Various Artists – TCM Tones
Ein Jahr ohne neues Messer-Album ist eigentlich kein gutes Jahr. Weil man sich aber wohl mit der Gewissheit anfreunden wird müssen, 2014 ohne den Nachfolger von ‚Die Unsichtbaren‚ auskommen zu müssen, tröstet This Charming Man Records mit einer rundum gelungenen Record Store Day-Veröffentlichung rund um die Münsteraner Ausnahmeband.
Die steuern hierfür die B-Seite der digitalen Single ‚Die kapieren nicht‚ bei, eine gemeinsam mit dem grandiosen Schweizer Schnulzensänger Dagobert eingespielte Coverversion des Serge Gainsbourg und Brigitte Bardo-Duetts ‚Bonnie and Clyde‚: reduziert schunkelt und torkelt der französischsprachige Song angenehm neben der Spur und voller Rotweinflecken aus der nächstbesten Gauner-Spelunke dem Sonnenuntergang entgegen und ringt damit vor allem Messer interessante neue Facetten abseits ihres so zwingend nach vorne gehenden Postpunks ab. Keine unbedingt neue Erkenntnis: die Typen können offenbar jede Gangart – nur weniger dringend wartet man nach so einem Song natürlich auch nicht unbedingt auf das Drittwerk der Band.
In den eigentlichen Hohheitsgebieten von Messer bewegen sich hier ausgleichend dafür Karies: die Stuttgarter mit Die Nerven–Drummer Kevin Kuhn hinter der Schießbude spielen ‚Kandare‚ mit unterkühltem Joy Division-Spirit und angepisst skandierendem Parolengesang, groovendem Bass und nach vorne gehenden Beat. Das mag altbewährt klingen, hat aber einen mitreißenden Drive, der vorführt, dass die Jungs das was sie da machen schlichtweg zwingend beherrschen. Das noch in diesem Jahr kommende Debütalbum der Band sollte man sich deswegen unbedingt vormerken. Auch die Wiener Noiserock-Durchstarter Sex Jams lassen sich nicht lumpen und legen mit ‚Prayer‚ einen exklusiven Song vor, der den vom grandiosen ‚Trouble, Honey‚ bekannten Drahtseilakt zwischen giftigem Sonic Youth-Feedback und kratzbürstigen Popmelodien ohne allzu freundliches Entgegenkommen zelebriert: Steve Albini jubiliert bei sowas!
Dass Night Shirts tatsächlich aus Bayern (und diesem Jahrzehnt) kommen überrascht dann immer wieder aufs neue: ‚Spring Break‚ garagenrockt sich mit viel Schmiss und noch mehr angenehmer Schludrigkeit in die Schnittmenge aus melodieseligem Lo-Fi-Surfpop und schunkelndem Strandpunkrock, geradewegs hin zu den Ramones, den Thermals und Wavves. Nur, dass der Song sich auch auf dem kommenden ‚…Live From Queimada Grande‚ finden wird – und damit als einziger keine Exklusivität ausstrahlt – trübt das Bild etwas. Dennoch: diese 16 Minuten Gesamtspielzeit gehören zu den Highlights des diesjährigen Record Store Day, bei dem Fans der vertretenen Bands und des veröffentlichenden Labels blind zugreifen können. 100 weiße sowie 400 rote Vinylversionen sollten da auch über den Mailorder von This Charming Man weggehen wie die warmen Semmeln.
Kommentieren