Mixtape-Vergangenheit und den futuristischen Tendenzen von Big Fish Theory vermittelt: Die ravende Elektronik des Vorjahres wird ästhetisch einerseits noch aufgegriffen, doch der Fokus liegt dabei wieder auf klassischeren Beats und Rhythmen, smarte und gefällige Melodien, alles leicht verdaulich und schmissig von Shooting Star Kenny Beats als ehemalige Hälfte von Loudpvck mit wuchtiger Unmittelbarkeit abgeliefert, quasi anstrengungslos die Schnittmenge zwischen EDM, modernem Traditionalismus und zeitgeistaffinen Hiphy-und Trap-Motiven findend.
„Man, whatever day, vibe, month it is/ It just feels like summer“ gibt im locker-bouncenden Opener Feels Like Summer (mit leicht dystopisch kreisenden Norf Norf-Synthies und einem leidlich notwendig die Pop-Hook liefernden Ty Dolla Sign) die unangestrengte Stimmung von FM! (mit lyrisch hinterlistig lauernden Gefahr) insofern adäquat für verdammt kurzwellige 22 Minuten vor. Diese streben gar nicht erst das kreative und künstlerische Gewicht der bisherigen beiden Studioalben an, sondern cruisen demonstrativ aller Erwartungshaltungen davon, reiht eingängige Szenen in leicht konsumierbarer Form aneinander, straight und simpel, durch kleine „Live„-Kommentare und komödiantische Skits ohne Mehrwert ((562) 453-9382) verbunden, die zum geschmeidigen Flow grooven, auf absolut unterhaltsame Effizienz ausgerichtet kein Gramm Fett besitzen.
FM! zelebriert den betont frisch und unermüdlich seine Ideen durchwinkenden Spaß an der Sache, nimmt als durchatmender, auch betont unverbindlicher Befreiungsschlag Enttäuschungen in Kauf, revidiert diese aber mit fantastischen Momenten, die hinter der ausgelassenen Fassade eben auch ein wenig abgründigen Tiefgang zulassen.
Da pumpt etwa Outside! wie der charismatische Soundtrack zur Block Pary und wirkt der leicht diffus neben der Spur entschleunigte Trap von Don’t Get Chipped (mit einem grummeligen Jay Rock) psychedelisch düster, während Relay seinen Refrain mit rollendem R in den Gehörgängen festsetzt. New earlsweatshirt – natürlich mit dem wieder im Profigeschäft aufgetauchten Earl Sweatshirt – ist ebenso ein nur wenige Sekunden dauerndes, skizzeshaftes Interlude wie das gleichermaßen symptomatisch für die Platte Potential links liegen lassende Brand New Tyga – natürlich mit Tyga. Der leicht nervige Refrain des sedativ oszilierenden Run the Bands thematisiert dagegen Raubüberfälle in Long Beach und FUN! klärt sein Akronym ebenfalls wenig freundlich („Fun, we don’t wanna fuck up nothin‘„), bevor sich No Bleedin und Tweakin (ein ziemlich majestätisch knisternder und brutzelnder, freilich auch unbefriedigend, weil so gar nicht erschöpfender Abschluss mit einer betont leidenschaftllich zu schmachten versuchenden Kehlani) gleich komplett vor verstorbenen Freunden verneigen und den hittauglichen Ohwrwurmcharakter der Platte destillieren: Schneller zündende Songs hatte der Amerikaner bisher kaum – nachhaltigere und weniger flüchtige aber sehr wohl.
Ohne Ausfall im gesamten Verlauf wird FM! deswegen auch nicht die Platte sein, für die man sich im Vermächtnis des Vince Staples einmal als erstes erinnern wird. Aber sie könnte als unverkrampfte Momentaufnahme wohl gerade im Kontext der gesamten Diskografie dafür sorgen, dass das kommende Studioalbum (eben wohl Poppy Fields) den relativierenden Raum und die befreiende Unbeschwertheit bekommt, um diese Rolle Summertime ’06 und Big Fish Theory potentiell streitig machen zu können.
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