Various Artists – Twisters: The Album
Der Soundtrack zum Action-Reboot Twisters gibt einen guten Überblick über einzelnen Höhen, zahlreichen Tiefen und das oftmals einfach austauschbar durchschnittliche Niveau des US Contemporary/ Bro-Country Pop/Rock-Mainstream-Business.
Ein guter Teil der Twisters-Songsammlung spielt sich im relativ generischen Mittelmaß des Genre-Marktes ab, tut niemandem weh und läuft gefällig nebenbei.
Das eröffnende Ain’t No Love in Oklahoma steht so (als bluesig schleppender, kräftiger 08/15-Country Rock für die Stadion-Massen) beispielsweise ebenso solide für sich selbst wie für die gesamte Compilation sowie das debile Publicity-Gastspiel des Film-Casts bei Luke Combs auf der Bühne, wo Steal My Thunder (Conner Smith mit Tucker Wetmore) flotter oder The Cards I’ve Been Dealt (Warren Zeiders) später düsterer beschwingt agieren – das nimmt sich alles nicht viel, findet barrierefrei mit konservativer Vorhersehbarkeit ins Ohr, erfolgreich darauf ausgelegt, dem Zielpublikum marktgerecht zu gefallen.
Doch dass selbst ein Death Wish Love mit seiner stampfenden Post-Mumford-Stangenware dabei überzeugender agiert, als es TikTok-Liebling Benson Boone auf seinem grotesk gleichförmigen Debüt tut, zeigt jedoch auch, dass Twisters kein reiner Marketing-Gag im Autopilot ist. Tear Us Apart unterstreicht nach seiner ersten EP 2023 ebenfalls eindrucksvoll die Aussicht darauf, dass Sam Barber ein zukünftiger Megastar der Szene werden könnte und Mason Ramsey gibt mit der Honky Tonk-Tanzfläche Shake Shake (All Night Long) den braven Rockabilly mit eindimensionaler Agenda, ohne etwas besonders einfallsreich oder falsch zu machen.
Die Lowlights der Compilation wirken dagegen in ihrer durchsichtigen Plakativität beinahe wie Satire – nach Feelin‘ Country (ein Klischee von Thomas Rhett mit schrottigem Text) greifen einige Vertreter unangenehm grottig ins Klo und blähen den negativen Beigeschmack von Twisters unnötig auf.
Hell or High Water hat so zwar nicht die Bürde einen derart skurrilen Artworks zu tragen wie die Songs von Bailey Zimmermans erstem Studioalbum, kommt aber dennoch nicht über den typisch melodramatischen Herzschmerz-Schmalz hinaus, derweil Dead End Road klingt, als würde sich ein bemühter Metallica-Fan in einer klischeehaft sterilen Americana-Bar zum Hardrock-Affen machen (weswegen Leave the Light On, das inbrünstig dick auftragende Duett mit Alexandra Kay, unangenehmerweise auch der bessere der beiden Jelly Roll-Songs ist). Tucker Wetmores Stimme kann auch wie gemacht für unterdurschnittliche Massenware zwischen Kid Rock und Morgan Wallen sein, weswegen sich Already Had It auch in entsprechenden Untiefen suhlt, während Shania Twain und Breland im stampfenden Plastik Boots Don’t eine Art AI-Recycling von I Love Rock’n’Roll zelebrieren.
Kane Brown zeigt im catchy Glatteis Country Classic alles auf, was am Pop-Ausleger der Country-Charts penetrant-flach sein kann – Tanner Adell gelingt die Sache im noch hartnäckiger aus dem Baukasten programmierten Hit-Ohrwurm Too Easy aufgrund der polarisierenden Hartnäckigkeit dagegen schon fast clubtauglich konsequent und deswegen zwingender, leidet dafür aber im Verlauf der Compilation komplett deplatziert zusätzlich unter dem Drumherum toll stattfindenden Red Dirt-Schaulaufen: die Kooperation Before I Do von Wyatt Flores und Jake Kohn röhrt vielleicht etwas zu demonstrativ, bleibt jedoch authentisch raubeinig, wo The Red Clay Strays mit Caddo County funky ansetzen und Blackberry Wine (Tanner Usrey) kompakter rocken.
Letztendlich überrascht es entlang solcher flächendeckenden Übergänge starker Nummern dann sogar irgendwann gar nicht mehr, mit wie vielen gelungenen Beiträgen Twisters über rund eineinhalb Stunden immer wieder aufzeigt.
Miranda Lambert schreitet in Ain’t in Kansas Anymore mit Fidel stompend zur Folk-Feierlichkeit und Megan Moroney bewegt sich mit Never Left Me gefühlvoll auf Augenhöhe ihrer zwei Studioalben (auch wenn ihre klasse Stimme auch hier in einer latent zu beliebigen Komposition nicht völlig überwältigen kann). Out of Oklahoma (von Lainey Wilson) ist ruhig und angenehm, Tyler Halversen läuft mit New Loop in der betörenden Schnittstelle aus melancholischer Aufbruchstimmung und wehmütigem Optimismus dahin. Das schmissige Stronger Than a Storm (Dylan Gossett) stampft mit Banjo höchstens ein wenig zu sauber geschliffen und auch das düster am Chain Gang pulsierende Touchdown (Flatland Cavalry) wäre mit einer dreckigeren Produktion interessanter geworden – dass Lanie Gardner für Chasing the Wind eine am 80er-Synthpop ausgerichtete Ästhetik wählt, sticht hingegen hervor.
Nolan Taylor gelingt mit Driving You Home eine berührende Intimität und das Trio Wilderado, Ken Pomeroy und James McAlister nähert sich mit Wall of Death erfolgreich Big Thief an.
Die üblichen Verdächtigen liefern sowieso ab: Charley Crockett hat sich mit (Ghost) Riders in the Sky einen Klassiker ohne störenden Innovationsgeist zu Eigen gemacht und Leon Bridges mit relaxtem Beat und entspannt sommerlichem Vibe für Chrome Cowgirl merklich von der Zusammenarbeiten mit Khruangbin gelernt, nachdem Song While You’re Away die smoothe Romantik einer Klavierballade schön wiegend ins Breitbandformat zieht – endlich gibt es eine Studioversion des Live-Lieblings von Tyler Childers!
Mag die Compilation Twisters also in ihrer gesamten Summe und qualitativen Schwankungsbreite so auch primär als repräsentative Zustands-Ansicht über den aktuelle Country-Markt darstellen, destilliert sich ihr Mehrwert eigentlich doch erst über einen selektiven Konsum des Materials.
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