Various Artists -Shut it Down: Benefit for the Movement for Black Lives

von am 9. September 2020 in Compilation

Various Artists -Shut it Down: Benefit for the Movement for Black Lives

Shut it Down: Benefit for the Movement for Black Lives schickt sich nicht nur quantitativ an, mit seinen 46 Songs und knapp drei Stunden Spielzeit dem ähnlich motivierten Overgrow to Overthrow den Rang an substantiellste Compilation des Jahres abzunehmen.

Im Vergleich zur besagten Bindrune-Songsammlung, einem ebenfalls nur digital via Bandcamp vertriebenen und vor imposanten Szene-Vertretern im Portfolio platzenden Schaulaufen, sind mehr Beiträge auf Shut it Down weitestgehend exklusiv – egal, ob die hier vertretenen Bands spontan eingespielte Beiträge bieten, bisher unveröffentlichte nominelle Ausschussware, Demos oder Live-Aufnahmen, vereinzelt eben auch bekanntes aus dem eigenen Repertoire.
Ansonsten eint die beiden Compilations die Intention allerdings ansatzlos: „Shut It Down is a compilation of 46 metal, hardcore, punk, and noise bands speaking out and raising money for black lives and an end to racist policing. All proceeds will be donated to the organization Movement for Black Lives (m4bl.org). Shut it down is independently organized by the members of the music community and not affiliate with M4BL or any organization.

Was also sticht bei dieser schier überbordenden Fülle an Material heraus? Vor allem natürlich zwei Allzeit-Lieblingsbands, die einmal mehr ihre Unfehlbarkeit trotz immenser Produktivität demonstrieren: Für Kerosene hat Bryan Funck Andy Gibbs dazu gezwungen, einen Bad Religion-Song zu lernen – und dann übernimmt auch noch seine Lebensgefährtin Emily McWilliams alias Silver Godling die Hauptrolle und Führung in einem düster ambienten Goth-Stück am unheilvollen Piano, irgendwo zwischen Lingua Ignota und Marissa Nadler. Und während man einmal mehr beeindruckt feststellen muß, dass Thou selbst hinter den EP-Trabanten von 2018 noch abseits ihres Signature Sounds überraschen können, wächst die Melancholie mit dissonanter Epik in einer überragend-erhebenden Kaputtheit von epischer Tragweite, Funck greint zu orchestralen Gitarrenahnungen, abgedämpft pulsiert es: Eine wunderbar groteske Ballade ekelhafter Schönheit ist das.
Ähnlich krass auf dem falschen Fuß erwischen da nur Cloud Rat mit einem kreativen Freibrief: Die Kombo hat nach Pollinator ja bisher ein herausragendes Jahr, was Einzelsongs abseits ihrer Königsdisziplin betrifft, eine Komfortzone gönnt sich die Band selbst dort allerdings diesmal nicht: Screen Door ist ein harscher Power Electronics-Albraum a la Pharmakon. Muß man da trotzdem noch extra erwähnen, dass das Trio auch diesen beklemmenden Schaltkreis-Terror mit Ambient-Field Recordings und manisch wummerndem Finale beherrscht?

