Various Artists – Tiny Changes: A Celebration of Frightened Rabbit’s ‘The Midnight Organ Fight’
Was als Feierlichkeit zum zehnjährigen Jubiläums des wahlweise besten Albums der Schotten gedacht war, hat durch den Selbstmord von Scott Hutchison im März 2018 eine tragische, traurige Schlagseite bekommen: Tiny Changes: A Celebration of Frightened Rabbit’s ‘The Midnight Organ Fight’ wirkt nun wie ein posthumer Tribut.
Dabei war die von Wegbegleitern und Freunden gespeiste Compilation an sich eigentlich bereits fertiggestellt, als Hutchison seinem Leben im Alter von 36 Jahren ein Ende setzte.
Seine Lieblingsinterpretation der mitunter äußerst namhaften Beiträge von Tiny Changes: A Celebration of Frightened Rabbit’s ‘The Midnight Organ Fight’ soll übrigens The Modern Leper von Julien Baker gewesen sein – eine typisch intime, auf minimalistische Gesten setzende Getragenheit an Piano und Akustikgitarre, ohne emotionale Distanz aber viel authentischer Gänsehaut.
Am anderen Ende des Spektrums eröffnen allerdings erst einmal Biffy Clyro den Reigen mit der selben Nummer. Das Trio ändert immer wieder die Ausgangslage, flirtet mit Elektronik und Streichern, zeigt dann aber, dass es aus praktisch jedem Song eine fette Stadionhymne mit bombastischen Refrain machen kann. Wo die Amerikanerin also eine versöhnlich-tröstende Abspann-Szenarie pflegt, steht bei den Schotten am Ende die ekstatische Entladung, pure Kraft.
Überzeugen tun auf ihre Art übrigens beide Fraktionen restlos. Schwer zu sagen deswegen, welche Version wirklich besser ist – im Zweifelsfall funktioniert die vordergründig explosive Impulsivität und Leidenschaft von Biffy subjektiv aber sogar eine Spur überwältigender, weil wuchtiger. Nicht wenige werden das anders sehen – und keinesfalls Unrecht haben.
Bei den anderen beiden doppelt vertretenen Songs sind die relativen Favoriten (auch wegen klarer positionierter Fanbrille) ein klein wenig schneller gewählt. Wintersleep machen aus The Twist einen erst seine Spannungen hinauszögernden, dann unfassbar liebenswert schunkelnden Stampfer mit nonchalantem Weichzeichner, während Piano Bar Fight – die ehemalige Band von Frightened Rabbit-Keyboarder/Gitarrist Andy Monaghan – das selbe Stück auf ätherischere Synthies gebaut nicht vom schottischen Akzent lösen, darunter aber einen fast schon vorsichtigen Krautock legen. Das ist subtiler und weniger catchy als die unbeschwerte kanadische Aufarbeitung, zudem historisch enger mit der Band verwurzelt, doch den Unterschied macht nicht zuletzt die charakteristische Stimme von Paul Murphy.
Sarah Silverman und Katie Harkin (Sleater-Kinney, Sky Larkin) lassen My Backwards Walk hingegen mit sphärisch-oszilierenden Gitarren und nebulösen Keyboardschwaden lange zappeln, bevor der Rhythmus kurze Momente unruhig scheppert. Durchaus souverän, doch Manchester Orchestra gehen dagegen deutlich runder in der sanften Atmosphäre auf, lassen sich von der weihevollen Stimmung zu einem sorgsamer vorbereiteten Finale tragen, das ruhig geduldiger verglühen hätte dürfen. Das relativ abrupte Ende der Komposition behalten beide Parteien schließlich bei.
Die restlichen (jeweils nur in einfacher Ausführung vorhandenen) Interpretationen gelingen darüber hinaus wie so oft bei derartigen Projekten mal besser, mal weniger überzeugend.
I Feel Better von den kurzzeitig wiedervereinigten Oxford Collapse etwa bleibt bis auf die ungelenken Vocals und eine hibbelige Überdrehtheit relativ redundant nahe am Original, Good Arms vs. Bad Arms baut auf synthetische Beats und verträumte Gitarren und damit fahren Fiskur zumindest nicht schlecht. Right On Dynamite inszenieren den nach vorne gehenden Drive von Fast Blood scheppernder, ungeschliffener, entdecken aber sonst kaum spannende neue Facetten.
Old Old Fashioned lehnt sich dagegen für einen lebendigen Bluesgrass von Josh Ritter toll aus dem Fenster und das schimmernde Instrumental Bright Pink Bookmark plätschert von The Philistines Jr. gelenkt ästhetisch dahin, wo Head Rolls Off von Craig Finn gefühlvoll in seinen patentierten Springsteen‘esken Heartlandbar-Rock umgeklatscht wird. Keep Yourself Warm legt sich in ein sakrales Keyboard-Trostpflaster nach bester Death Cab for Cutie-Manier, das aber einfach nicht wirklich in Gang kommen will und irgendwann bezaubernd in der Komfortzone von Benjamin Gibbard mäandert, während Extrasupervery (von Inletts) eher wie eine niemals greifbar werde Fantasie vorbeizieht – schön, aber auch kaum ergreifend.
Wie eine derartige Gangart geht zeigt gleich darauf Poke, in dem die wie immer klasse agierenden Daughter filigran pochend bis auf den Dreampop-Dancefloor schweben. Floating in the Forth ist dann ohnedies eine aufgelegte Geschichte: The Twilight Sad sind praktisch seelenverwandt mit Frightened Rabbit und transportieren das Stück dementsprechend intensiv, mit einer beklemmend hallenden Spannung. Wirklich stark, gerade im Kontrast zum ambient-perlenden, cineastischen Anschluss, den das versöhnliche Who’d You Kill Now? als Kooperation von The National–Mann Aaron Dessner und Chvrches-Frontfrau Lauren Mayberry darstellt – und das Herz unstillbar traurig aufgehen lässt.
Man kommt nach diesen 65 Minuten immerhin nicht umher, das Licht am Ende des Tunnels zu sehen, wenn man einmal mehr den Einfluss vor Augen geführt bekommt, den diese Band und Hutchison eben nicht nur zu Lebzeiten hatten. Wenn es also in der für diese Compilation titelstiftenden Textzeile aus Head Rolls Off „And while I’m alive, I’ll make tiny changes to earth“ heißt, muss man längst auch ein bisschen relativieren: Weder waren die Fußabdrücke, die Hutchison hinterlassen hat, besondern klein, noch ist die Tragweite seines Vermächtnises durch seinen Tod verklungen. Insofern treffend formuliert: „His memory shouldn’t be shrouded in darkness„.
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