Villagers – The Art Of Pretending To Swim
The Art of Pretending to Swim setzt nach der Quasi-Zäsur Where Have You Been All My Life? zur sanften Revolution im Hause Villagers an: Conor O’Brien bringt seinem liebenswerten Folk elektronische Produktionskniffe und genretechnische Wendungen bei.
„Fucking hell, his new album is amazing. He’s such a talented geezer“ erfuhr O’Brien unlängst den Ritterschlag durch Modfather Paul Weller, dem der Villagers-Boss das fantastische The Soul Searchers für dessen Jubiläumsalbum True Meanings auf den Leib geschrieben hatte.
Für das vierte Studioalbum seines Musikerkollektivs hat sich der Ire allerdings auch neun ähnlich wundervolle eigene Kleinode behalten, dessen Prägung der latente Soul und R&B von The Soul Searchers stilistisch bereits durchaus adäquat vorweggenommen hat, dabei aber verheimlichte, dass O’Brien zehn Jahre nach der Bandgründung die produktionstechnischen Vorzüge einer ausführlicheren elektronischen Produktion für sich entdeckt hat. Der akustisch geprägten Indie-Folk seiner Villagers wächst dadurch über bisherige Grenzen hinaus, mit einem permanent eleganten Schlagzeugspiel, feingliedrigen Fingerpicking sowie anmutigen Arrangements voller Tiefe und Distanzgefühl, was deswegen immer wieder auch wie eine sphärisch aus dem Bauch heraus kommende Symbiose Radiohead‘scher Einflüsse sowie früher The Antlers anmutet.
The Art Of Pretending To Swim ist dennoch kein radikaler Paradigmenwechsel im Sinne von Sufjan Stevens [amazon_link id=“B00469V1HM“ target=“_blank“ ]Age of Adz[/amazon_link], Bon Ivers [amazon_link id=“B01KEQVWJC“ target=“_blank“ ]22, A Million[/amazon_link] oder auch Lows jüngstem Geniestreich Double Negative. Viel eher mutiert der Charakter durch vornehmlich kleine Akzentuierungen in vertrauten Umgebung – verhuschte Störgeräusche und verfremdende Effekte da, eingestreute Samples und rhythmische prägnante Spielereien dort, leicht variiertes Songwriting und eben ein „moderneres“ Soundgewand bei viel alter Seele. Ein Austausch aus analoger Grundlage und digitalen Feinheiten also, der das angestammte Songwriting der Vorgänger Becoming a Jackal, {Awayland}, Darling Arithmetic oder auch des gerne unter seinem substanziellen Wert verkauften Where Have You Been All my Life? in subtilen Nuancen ausschmückt, ohne die typischen Verhaltensmuster der Villagers in der Elektronik untergehen zu lassen.
Im munter und flott die Leichtigkeit zelebrierenden Again schmiegt sich die Gitarre zur entspannt laufender Hi-Hat und einem zyklisch wiederkehrenden Sprachloop aus der Steckdose, einem perlenden Piano und sich den Hintergrund sanft aufteilenden Streichern und Synthiepluckern. Zur Hälfte nimmt der Opener einen retrofuturistischen Twist zum majestätischen Meer in majestätisch-Beck‘scher Dynamik, bewahrt sich aber seine Luftigkeit. A Trick of the Light belebt sein entschleunigtes Dösen mit einem herrlich funky marschierenden Basslauf und das rundum großartige Sweet Saviour findet seine Erlöserfigur mit jazzigen Rhythmus sowie mystisch auf- und abebbenden Subtext gewissermaßen in einer schmeichelweichen Verneigung vor Michael Jackson.
Der stacksenden Groove des geschmeidigen Long Time Waiting gibt sich dann Bläsern, modulierten Sequencern und polyrhythmisch-hypnotisierenden Kraut-Versatzstücken hin, bleibt aber zu kompakt, um wirklich radikal zu sein und steht damit sinnbildlich für O’Brien Bedürftiges, auch die Basis seiner Anhängerschaft nahtlos weiterhin zu erreichen – wie er auch generell zwischen den Zeilen über eine gewisse Nostalgie kommuniziert.
Fool flaniert also nonchalant durch eine maritime Zauberwelt: Ein verträumt- ätherischer Anachronismus – wie auch das hinter einem Schleier einer vagen Erinnerung zu passierende Love Came With All That It Brings, das melancholisch kleine Weisheiten wie „Love came with all that it brings/ Including the fact that it stings/ Like a motherfucker“ so bittersüß säuselnd, sich in bimmelnden Bläser und Retro-Sampling auflöst. Das repetitive Real Go-Getter stampft mit Samtpfoten als solides Bindemittel aus der Maschine, während sich Hold Me Down in eine märchenhafte Watte kuschelt, die im symphonischen Spektrum keinerlei harten Konturen kennt und Ada wie ein Ryley Walker‘scher Morgentau mit der Villagers-typischen Unverbindlichkeit über den Horizont streichelt.
Vielleicht fehlt der Platte der unbedingt herausragende Übersong, der mehr Gravitation erzeugen würde. Dennoch hat O’Brien seinem Gespür für stimmungsvolle Melodien, tolle Arrangements und hintersinnig feine Texte damit einen erfrischend revitalisierenden Rahmen verpasst, der auch durch das homogene Gesamtgefühl und den stimmigen Fluss (Ha!) von The Art Of Pretending To Swim überzeugt. Die detailliert texturierte Palette dieser Evolution ist es dann auch, die aufwiegt, dass das grundlegende Songwriting dabei nicht vollends die qualitative Klasse und emotional überwältigende Intensität der hauseigenen Messlatte Becoming a Jackal erreicht.
Man muss die Begeisterung von Paul Weller für The Art Of Pretending To Swim insofern auch nicht bedingungslos teilen, um anhand dieser eine makellose Diskografie berührend fortsetzender 42 Minuten ohne Einschränkungen zu verstehen, warum die Ikone auch ganz ungeniert deponiert: „I love him“.
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