Vildhjarta – Måsstaden Under Vatten
Land Unter Thall: Ein Jahrzehnt, nachdem Vildhjarta mit ihrem Debüt Måsstaden der Zeit voraus waren, beschwören die Schweden mit Måsstaden Under Vatten nun endlich einen Nachfolger – und transzendieren im Anachronismus.
Ganz allgemein ist die Wahrnehmung dieser Rückkehr nach praktisch einem Jahrzehnt Abwesenheit von einer Ambivalenz geprägt, die auch mit der herausfordernden Länge der Platte zu tun hat.
80 erschlagende Minuten zelebriert die Band aus Hudiksvall den mittlerweile wieder aus den Trends verschwundenen Djent, wiegt ihn mit Deathcore-Anleihen und Progressive Metal-Versatzstücken auf, und verweigert strukturell dabei praktisch jedwedes wiederkehrendes Motiv: Jede Ereignishorizont ist ein Möbiusband.
Das fesselt in seiner homogenen, bedingungslosen Konsequenz und hält mit viel Gewicht und Volumen gespannt an der Stange, plättet in der Sogwirkung eines unverrückbaren Kosmos, der dann aufgrund seiner leviathanartigen Formen auch immer wieder desorientierend verschlingt, wie ein willkürliches Mosaik aus monoton ausgewalzten Szenen anmutet. Das ist der faszinierende Charakter eines zähen Kraftaktes, dessen Umfang auch zur Wirkung gehört, und der keinen Hehl daraus macht, dass sich Måsstaden im direkten Vergleich (auch aufgrund der Besetzungswechsel) dynamischer und leichter zugänglich gegeben hat, mehr Luft zum Atmen ließ, als das massige Måsstaden Under Vatten, das in seiner Ganzheitlichkeit dafür noch kompromissloser auftritt.
Eine ästhetische Variabilität zeigt sich so höchstens in den nuancierten Facetten der Platte. Das brillante Toxin steht etwa mit einem Bein im Doom a la Primitive Man, serviert seine chunky Atonalität über die dekonstruiert-eingängige Gitarrenarbeit den walzenden Deathcore-Drums. Den helige anden (Under Vatten) agiert erst erstaunlich straight und verpflichtet sich dann der Dissonanz ebenso wie der Ahnung einer Melodie, und näher an die heroische Hymne als im Aushängeschild sunset sunrise werden Vildhjarta in diesem Leben wohl nicht mehr kommen, bevor sich sunset sunrise sunset sunrise Godspeed-Postrock-Gitarren als Schraffuren gönnt.
Der immanente Groove pflegt in phantom assassin eine frickelnd-schizoide Esoterik, bleibt dabei aber ein Puzzlestück des großen Ganzen, wie alles hier eigentlich nur im Kontext wirklich erfüllend funktionierend, dann aber als Katharsis konzentiert. Nur in När de du älskar kommer tillbaka från de döda ist für diese Veranlagung noch nicht jede Wendung organisch ausgearbeitet, gerade der im Verlauf sporadisch auftauchende Klargesang kommt wie in Kaos2 etwas zu wahllos, gelingt erst ab Passage noir schlüssiger, obwohl dort die Spannweite von barocker Theatralik bis zum Black Metal samt Goth-Stimmung existiert.
Als komplexer, fast erstickender Monolith der Stakkato-Salven und motorisch zähflüssig malmenden Dichte, der malträtierend heruntergestimmten Saiten und dem Stoizismus der polyrhythmisch-fantastischen Drums, reibt sich der Kontrast der Heaviness genüsslich ins Korsett geschmiegt jedoch vor allem auf subversiver Ebene und erzeugt eine Melancholie des düsteren, regelrecht verträumt schwelgenden Ambientes, dessen Atmosphäre sehnsüchtig mysteriöse Imaginationen atmet. Diese Ebene ist es dann auch, die Måsstaden Under Vatten ihre hypnotische Sogwirkung verleiht und zu einem fast instinktiven Erlebnis macht.
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