Various Artists – Black Panther: The Album
Aus ein paar Songs wird ein komplettes Album: Kendrick Lamar kuratiert den „Music from and Inspired By„-Soundtrack für den aktuellen Marvel-Blockbuster Black Panther als Top Dawg Entertainment-Schaulaufen und schafft damit nicht nur, woran Avengers Assemble seinerzeit scheiterte, sondern setzt zumindest vorerst auch die Qualitätslatte für amerikanischen State of the Art-Hip Hop im Jahr 2018.
Obgleich Teil 18 des MCU (auch) im fiktiven afrikanischen Staat Wakanda spielt, haben es gerade einmal eine Handvoll Interpreten dieses Kontinents auf die simultan zum regulären Score von [amazon_link id=“B079PZXMS5″ target=“_blank“ ]Ludwig Göransson[/amazon_link] erschienene Compilation Black Panther: The Album geschafft.
Wahlweise eine verpasste Chance, um grenzüberschreitende Spotlight-Momente für die kreative Szene abseits des US-Marktes zu setzen (zumal Saudi, Sjava, Babes Wodumo und Yugen Blakrok durchaus ambitionierter und frischer auftreten, als einige ihrer bisweilen auf Sparflamme arbeitenden prominenten Kooperationspartner) – oder aber eine (auch angesichts jüngerer Vorwürfe) durchaus integer-nachvollziehbare Entscheidung, da sich die 49 Minuten der Platte über weite Strecken letztendlich ohnedies wie ein in alle Richtungen offenes Soloalbum von King Kendrick anfühlen, der hier für 14 Songs das Nonplusultra von Feuilleton-Lieblingen zusammengetrommelt hat, aber als Kurator stets als omnipräsenter Ankerpunkt im Zentrum des Geschehens bleibt: Selbst wenn die Trackliste ihn ausnahmsweise nicht explizit in den Credits ausweist, ist er dennoch praktisch in beinahe jeder Nummer zugegen – und formt um die reichhaltigen Gästeliste ein rundum homogenes Gesamtwerk, das den runden Fluss mitsamt schlüssigen Features weitestgehend über den abzusehenden Impact des imposanten Namedroppings stellt.
Wo Lamar zwischen den Stücken auch einmal ansatzlos die Perspektiven der Figuren wechseln kann, veranlagt sich Black Panther: The Album jedoch grundsätzlich als (handlungs)reflektierendes Projekt über einem symbiotischen Charakter. Stilistisch thront hinter dem afrofuturistischen Überbau und über den traditionellen Wurzeln ein am Zeitgeist und aktuellen Trends erprobter Style, der sich eher kontemporär verwaltet, als visionär nach vorne zu blicken, und sich deswegen vielleicht den Vorwurf gefallen lassen muss, das vorhandene personelle Potential nicht mutiger über seine Grenzen zu treiben, in einigen wenigen Phasen zu generisch in einer gefälligen Wohlfühlzone zu plätschern.
Auch Kendrick selbst tritt dabei vor allem als Verwalter in Erscheinung, überzeugt eher anhand der souveränen Zuverlässigkeit, mit der er seine Klasse längst bedient, als dass er am Limit seiner eigenen Möglichkeiten agierend beeindruckt. Als Leitfigur nutzt er das synergetische Amalgam (stellvertretend für ein Gros seiner Kollegen) als Fingerübung zu gleichen Maßen, um bekannte Motive und Ideen seiner Soloalben lose fortzuführen und durch die zahlreichen kreativen Gegenpole nur wenige neue stilistische Perspektiven zu etablieren. Lamar projiziert auf politischer und persönliche Ebene, arrangiert die makellosen Produktionen extrem unaufdringlich und dennoch zutiefst catchy, schlichtweg angenehm zu konsumieren: Das versammelte Material bewegt sich relativ reduziert und aufgeräumt inszeniert, keinesfalls überladen oder zu poliert, als detaillierte High End-Konstruktionen die sich dynamisch, kontemplativ, scheinbar unangestrengt dramatisch und nonchalant entfalten. Die qualitative Balance ist entsprechend hoch.
