Vein – Old Data in a New Machine Vol. 1

von am 31. Juli 2020 in Compilation

Vein – Old Data in a New Machine Vol. 1

Vein – die sich hiermit offenbar ohne Brimborium in Vein.fm umbenannt haben – starten mit Old Data In A New Machine Vol. 1 eine Compilation-Serie, die sich bei ihrem Einstand aus einer Handvoll Neuaufnahmen, Remixes und alten Demos speist. Ein erstaunlich schlüssiges Sammelsurium!

Nach ihrem bockstarken 2018er-Debüt Errorzone wurde es abseits einer Audiotree-Session zumindest in hiesigen Breitengraden ja relativ ruhig um die chaotischen Hardcore-Anachronisten – neue Nebenschauplätze wie gerade Fleshwater verlangten Zeit und Aufmerksamkeit.
Auf welche Weise nun veröffentlichungstechnisch allerdings wieder Schwung in den vor zwei Jahren in absolute Euphorie versetzenden Laden kommt, kann dann ungehört (angesichts des inhaltlich zerschossenen Sammelsuriums, das alleine durch die in drei Segmente aufgeteilte Setlist von Old Data In A New Machine Vol. 1 thematisch entblößt wird) schon mal den Eindruck einer Verlegenheitslösung, einer rein quantitativ motivierten Überbrückungsplatte zwischen zwei richtigen Studiowerken, erwecken. Doch Vein – nein, Vein.fm! – versprechen: „Das hier ist kein Album, sondern eine Remix-Platte wie keine andere, die ihr je gehört habt.
Gerade für eine Band, die ihren Sound ohnedies vielmehr wie einen eklektischen Sprengsatz interpretiert, funktioniert das fragmentarische Konzept dieses ersten Teils einer offenbar fortgesetzt werden sollenden Serie dann auch wirklich bestechend – und: essentiell.

Old Data In A New Machine Vol. 1 fühlt sich weniger wie eine Compilation, als vielmehr wie ein kohärenter Trabant zu Errorzone an. Und das, obwohl mit broken glass (nightstalker mix), paincanbetrusted (rough mix), virus://vibrance (3 wheel mix) und doomtech (crooked jaw mix) gleich vier fette Breakbeat-Remixe im Zentrum der Platte stehen, die den Jungle knietief in die Mode der 90er treiben: Vein.fm ordnen das Ausgangsmaterial in kompromissloser Elektronik-Konsequenz neu, lassen den ursprünglichen Mathcore digital zerhakt und mit finsteren Synthies um-arrangiert im Stroboskop-Irrsinn aufgeputscht tanzen, mit hektischen Drum and Bass-tauglichen Rhythmen, fies auseinander genommenen und neu zusammen gesetzten grätschenden Gitarrenbruchstücken, dazu bleiben harsch eingeworfen Vocals.
In dieser Konsequenz mag das Neuland sein (das man so für sich außerhalb des Rausches in der hier versammelten Form separat wohl eher selten konsumieren wird), verbiegen müssen die seit jeher auch mit digitaler Verfremdung liebäugelnden Vein ihren Sound gefühlt aber kaum, nicht einmal unbedingt den Aggressionpegel hinabfahren – zudem nehmen sie hier immerhin auch Fäden ergiebig auf, die der Einstieg von Virus://Vibrance bereits als Red Herring in Errorzone platzen ließ.

Zudem spannt sich ästhetisch ein Bogen zum hier eröffnenden 20 seconds: 20 hours, das insgeheim eine entschleunigte Neu-Interpretation von Untitled im rostigen Electroacoustic-Gewand samt cleanen Vocals darstellt, tatsächlich aber durch seinen Beat aus dem Computer und die shoegazend-atmosphärische Nähe zu Fleshwater ästhetisch sogar am ehesten an die Deftones in Phasen wie Teenager oder der Be Quiet and Drive (Far Away)-Acoustic-Kontemplation schielt.
In diesem Kontext ist die Distanz zu den konventionelleren Songs dann auch verschwindend gering, wenn die Klammer aus neu eingespielten Nummern und alten Demos aus dem Archiv nahtlos greift. Interessanter sind dabei sicher ripple+, heretic+ und TR+ – allesamt neue Perspektiven auf Songs der Terrors Realm-Ep von 2015, die im Grunde weniger radikale Änderungen vornehmen, als fünf Jahre alte Stücke nach neuen (produktionstechnischen) Möglichkeiten zu adaptieren. Gerade heretic+ bekommt im direkten Vergleich zum Original allerdings ein herrlich psychotisch überspitzt-fauchendes Husarenritt-Finale.
Dass sich old data in a dead machine, quitting infinity und untitled – diesmal in seiner harschen, rohen Urversion – in unveränderter Form den Abgang bestreiten, wird vor allem zu spät gekommene Archivare freuen – immerhin ist die Quelle in Form der 2016er Demo weitestgehend versiegt, Komplettisten und ihre Geldbörsen dürfen also aufatmen.
Trotzdem ist Old Data In A New Machine Vol. 1 weniger ein Blick in den Rückspiegel, als ein Versprechen an die weitere Zukunft von Vein.fm: Mit welcher Kohärenz die Band hier die Spannweite ihrer explosiven Stil-Collage erweitert, macht die Wartezeit auf den bald kommen sollenden Errorzone-Nachfolger nur noch eindringlicher.

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