Various Artists – Dirt [Redux]
Ein Grunge-Klassiker in den Doom verschoben: Magnetic Eye Records versammelt wieder einmal einige (mitunter namhafte) Freunde und nimmt sich nach Material von Jimi Hendrix, Helmet und Pink Floyd diesmal mit Alice In Chains‚ Dirt eine perfekte Grunge-Blaupause in der Redux-Version vor.
Anhand von Dirt [Redux] meint man durchaus nachvollziehen zu können, weswegen manche der hier aufgefahrenen Bands dezitiert in der ersten Liga arbeiten, während das Gros abseits der breiten Aufmerksamkeit in der zweiten Reihe der Szene operiert: Zu oft machen es sich einige Vertreter der aufgefahrenen 64 Minuten dieser Tribut-Compilation doch zu einfach, indem es gefühlt genügen soll, die Stimmung mit tief bratenden Verstärkern und walzenden Rhythmen zum immer gleichen, irgendwie doch auch klischeehaften Doom-Sound hinunterzufahren, im Windschatten von harmlosen Goatsnake und unereichbaren Black Sabbath eine versierte Routine hochzuhalten und doch auch mit standardisierten Normen kompetent zu langweilen, was der Genrefan so guten Gewissens absolut befriedigens nebenbei konsumieren kann, ohne in Euporie zu verfallen.
Gerade der Mittelteil der Platte kann so dennoch keine essentielle Relevanz erzeugen: Junkhead von Forming the Void strapaziert durch seinen bemüht in die Länge gezogenen Gesang ein klein wenig die Nerven und hat musikalisch bis auf einen ambient-funkelnden Zwischenpart und sein gelöstes Solo wenig abseits des Baukastens zu bieten; God Smack (Backwoods Payback) versucht als Malen-nach-Zahlen dagegen zumindest breitbeinig als Chris Cornell-Schülerschau zu knödeln und krähen, hat eine amüsante Slapstick-Pointe parat. Der Mehrwert hält sich dabei jedoch in Grenzen.
Vor allem aber gibt es einiges auf Dirt [Redux] zu entdecken und notieren. Rain When I Die grummelt mit giftig abdrehenden Gitarren, High Priest entscheiden sich dann doch für eine relativ konventionelle Aufarbeitung zugunsten des Killer-Chorus – erst These Beasts ziehen Sickman konsequent in den Noiserock – packend, aber zu repetitiv – und Howling Giant streichen auf Rooster den 90er-Alternative Rock und Sludge Pop so effizient und überzeugend hervor, wie man es nur ASG zugetraut hätte.
Black Electric geben Iron Gland durch stiernackig bellende Hardcore-Shouts Akzente im zu repetitive Muster. Der Titelsong, gespielt von Somnuri, verwässert hingegen seinen ursprünglich psychedelischen Wahn durch die archetypische Umsetzung, während der traurig abgekämpfte, launige Gesang gleichzeitig markant und doch nur unmündiger Passagier in der als Wüstenbastard aufzeigenden Nummer zu sein scheint. Hate to Feel (von -(16)-) hat diese überfallsartig beschwörende, dringliche Dramatik der mittelalten Baroness und knüppelt dann in Schüben zu einem hymnischen Finale – nicht unähnlich praktzizieren es die Schweden von Vokonis mit ihrem melodischen Stoner-Blick auf Angry Chair. Das abschließende Would? von den merklich aus der Asche von SubRosa hervorgegangenen The Otolith addiert durch die Violine und die skelettierten Percussion ein eigenes morbides Dark Folk-Flair, im Hoheitsgebiet von U.S. Christmas, Mariner und Chelsea Wolfe ungefähr, und sorgt trotz einer schwerfälligen Gangart im Refrain für eine der interessantesten, weil eigensten, Versionen hier – ganz unabhängig davon, dass die magere Frauenquote auf die letzten Meter zumindest ein klein wenig korrigiert werden kann.
Am stärksten gerät dennoch die prominent besetzte Eingangsphase der Platte. Them Bones zeigt Thou wieder mit einer Duett-Mischung aus Mathews klarer Grunge-Stimme und Bryans garstigem Gekeife am Mikro, also in einer Nebenfahrbahn, die unter anderen mit No Excuses oder 4th of July bedient wurde. Und auch wenn etwa Andy Gibbs keinen Hehl daraus macht, wie sehr ihm Fremdinterpretationen derzeit an sich beim Hals hinaushängen, so sehr hört man doch, wieviel Spaß die Band an dieser Verneigung hatte.
Khemmis machen aus Down in a Hole später ihren episch-getragen Trademark-Metal, gehen in sich und blühen mit majestätischen Gitarren erhebend auf, womit hausintern Rainbow in the Dark überholt wird: Grandios! Am spannendsten ist allerdings, was Low Flying Hawks – alias Trevor Dunn und Dale Crover – aus Dam That River machen: Praktisch unkenntlich lösen die beiden alle Strukturen der Nummer auf, pflegen eine somnambule Entschleunigung und albtraumhafte Trance, wunderbar transzendental und verführerisch nebulös mäandern: Diese Freiheiten nehmen sich wohl nur Veteranen, die niemandem mehr etwas beweisen müssen.
So viel unkonventioneller Mut wäre hier öfter ausgelebt durchaus fein gewesen, doch bleibt die (diesmal mit einem halben Sympathiepunkt aufgewertete) [Redux]-Reihe stattdessen weiterhin eine solide Bank für Genre-Abonnenten, selten überragend oder wirklich schwächelnd, auch wenn man wie schon bei den Vorgängern der Serie primär zu den selektiven Highlights (oder den aus angestammter Fanperspektive relevanten Beiträgen) zurückkehren wird.
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