In der eröffnenden Solidaritätsbekundung Black Panther rappt Lamar erst über ein Pianoloop, das bald im sedierten Fieberwahn neben die Spur kippr, etwas experimenteller-zerfahren einleitet, als es das restliche Album fortsetzt, sich aber durchaus symptomatisch als gelungener Appendix zur 2016er-Großtat DAMN. anfühlt, bevor er All the Stars abgedämpft pulsierend zum souveränen Gipfelstreffen mit SZA führt, wo elegante Streicher ohne Pathos gefühlvoll eine smarte Schönheit von einer R&B-Ballade formen.
Im flimmernd-stacksenden Downbeat-Nursery Rhyme X stellen Schoolboy Q, Kendrick und 2 Chainz sowie Zulu-Mann Saudi immer wieder die Frage „Are you on ten yet? Are you on ten yet?“ und bringen damit den gewissermaßen genügsamen lyrischen Charakter der Platte auf den Punkt, während Khalid and Swae Lee das trappig rasselnde The Ways mit ähnlich überschaubar inspirierten Impulsen, aber dafür einer vitaleren Soundästhetik und poppiger Geschmeidigkeit leger über die Beats streicheln. Das überragende Oops pumpt dagegen unter der Ägide von Lamar und Vince Staples sinister wie die zwingende Clubmusik auf dem vorjährigen Highlight Big Fish Theory, addiert durch die ausschmückende Percussion und die knisternde EDM-Atmosphäre aber einen kontinentalen Spagat. Yugen Blakrok sorgt zudem für eine der zwingendsten Performances – und den augenzwinkernden Zensurmoment der Platte: „Stand behind my own bars, like a seasoned criminal/Gotham City Streets, I’ll play the *bleep*„.
Jorja Smith bezaubert im entschleunigten Digital-Soul-Pop von I Am danach mit rockigen Lavalampen-Gitarren und einer verruchten Stimmung, das tolle Paramedic! von SOB X RBE schmiegt seinen R&B an G-Funk-Ansätze und wummernde Bässe. In Bloody Waters harmonieren Ab-Soul, Anderson .Paak und James Blake als pluckernd verschraubte Einheit mit elektronischem Steel Pan-Flair, wohingegen der Engländer im Verbund mit Jay Rock, Lamar und Future dem Trap von King’s Dead hinten raus einen dröhnend verschraubten Twist zugesteht – musikalisch stark, lyrisch eher enttäuschend: „My bitch been ready, my clique been ready/ My shit’s been ready, my check’s been ready/ My shot’s on full, that’s Armageddon/ I got pull, I hope y’all ready„.
Der beruhigend sanfte Elektroniksoul von Zacari im Redemption Interlude bleibt generell eindruckslos, erst (das vermeintliche Duo) Babes Wodumo dreht den gqom queen-Track als tanzbaren Hybrid aus Dancehall- und House-Temperatur – dennoch kann der Song wie viele andere seine Spannung für sich alleine stehend nicht über die volle Spielzeit halten.
Besser gelingt dies schon Seasons von Mozzy, Sjava & Reason, das seinen relaxten Beat und die jazzige Instrumentierung träumend dösen lässt, gen Ende aber seine Strukturen mit einem Orchester aufmacht. Das locker-flockige Big Shot könnte so dann auch routiniert von DAMN. stammen, das pulsierende The Weeknd-Finale Pray for Me hätte das okaye Starboy ein wenig aufgewertet, verdeutlicht aber auch: Ohne auf die jeweiligen der Discografien bezogen tatsächlich nennenswert aus dem Schaffen der versammelten Künstler herauszustechen, überzeugen die Tracks dieser Compilation primär im hier geschaffenen Kontext.
Black Panther: The Album wird so zu einer subtilen Machtdemonstration, die weniger auf individuelle Ausreißer setzt, als auf eine charakterassimilierende Ganzheitlichkeit, und damit zwar einige Aushängeschilder abwirft, aber keine unbedingten Ausnahmesongs mit Klassiker-Appeall oder wirklich bleibende, ikonischen Szenen – eine Bestandsaufnahme also.
Sei’s drum: Als kohärentes Konzeptwerk funktioniert das runde Black Panther: The Album als massentauglicher Begleiter ohne gravierende anbiedernde Kompromisse einzugehen (natürlich auch, weil die Beteiligten in den vergangenen Jahren ohnedies den gängigen Status Quo etablierten) und stellt klar: So geht – US-Amerikanischer – Hip Hop im Jahr 2018, und vor allem auch eine Alternative zum austauschbaren Einerlei sonstiger Marvel-Soundtracks.
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