Vektor & Cryptosis – Transmissions Of Chaos
Vektor und Cryptosis proben auf Transmissions Of Chaos im Verbund den jeweiligen Neustart: Die Amerikaner nach knapp fünfjähriger Auszeit, die Niederländer nach dem Ende ihrer bisherigen Identität Distillator.
Nachdem nur Erik Nelson Bandkopf David DiSanto die Stange gehalten hat, gehören nun Drummer Mike Ohlson und Bassist Stephen Coon zur Vektor-Besetzung. Vor allem zweiterer darf auf dem seit Ende des Vorjahres bekannten Activate markanten Einsruck schinden, doch ist weniger der personelle Wechsel im Gefüge das auffällig, sondern die stilistische Mutation der Sci-Fi-Prog-Thrasher.
Wo Activate rein musikalisch ein weitestgehend typisch galoppierender Ritt der Band ist, ist das Songwriting trotz zahlreicher Riffs, Fills und Soli merklich straighter ausgefallen. Der Gesang von DiSanto ist nun aber erstaunlich klar und schnoddrig ausgelegt, weniger weniger aggressiv zwingend und wie ein Tribut an den James Hetfield der 80er ausgelegt – gewöhnungsbedürftig!
Allerdings funktioniert das nach ein bisschen Eingewöhnungszeit durchaus: Was auf den Erstkontakt wie ein relativ dünn produzierter, solider, aber auch zu generischer und einfach gestrickter Nachhall zu Terminal Redux wirkt, entpuppt sich als verdammter Ohrwurm, den man mit ein wenig Aufgeschlossenheit gar nicht mehr aus dem Kopf bekommen will.
Dead by Dawn ist danach sogar ein noch größerer WTF-Moment: eine melodische Ballade, die wie eine kontemplativ-psychedelisch entrückt pendelnde Interpretation von Radioheads No Surprises klingt und ignoriert, dass DiSanto einfach kein guter konventioneller Sänger ist. Sobald die Nummer jedoch aufs Gaspedal drückt, macht das allerdings ebenfalls Spaß, sofern man sich an diese neue Sprache der Band gewöhnen kann und will.
Und mal ganz im Ernst: was sollte nach dem imposanten Drittwerk, dieser nach wie vor eine zeitgenössische Messlatte für das Genre, auch schon kommen, als ein Paradigmenwechsel?
Cryptosis sind jedoch mutmaßlich eine gute Hausnummer, um das Momentum des aktuellen Szene-Status Quo zu vermessen: Das Debütalbum der zwischen 2013 und 2020 als Distillator firmierenden Band steht unmittelbar bevor, die beiden hier veröffentlichten Nummern machen in eine ähnliche Kerbe wie Vektor schlagend, wenngleich noch näher bei Voivod bleibend, als es das prominentere US-Zugpferd mittlerweile tut, jedenfalls sehr viel Bock auf mehr.
Decypher geht mit epischer Kante stets nach vorne, hungrig und gewitzt, voller packender Hooks und Melodien und Harmonien im tackernden Tech-Thrash, wohingegen Prospect of Immortality die Richtung korrigiert, sein Tempo drosselt und so böse wie geschmeidig einen unbedingten Groove erzeugt. Dazu kommen tolle Texturen, in deren Ambiente sich die Nummer lehnt. Bald nimmt die Sache an Fahrt auf, hat gewissermaßen ein fernöstliches Goth-Flair mit postrockigen Spannungsbögen, agiert aber dennoch knackig und auf den Punkt kommend, bevor Prospect of Immortality als synthschwerer Space-Trip verglüht. Wo Vektor die immensen Erwartungshaltungen also nicht restlos stemmen können/wollen, dafür aber erfolgreich mit der Ambivalenz überraschen, empfehlen sich Cryptosis aus dem Stand heraus für höheres – eine Abwertung gibt es jedoch dafür, dass die beiden Cryptosis-Tracks auf deren kommenden Langspieler Bionic Swarm recycelt werden und Transmissions Of Chaos somit rückblickend zumindest zur Hälfte redundant sein wird.
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