Various Artists – Ô: A Tribute Compilation to Ô Paon and Geneviève Castrée
Nick Rennis kuratiert für den karitativen Zweck Ô: A Tribute Compilation to Ô Paon and Geneviève Castrée – eine Verneigung vor der vor fünf Jahren verstorbenen kanadischen Künstlerin mit teils doch überraschenden Gästen.
An vorderster Front diesbezüglich stehen wohl einerseits Cloud Rat. Dass die es mittlerweile eigentlich auch gerne ruhiger und experimenteller können und wollen, ist spätestens seit Faster bekannt. Für La Panne aber packen sie die angestammte Grind-Kante aus, keifen brüllenden und schieben das dreckige Riff vor der gespenstischen Textur mal punkig, dann schwergängig und dann rasend ballernd voran, entfernen sich dabei jedoch auch wegen des unter suboptimalen DIY-Umständen aufgenommen Sound ebenso radikal vom Original, als von der eigenen Komfortzone: Diese Band ist einfach immer ein verdammtes Spektakel!
Selbiges gilt andererseits übrigens freilich auch für Thou, die man in diesem Umfeld wohl ähnlich wenig erwartet hätte, wie die Kumpels von Cloud Rat – oder die Teilnahme der NOLA-Gang am Save Stereogum-Sampler vergangenes Jahr der Fall war. Dabei haben Thou (die Castrée 2014 auf einer gemeinsamen Tour kennen lernte) auch diesmal keine Mühen gescheut und sich BIG | BRAVE-Frontfrau Robin Wattie für gleich zwei Beiträge in ihr offenes Kollektiv eingeladen – eine perfekt harmonierende Konstellation, um es gleich vorwegzunehmen.
Manches Courtes klingt dort nämlich etwa, als würde die Band eine mit synthetischen Streichern beschworene Postrock-Klanginstallation kreieren, über die irgendwann ein böser, aber nicht unwirsch bratzender Doom zu stoisch in Zeitlupe hämmernden Drums gleichzeitig martialisch und engelsgleich agierend hereinbricht. Die Gitarren arbeiten wie kompakte Sunn O)))-Ungetüme, durch die (wie das meiste Material der Compilation sich der französischen Sprache bedienenden) Stimme von Wattie einen behutsamen Kontrast aus heller Beschwörung und strenger Finsternis erzeugt. Arbres Muets baut ebenso auf eine präsente Percussion, legt diese aber weniger direkt, vielmehr wie einen björk‘esk bimmelnden Tagtraum an, federnd-verspielt-pochend – über den Thou letztendlich mit schneidender Härte und fauchender Aggressivität hinwegfegen.
Abseits davon lässt Ô: A Tribute Compilation to Ô Paon and Geneviève Castrée aber auch im erwartbarerem Rahmen viel zu entdecken.
Lori Goldston macht aus dem Instrumental Fleuve iii eine melancholische Cello-Landschaft, die wie ein Cave & Ellis-Score für ein Earth-Biopic Anmut und Grandezza in einer kargen Prärie findet. Sheahan Drive machen aus Grand Sec/Alunnisage einen spartanischen Elektro-Pop mit 80er-Attitüde. Die Vocals verleihen dem düster schraffierten Song eine bittersüße, niedliche Leichtigkeit, die Gitarre darf ein bisschen zu Bowies Berlin-Jahren flanieren, bevor der Nachhall kontemplativ in den Ambient taucht. In Les Filmes Américains wird eine knarzende LoFi-Erinnerung von Nicholas Krgovich zum fragilen Chanson umgedeutet. Das Piano scheint hinter dem gehauchten Gesang lange kaum berührt zu werden, um nicht mit dem Verfall zu drohen, bis sich die Nummer ihrer eigenen Vergänglichkeit bewusst den Sonnenstrahlen öffnet und sich auflöst. In Masques erzeugen Black Belt Eagle Scout einen kargen, unaufgeregten Groove, dessen Monotonie sich einer krautigen Tempel-Haptik bedient, die Gitarren derweil zwischen dem Postrock und der Wüste die Elegie pflegen. Les Perdants/Les Perdantes (New Issue) skizziert als Anachronismus über einem simplen Drumbeat aus der Dose modellierte Elemente und Psychiatrie (Le Fruit Vert) besinnen sich auf eine vorsichtig schiebende Nachdenklichkeit und konzentrieren sich nahezu alleine auf die Synergie der Stimmen, instrumental genügen sparsame Tupfer.
Fille Tannée/Fille Tendue (Nadja) ist nun ein unwirklich entrückter Slo-Mo-Rocker, der sich gegen jede Körperlichkeit entscheidet, stets knapp außerhalb des fokussierten musikalischen Spektrums zu passieren scheint, und sich ein bisschen wie Drone mit den Samthandschuhen des Ethereal Wave angefasst fühlt. Eine Trance jedenfalls, deren apokalyptischen Schleifen hinten raus wiegend in den Arm nehmen.
the Drink Up, Honey erzeugen für Hors-Terre ein dröhnendes Feedback, das wie ein wundervoller Bodennebel die Ahnungen von Melodien vergänglich treibend auftauchen lässt und Bouée hätte in einer anderen Welt durch Ashley Eriksson wohl eine schnatternde 80er Hibbelikeit werden können – in dieser jedoch irgendwo das Gegenteil davon. Vor einem Jahr noch hätte der Bedroom Pop von Karl Blau mit Gris, aus Keyboard und Loops und Drumcomputer-Bastelei erzeugt, noch unaufgeregt Vergleiche zu einem sedativen John Maus evoziert, während Menace Ruine für Chevaux die größere Bühne sucht, ohne sich zu entscheiden, ob diese nun in der Kirche oder im Theater steht, wenn ein orchestrales Lagerfeuer immer dringlicher wird.
Und freilich würde sich keine Verneigung vor Geneviève Castrée richtig anfühlen, würde sich nicht auch ihrem Gatten Phil Elverum Platz bieten – der diesen als Mount Eerie dann auch für zwei ergreifende Interpretationen nutzt. Gris ist bei ihm ein mit Harmonika streifender Wellengang in Zeitlupe, die Melancholie zieht hypnotisch an. Spät schleicht sich ein ausgemergelter Rhythmus in den Hintergrund, der Song darf weiter allen Raum haben, doch die Gitarren brutzeln nun und Elverum übernimmt hinten raus in der ergreifenden Atmosphäre verabschiedend. Grandios! Noch eindringlicher gerät das abschließende Un Peu Comme Dersou, ein mutmaßliches Duett mit der gemeinsamen Tochter, deren Kinderstimmen sich holprig an den Texten entlangtastet und einen unschuldigen, tröstend Charme an die optimistische Performance von Elverum schmiegt, der mit warmen Akustikgitarrenspiel ein geradezu gelöstes, versöhnliches Ambiente zaubert – und womöglich sogar die Hoffnung vorwegnimmt, hiermit in gewisser Weise eine Art Frieden (wieder)gefunden zu haben.
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