Und sonst so? Chepang schmeißen den Motor mit Gaida Taskar Chutkeli erst über weite Strecken rein instrumental an, revidieren die dröhnend galoppierende Ausrichtung dann jedoch und ballern über den Hardcore-Umweg räudig in den Grind. Where Have All the Windows Gone (Amygdala) vereint mehr oder minder die Ideen für fünf Songs auf acht Minuten, ist ein unausgegorenes, aber durchaus auch faszinierendes Ungetüm aus verzweifelt heulendem Sludge, Lagerfeuer-Ukulele mit Noise-Kulisse sowie majestätisch dräuendem Blackgaze. Nicht unbedingt essentiell ist die dumpf und übersteuert verwaschen Feels Like End Times-Perspektive von Urian Hackney auf End Times Dub, doch Modern Life is War gehen bekanntlich immer. Terminal Nation widmen das hauseigene Update Cop Drop 2020 allen Opfern rassistischer Polizeigewalt vor einem eröffnenden Feedback-Hintergrund und bolzen dann massiv stampfend und plakativ ausspuckend bis zum wütenden Body Count-Crossover. La Injustica ist martialischer Metalcore aus der Feder von Xibalba, bis zum Anschlag ein Kotzbrocken, der sich in seinem stumpfen Sud wohl fühlt und besser funktioniert als das nervige Look Like Me (Alternative Press Diss) von Kaonashi.
Dawn Ray’d spendieren wie üblich einen Livetrack, diesmal mit Black Cloth einen kompakten Ausbruch ihrer ersten EP und Jesus Piece prügeln ihren Hardcore in Oppressor mit ordentlich Publikums-Interaktion von der Bühne, Usurper (End) macht das Konzert zum Allstar-Geschwindigkeitsrausch. Apathy Took Helm! von Vile Creature besticht durch seine astralen Harmoniechöre in der traurigen Schwere, während Misery Signals zwar erst unlängst wieder auf Betriebtemperatur zusammengefunden haben, doch „nur“  die verträumte Metalcore-Comeback-Single River King zu spendieren, ist trotzdem enttäuschend. Auch Panthers in the Night wurde von Rough Francis vorab noch schnell als eigenständige Standalone-Single veröffentlicht – der schmissig twistende Punkrock der Band empfiehlt sich aber auch ideal als Überbrückung bis zur Rückkehr von The Bronx und funktioniert abseits des hauseigenen Albumkontextes. Anarcha (War on Women) geht ebenso catchy nach vorne und Welfare (MAAFA) hat sogar noch mehr infektiöse Hooks in seinem anachronistischen Punk.

Weniger frontal: Dream Canyon (wer muß bei diesem Titel nicht an Burning Witch denken?) stammt aus den Sessions zu Life Metal und Pyroclasts, und war unter aufgeräumterer Bezeichnung so auch auf Life Metal Rehearsal 260518, einer der sechs (!) Demoalben zu finden, die seitdem limitiert via Bandcamp erschienen sind. Dabei wäre die kompakt gegen den Strich gebürstete Nummer auch auf den regulären Alben ein ungemütlich aufbegehrender Trademark-Drone von Sunn O))) gewesen. Primitive Man liefern mit Tired ebenso eine Nummer, die es nicht auf den aktuellen Langspieler, Immersion, geschafft hat. Ebenfalls unverständlich, weil dieser das unsagbar gnadenlose Trio ebenso ansatzlos vertraut die eigene Hohheitszone aus nihilistischer Heaviness zelebrierend zeigt, zumal das verstörend schleppende Zeitlupen-Feedbackmeer eher als malträtierend-siechendes Instrumental-Herzstück in den Kontext des dritten Studioalbums der Band um Ethan Lee McCarthy gepasst hätte. Wenig später wird dieser übrigens auch noch eine experimentellen Noise-Track mit Enemies I Will Never Forgive unter seinem Alias Many Blessings nachlegen, ein dröhnendes weißes Rauschen, typisch ungemütlich einlullend, aber untypisch kompakt – zudem kaum konfrontativ, eher heimlich.
Passend dazu ist Kurdistan atmosphärisches Instrumental, das Cult Leader eigentlich in der Mottenkiste ablegen wollte. Dabei steht diese stimmungsvolle Nachdenklichkeit der Band absolut einnehmend -gut also, dass die Nummer hier einen Platz gefunden hat. Wenn man der Schatzkiste Shut it Down an dieser Stelle allerdings etwas vorwerfen kann, dann, dass der Albumfluß durch eine stimmigere Positionierung mancher Nummern mit einem homogeneren Fluß noch kurzweiliger ausgefallen wäre, etwa im Anschluß an die zähflüssige Post Metal-Geißelung, die Rwake mit der Demo zu Infinince auskeifen. Aber eben – hier stimmt in Summe nicht nur die Masse, sondern auch die Klasse. Oder wie Initiator und Racetraitor-Frontmann Mani Mostofi nicht ohne entsprechenden Stolz erklärt: „Nearly everyone my friends that I contacted wanted to participate in the comp, so we ended up with so many more amazing bands taking part than we anticipated. It was a community effort all around.

Print article

1 Trackback

Kommentieren

Bitte Pflichtfelder ausfüllen