VIECH – VIECH
Im Heavypop-Wordrap vor wenigen Monaten haben die Grazer VIECH ihre eigene Musik noch nüchtern als “Schräge Popmusik mit deutschen Texten“ beschrieben, und das ist natürlich schon sehr richtig. Das Debutalbum präsentiert sich darüber hinaus als sympathischer Elektropop-Spielplatz auf dem sich die verschrobenen Poeten für keinen Blödsinn genieren (brauchen).
Name und Programm und so muss man ja nicht viel weiter breittreten. VIECH klingen so wie es der Name vermuten lässt, vielleicht aber nicht ganz so wie man erst denken mag. Schon auf der generös verschenkt bis gepimpten ‚Papiersackerl‚ EP des letzten Jahres wurde klar, dass man es beim Projekt von Paul Plut und Andreas Klinger mit einer Popmaschine einerseits, mit feinfühligen Dichtern mit Gespür für sanfte wie harte Töne, für offensichtliche Hitmelodien wie welchen, die mehr so hinten rum daherkommen andererseits zu tun hat. Im direkten Vergleich mit dem üppigen – nach wie vor gratis runterladbaren – Appetitanreger haben sich die VIECHer noch mal stärker auf ihre damals schon geschickt ausgespielten Trümpfe besinnt.
Vergleiche müssen da gar nicht mehr großartig gezogen werden, am ehesten wird dem Touch oberösterreichischer Neo-Volksmusiker, der dem ‚Papiersackerl‘ noch wie ein hauchdünner Schleier übergelegt war, der Beatbox-Affenzirkus am Beginn von ‚Herzknacker‚ gerecht. Sonst hat man seine eigene Nische in der Feinschmeckerabteilung der heimischen Indie-Szene gefunden, angenehmerweise wesentlich öfter leise als laut, immer aber raffiniert statt plump.
Die Single ‚Steuermann‚ ist ein Start in das Album, wie man ihn sich besser nicht hätte aussuchen können. Nicht das Gelächter am Beginn des klapprigen Pop-Kleinods ist ansteckend, die Pauken und Trompeten der sich hinten raus als Seeräuberstampfer gebenden Schunkelnummer, die unaufgeregten, Haiku-artigen Textkonstrukte, die sich so und so ähnlich über die gesamte Platte erstrecken sind es. Percussiongetrieben und durchgehend von raffinierten Melodien aus der scheinbar unerschöpflichen Instrumentenschatzkiste umgarnt geht es stetig voran auf ‚VIECH‚, gar nicht so heimliches Highlight sind aber die lyrischen Glanztaten an denen sich hier halsbrecherisch und leichtfüßig gleichzeitig von Song zu Song gehangelt wird. So viel Hörvegnügen an deutschen Texten hatte man zuletzt bei Element of Crime; wo ein Sven Regener sich dann und wann aber schonmal in observierender Schwelgerei verlieren kann, halten VIECH konstant den Aufmerksamkeitspegel durch Sprichwortschöpfung quasi am laufenden Band oben. Man weiß gar nicht ob man den kompletten Text des großartigen Finales ‚Du bist es längst‚ oder des melancholisch dahinstampfenden ‚Kirchentechno‚ im nächsten Stammbuch verewigen möchte. Was eh sinnlos wäre, denn so lakonisch wie die VIECHs mit ihren heiseren Raspelstimmen kann man das Ganze ohnehin nicht rüberbringen.
‚Traumtänzer Hirnwichser Rainbowbutt‚ ist so eine der Nummern, die nicht direkt mit dem Popappeal hausieren geht, wenn die Herzschmerznummer zündet, dann aber richtig. Slayer wünscht mir feierlich Death to Everyone, am Ende wird gebrüllt, das ist gleichzeitig kathartisch, macht Laune, und: im verschrobenen Ohrwurm ‚Hau dem Zirkus den Hut drauf‘ wird man sowieso von Schabernack, zauberhaftem Glockenspiel und einem Isaac Brock-Chor in die Arme genommen. Da ist etwaiger Kitsch auch wieder vergessen. Akkordeongetränkte Seemannseligkeit wird neben schwebendem Pianoklimpern und sich beinahe Shoegazeig verabschiedenden Gitarren in ‚Backenkrampf‚ wieder ausgepackt.
Am Ende hat man mit ‚VIECH‚ um die 35 Minuten äußerst stil- und gefühlvolle Piratenpopperlen an einem unschätzbar stabilen Faden aus im besten Sinne unösterreichischer Lyrik aufgefädelt. Bei sowas bringt auch Scheiben abschneiden nix, denn das kann man, oder eben nicht. Dazu wird an allen Ecken und Enden gepoltert, gefiept, geträllert, gegröhlt, kurz: Spaß gehabt, und gemacht. Also nicht auf einen Nachhilfekurs im Einmaleins der unpeinlichen Songtexte, sondern auf eine erfrischend clevere, in Maßen turbulente Kaperfahrt durch die nicht ganz so rauhe See des Beziehungsschnickschnacks gefasst machen, bitte.
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