Various Artists – For the Throne (Music Inspired by the HBO Series Game of Thrones)
Zur finalen Schlacht im Lied aus Feuer und Eis schließen sich nun auch über ein Dutzend an namhaften Musikern an. Das auslaufende Franchise Game of Thrones soll mit der Compilation For the Throne noch einmal ergiebig gemolken werden.
Sicher hat die HBO-Erfolgsserie immer schon und immer wieder Schulterschlüsse zur zeitaktuellen Musik gesucht. Etwa, wenn beispielsweise Mastodon mehrmals als Wildlinge vorbeischauten und Scott Ian Seite an Seite mit den White Walkern kämpfte, Sigur Ròs nicht nur Joffreys Wedding Band gaben, sondern auch The Rains of Castamere einspielten – wie es übrigens auch die hier abermals vertretenen The National taten. Überhaupt ist die Liste an Schauspiel-Cameos ähnlich lang wie jene an Bands, die, von The Hold Steady (The Bear and the Maiden Fair) über Coldplay im Musical-Modus bis zuletzt Florence + The Machine (Jenny of Oldstones), musikalisch in die Welt von George R. R. Martin eintauchten.
Diesem durchaus stimmigen Ansatz folgt For the Throne nun nicht, sondern bringt eine Handvoll potentiell verkaufstechnisch am Mark ziehender Vertreter unterschiedlichster Couleur zusammen (ähnlich wie zuletzt der alternative Inspired by-Soundtrack von Roma), übernimmt das stilistische Sammelsurium der Künstler nur mit textlich vage an das serielle Narrativ angepassten Formeln. Die kalkulierte Erwartungshaltung, dass die Kombination aus dem Hype um das Game of Thrones-Finale samt dessen Merch-Zugkraft in Verbindung mit den Fanbasen der versammelten Großkaliber-Interpreten unabhängig der abgelieferten Beiträge den Rubel rollen lassen wird, ist paktisch unkaschiert. Und wegen der Formel, keinen der Musiker aus der eigenen Komfortzone für eine authentische Annäherung an den Stoff zu locken, weil ein paar inhaltliche Schlagworte (Gods, Crown, etc.) genügen sollten, variiert die Qualität der Compilation-Bausteine auch stark, ohne jemals ein kohärentes Ganzes abliefern zu wollen, oder aber wirklich herausragende Einzelstücke zu hofieren.
Die reelle Totalausfälle halten sich bei einer Gesamtspielzeit von 47 Minuten dabei allerdings in Grenzen. Power is Power klingt wie der verkrampfte Versuch von SZA, The Weeknd und Travis Scott, im Windschatten der Black Panther-Compilation pathetisch in den R&B zu gestikulieren, was stilistisch absolut nicht zur Stimmung der Serie passen will – aber auch für sich genommen einfach kein besonders guter Song ist, sondern wie der redundante Bastard aus All The Stars und Pray For Me anmutet.
An sich besser als dieses kaum innovative Recycling macht seine Sache der elegische Remix von Lil Peeps (im Grunde bisher offiziell unveröffentlichten) Cloudrap im mit texturierten Gitarren und Ty Dolla $ign ausgestatteten When I Lie – nur wirken die unsäglichen „Stick that needle in my eye“-Lyrics schlichtweg deplatziert. Dass aus dem angestammten Rap-Business eingefügte Vertreter jedoch keine grundsätzlich zum Scheitern verurteilte Idee sein müssen, lässt sich ansatzweise nachvollziehen, wenn A$AP Rocky und Joey Bada$$ für Too Many Gods rasselnder Trap mit beinahe gospelartigen Anstrich versehen (eine gute Kollaboration!) oder X Ambassadors mit Jacob Banks eine dieser auf abgedämpften Beats gebauten Neo-Soul-Retorten aufziehen. Kann man machen – auch wenn Baptize Me vielleicht nicht die naheliegestende Titelwahl für einen Song im GoT-Kosmos ist.
Als schlüssigere (jedoch nicht zwangsläufig bessere) Beiträge erweisen sich dann aber nichtsdestotrotz andere Songs. Maren Morris eröffnet For the Throne mit Kingdom of One, einer balladesk reduzieren Gitarrennummer mit plakativen Texten und Gesang, der um Nuancen zu bemüht nach Emotionen im Hochglanz-Americana presst. Dennoch ein solider, stimmungsvoller Opener. The Lumineers liefern mit Nightshade ein ebenso einnehmendes Pianokleinod mit leiser Dramatik und zärtlicher Wärme, Ellie Goulding baut auf Ramin Djawadis Grundlage einen dem Club nicht abgeneigter Synthpop – wenig erinnerunswürdig, aber zumindest gefühlvoll.
Turn on Me ist dann ein typischer The National-Song, unaufgeregt und ruhig. Subtil programmiert und mit weiblicher Begleitstimme könnte das solide Stück eventuell eine Brücke zwischen Sleep Well Beast und dem kommenden I Am Easy to Find schlagen. James Arthur kann hingegen geschmeidigen Formatradiopop (From the Grave) ebenso wie Lennon Stella, deren wenig rationale Love-Lyrics in Love Can Kill zumindest irritieren. Der Wiederhörwert? Kaum vorhanden.
Ätherisch klackernde Puls-Beats und verführerisches Vocoder-Scharwenzeln sind das Gerüst von Me Traicionaste, in dem dich Everybody’s Darling Rosalía mit A.Chal herumtreibt. Chloe x Halle unternehmen für den guten Elektropop Wolf at Your Door sogar den Versuch, einen andersweltartigen Anstrich zu verpassen und selbst die ansonsten auf Geschmacklosigkeiten abonnierten Mumford & Sons machen ihre Sache mit dem unpompösen Folkrock Devil In Your Eyes, aufgehübscht durch dezente Synthies und Streicher in der Bryce Dessner-Produktion, überraschend gut, weil unaufdringlich.
In die Vollen schlägt dagegen zum Abschluss Matt Bellamy: Pray (High Valyrian) gibt sich nicht mit weniger als einer digital-epischen Operettenhaftigkeit zufrieden, erhebend und melodramatisch, choral und sinfonisch, bevor leise eine martialische Hymnenhaftigkeit in den Song wächst und den Epos nachholt, den Muse auf Simulation Theory zugunsten kompakterer Popformate ausgelassen hat. Das mag kein per se starker Song sein, aber einer, der sich Mühe gibt aus der Masse herauszustechen und der die Imagination als große Ausnahme auch tatsächlich bis nach Westeros schweifen lässt.
Mit beschwörenden Samples durchzogen unterstreicht Bellamy damit auch noch einmal die zwei gravierenden Probleme von For the Throne in aller Deutlichkeit. Weder wirken die meisten der aufgefahrenen Nummern, als wären sie wirklich durch die Serie inspiriert entstanden – noch muten sie grundlegend sonderlich inspiriert an. Eher scheint man es unter dem Game of Thrones-Banner hier mit zwei Handvoll an bestenfalls soliden B-Seiten und noch mehr belangloser Resteverwertungen aus der Mottenkiste zu tun zu haben. Ärgerlich, was hier an Potential so dermaßen ambitionslos verschenkt wurde.
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