Vince Staples – Dark Times

by on 13. November 2024 in Album

Vince Staples – Dark Times

Vince Staples kehrt nach sechs Jahren für einen letzten Release zu Def Jam zurück, um mit Dark Times entspannt in sich zu gehen. Beweisen muss er dabei niemandem mehr etwas.

Das Understatement, das Staples auf seinem sechsten Studioalbum an den Tag legt, gleicht einer subversiven Machtdemonstration und verschiebt auch ein bisschen die Arbeitsweise des Kaliforniers: Waren die Werke seit seinem die Messlatte hoch setzenden Debüt Summertime ’06 vor knapp zehn Jahren immer Paradebeispiele für zeitgenössische Rap-Alben, ist Dark Times nun vor allem ein zeitloses Werk geworden. Fast puristisch auf Trap-Elemente oder Features verzichtend, zeigt es Staples reif, überlegt und smart ganz bei sich selbst angekommen, die eigene Handschrift wie aus einem Guss beherrschend.
Und es ist ein Epitaph für seine eigene Zeit bei Deaf Jam: „In memory of“ und „2014 – 2024“ steht im Inneren einer Platte geschrieben, die am Artwork hinter der Schwärze einen Galgen versteckt (und wahlweise trotzdem ein idealer Soundtrack für den Sommer sein kann!sein kann) und überall kleine Anspielungen auf die bisherige Karriere und den Werdegang von Staples parat hält.

Die primär von seinen alten Kumpels Michael Uzowuru, LeKen Taylor, Cardo, Jay Versace und Saint Mino getragene Produktion braucht dabei keine versteckten Gimmicks oder spektakulären Effekte, sondern setzt auf geschmeidige Beats, die vorne herum angenehm schmeichelnd anziehen, letztendlich aber durchdachter und nachhaltiger fesselnd sind, als es auf den ersten Blick scheinen mag.
Beispielsweise die Gitarrenlicks ganz weit hinter der funky Bassline in der Dunkelheit von Freeman oder die Bongo-Percussion auf den letzen Metern der Trance Justin im psychedelischen Schimmer, mit einem klar agierenden Vince, sind schöne Details, die kein Geheimnis aus ihrer Existenz machen. Dark Times spielt immer mit offenen Karten, hat keine Ausfälle und keine eklatanten Highlights, sondern ausschließlich variierende Lieblingssongs.

In den Nischen passiert viel, vor allem aber entwickelt die Platte einen brillanten Flow, der in Symbiose mit Staples‘ Skills eine enorm dichte Homogenität erzeugt. Das verliert nie an Spannung, ohne dafür demonstrative Impulse setzen zu müssen, während der 31 jährige Rapper den Tracks Gravitas und Präsenz verleiht, mit seinem so entspannt zurückgelehnten Stil schlaftrunken unaufgeregt an der Hand nimmt, wo kein Track zu lang oder zu kurz ausfällt.
Gut möglich, dass man das langweilig finden kann, wenn man Staples seit seinem letzten Def Jam-Album FM! (2018) aus den Augen verloren hat. Tatsächlich aber ist die regelrecht abgeklärte Mischung aus Nonchalance und Nachdenklichkeit, mit der Staples mittlerweile in dunklen Zeiten auf einer introspektiven Ader relaxt, auf eine hintergründige Weise enorm unterhaltsam.

Gerade die erste Hälfte der Platte besticht dabei mit ihrem organischen Zugang, klingt nach souligem Black Keys-Gerüst (Black&Blue sampelt Thee Sacred Souls und ist sich in seiner gelösten, beschwingten Melancholie sicher, dass die Hölle wartet) und forciert dabei mal die Klaviatur (Government Cheese) und mal die Gitarre (etwa im dängelnd stolpernden Children’s Song oder dem chilliger an die Melodik geführten, von Baby Rose gesanglich unterstützten Shame on the Devil) als Facette im Sound akzentuiert.
Mit Étouffée leitet Dark Times diesbezüglich einen heimlichen Paradigmenwechsel ein, macht den Sound synthetischer und die Inszenierung dafür lebendiger, derweil Ideen wie der hymnische Gemeinschafts-Schlafwagen-Chorus samt finaler Beat-Switch-Finte und Abenteuerlust die Fluss interessant halten, derweil  das Sequencing und Pacing über das Outro mit dem Interlude Liars Raum zum Durchatmen schaffen.

Radio tänzelt als Metapher und Nostalgie mit geschlossenen Augen zu Marvin Gaye, Nothing Matters klackert melancholisch durch die Lounge und nimmt eine Hook von Maddy Davis mit. Und bevor Why Won’t the Sun Come Out? als gesprochenes Outro Santigold ans Piano begleitet, stapft schon Little Homies ähnlich retrofuturistisch am Club vorbei, um sein Mantra als skandierte Parole zu finden: „Life hard but I go harder/ Streets cold but the road taught us/ Concrete where the rose blossom“ heißt es, wiewohl Vince sich später noch deutlicher vor Tupac verbeugt („Say, „Things get better“/ Everything gets better/ Hey, keep your head up“) und damit einen unerwarteten Optimismus in den proklamierten dunklen Zeiten findet.

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