Viagra Boys – Common Sense
Keine Erektionsprobleme bei den schwedischen Asseln der Viagra Boys: Common Sense verschreibt im EP-Format abermals einen dringlichen Schub aus hedonistischem Dancepunk, agiert aber mit einer introspektiver gesetzten Gangart.
Im Grunde machen die 14 Minuten dieses degeneriert-humorvollen, aber substantiell gehaltvollen Kurzformates (gewissermaßen anstelle der aktuell laufen sollenden, wegen der Corona-Pandemie jedoch abgesagten Tour) dort weiter, wo bereits die nachgereichte Deluxe Edition von Street Worms gezeigt hat, dass die Band eigentlich am besten ist, wenn sie ihren verinnerlichten Signature Sound variabler Richtung Postpunk und hypnotischen Krautrock ausbremst und auffächert.
Wo die EP Common Sense als Ganzes also generell weniger fiebrig und manisch getrieben auftritt, gibt es mit dem launigen Lick the Bag trotzdem eine geradezu klassisch nach vorne getriebene Trademarknummmer, eine How-to-Viagra Boys-Anleitung, der das pushende Kokain atemlos mit dem Schaum aus dem Mundwinkel tanzen lässt: Gitarren und Synthies fahren manisch konstant auf der flotten Überholspur, drängeln riskant skandierend und holen das Saxofon vorm gefakten Kinder-Call-and-Response-Finale mit seinem oszilierenden Wahnsinn an Bord.
Alleine diese – irgendwo zwischen pflichtbewusster Abgedrehtheit, catchy Dancefloor-Tauglichkeit und vorhersehbarem Baukasten platzierte – Nummer wird Fans das Blut in die richtigen Körperteile pumpen: Viagra Boys pflegen hier jene Vorzüge, für die Street Worms primär durch die Decke ging.
Doch finden sich die eigentlichen Highlights abseits eines live sicher gebührend gefeierten Crowdpleasers in den melodischeren, ruhigeren und entschleunigteren Momenten der Platte. Im Titelsong singt Sebastian Murphy zu kontemplativer pulsierenden Keyboardflächen aus den 80ern sowie dem abwartenden Rhytmus eine infektiöse Hook, und empfiehlt seine Band damit einmal mehr als Schulterschluß zu LCD Soundsystem, während die melancholische Ader der Nummer dezent erblüht und langsam verklingt: ein toller Einstieg, der auch ein idealer Schlußpunkt gewesen wäre wäre.
Sentinel Island lebt derweil vor allem von seinem exzellenten Groove, der sich geradezu subversiv niemals in den Vordergrund drängt, allerdings trotzdem eine zwingende Präsenz zeigt, der man sich nicht entziehen kann – die jazzigen Texturen sind die Krönung, die eigentlich nirgendwohin führende Jam-Struktur Mittel zum Zweck.
Das abschließende, leider zu kurze Blue beschließt Common Sense grandios als Downbeat-Fiebertraum im sedativen Delirium, das ansonsten nur King Krule fantasiert: Das Mehr an stimmungsvoll in Trance treibender Atmosphäre steht den Schweden einfach hervorragend und lässt eine Parade-Single wie Lick the Bag beinahe als motivierten Autopilot anmuten, der hinsichtlich des übergreifenden Spannungsbogens ein wenig unrund arrangiert aus dem Kontext eilt. Die 2018 noch herrschenden Sorgen, dass diese Band mit ihrem Debütalbum bereits alles relevante gesagt haben könnte, sind hiermit jedenfalls endgültig dahin.
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