Vektor – Terminal Redux
Fünf Jahre nach Outer Isolation hat David DiSanto Vektor nicht nur von Phoenix nach Philadelphia verlagert und die Arbeit an einem Studioalbum erstmals bei Null beginnen lassen, sondern katapultiert Terminal Redux nun gleich über alle Stränge schlagen lassend über den Thrash-Himmel hinweg in die Unendlichkeit des Alls.
„Sci Fi or Die“ prangert es tätowiert am Körper von Bandkopf DiSanto, zementiert es die Maxime seiner Band: Erschlagende 74 Minuten lang stürzen sich Vektor in das dem dritten Studioalbum zugrunde liegende Konzept um ein Weltraumregime und einen nach Unsterblichkeit strebenden, mineralienfindenden General, in bisweilen absurd weit ausholende Storybögen, die selbst Coheed & Cambria ins Schwitzen bringen können, wenn da die Cygnus-Tyranei ihre Fäden ausspannt. Von Rush bis The Mars Volta bediente sich schließlich schon so manche Proggröße an dem Science Fiction-Motiv. DiSanto reiht seine Band nun nahtlos in diese Riege, fordert und fordert, fasst die Hintergrundgeschichte aber etwa hier dann doch entgegenkommend zusammen.
Vektor lassen das Ideenfass von dieser Inspirationsquelle aus explodieren und zeichnen damit gleich ein feines Bild für Terminal Redux. Um es vorwegzunehmen: Man muss all die irrwitzig unaufhaltsam daherschießenden Storyaspekte hier ebensowenig sofort erfassen können, wie die unmenschlichen technischen Fähigkeiten des Quartetts um DiSanto und den kongenialen Shredderer Erik Nelson, Bass-Antreiber Frank Chin und den schier wahnsinnig gefinkelt spielenden Drummer Blake Anderson nachvollziehen; man kann sich aufgrund der eklektischen in die 70er und 80er verweisenden Referenzen unmittelbar abgeholt fühlen (nicht nur wegen der gemeinsamen Tour werden die Vergleiche mit Voivoid hiernach nicht verstummen!) und nach 10 schwindelerregender Songs dennoch überwältigt aus dem vorwärtsdenkendsten, expeditionsmutigsten und schlicht irrwitzigsten Thrash-Werk entlassen zu werden, dass das Genre permanent aus seiner Komfortzone treibt, dabei Grenzen auslotet und verschiebt, um neue Standards zu setzen.
Wo also anfangen? Bei der instrumentalen Virtuosität, die rasend schnelle Riffs im Sekundentakt entlädt und hyperventilierend melodische Gitarrensoli zum Niderknien darüberstreut, während sich die Rhythmusabteilung vor lauter Energie kaum einkriegen kann – und das beste daran dennoch ist, dass Terminal Redux aus der stärksten Bandkonstellation um Fixpunkt DiSanto zu keiner Sekunde zur affektiert wichsenden Tech-Demo verkommt, sondern all das Können immer mit soviel Unterhaltungswert und Spaß in den Dienst der Sache stellt. Der da eben das Songwriting an sich ist.
Vektor schlagen unzählige Haken, bescheren jeder Wendung noch einen Überraschungseffekt, und können jede Zuspitzung noch weiter auftürmen – was nach schier ungebremsten Over The Top-Maximen klingt, funktioniert hier aber so bestialisch mitreißend. Alleine der Opener 1 Charging the Void demonstriert mit nonchalanter Brillanz, wie unsagbar viele Ideen sich bei DiSanto angestaut haben und dass Vektor mittlerweile erst dort beginnen, wo andere Bands längst ihr Limit erreicht haben.
Auch am anderen Ende des gespannten Storybogens zelebriert Terminal Redux deswegen den Kreis schließend den hymnischen Sprung in die Epik, steigern sich mit manischer Akribie im Grande Finale hin zu jubilierenden Backgroundchören, beschwören einen Opus sondergleichen. Was dazwischen passiert, gleicht einem abgespaceten Husarenritt, der die Konkurrenz (und auch die hauseigene Discografie, obgleich es Outer Isolation doch verstanden hat, seine Vorzüge deutlich kompakter zu destillieren – soviel zum relativen Kritikpunkt an einer Platte, die in ihrem Mittelteil das gigantische Niveau nicht vollends halten kann) geradezu beschämend hinter sich lässt: Mountains Above the Sun schwelgt etwa in klassicher Instrumental-Harmonie,
Diese Space Opera nimmt eben keine Gefangenen, kurbelt unablässig an der Dynamik, ist schlau neben ihrer schier atemberaubenden Rasanz auch die nötigen Verschnaufpausen und Abwechslung im Klangbild zu gönnen. Denn eben: Was wäre das alles wert, wenn es keinen Spaß machen würde. Genau dies ist eben auch der Knackpunkt des wie im Flug vorbeirauschenden Terminal Redux – warum diese Platte so dermaßen zündet, im Sturm nimmt und süchtig machend entlässt: Der extrem hohe Unterhaltungswert drückt stets im roten Bereich alle Register nach oben.
Wo Vektor sich immer schon als so vitale wie traditionsbewusste und referenzoffene Impulsgeber für den Thrash anboten, ist ihr Drittwerk damit auch mehr als nur eine Frischzellenkur für das Genre geworden, sondern vielleicht sogar ein Ausblick in die Zukunft – sicher aber das Werk, an dem sich die umliegende Zunft bis auf weiteres messen lassen wird müssen.
So schwer es deswegen für den Moment auch sein mag hier die Euphorie im Zaum zu halten: Terminal Redux übertrifft die hohen Erwartungen mühelos und ist darf bereits jetzt anstandslos als Jahreshighlight und darüber hinausgehendes Meisterwerk durchgewunken werden. Ob man es hier nicht sogar gar mit einem modernen Klassiker des Metal zu tun hat, wird sich jedoch wohl erst weisen, wenn sich der wilde Weltraumstaub gelegt hat.
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